Volker Finke jobbt in Asien: "Etwas wirklich Neues"
Volker Finke mischt wieder mit im Fußballgeschäft - in der japanischen Liga. Der Ex-Trainer des SC Freiburg betreut am Wochenende erstmals bei einem Spiel die Urawa Red Diamonds.
Man konnte sich viele Dinge im Leben von Volker Finke nicht vorstellen. Zum Beispiel, dass er überhaupt einmal aus Freiburg weg sein würde. Sogar, dass es beim SC Freiburg eine Zukunft gibt, ohne den Mann, der von 1991 bis 2007 den Klub aus dem Breisgau prägte wie kein anderer. Im Frühjahr 2009 eilt Freiburgs "neuer" Trainer Robin Dutt mit riesigen Schritten in Richtung Erste Liga. Volker Finke aber ist weg aus Freiburg. Vorerst. Über zehntausend Kilometer weit im Osten. Seit Januar ist Finke Trainer bei Urawa Red Diamonds und wohnt zusammen mit seiner Frau Reinhild in Tokio.
Am Wochenende beginnt die Saison mit der Partie gegen Kashima Antlers, den amtierenden Meister. Urawa gilt zwar als Bayern München Japans, aber die Erwartungen sind nicht besonders hoch. Zuletzt hatte der Klub unter Leitung des Deutschen Gert Engels den Anschluss an die nationale Spitze verloren. Es gehört nun auch zu Finkes Job, den guten, alten Ruf aufzupolieren.
Der Trainer näherte sich der neuen Welt nicht mit der Attitüde des europäischen Missionars und verzichtete darauf, erst mal neue Spieler zu fordern. Er kümmerte sich um die, die da waren, und stellte das Abwehrsystem von Dreier- auf Viererkette um. Das brachte ihm Respekt und Anerkennung ein, und es passte zur Wirtschaftskrise, unter der auch Japan und der Automobilkonzern Mitsubishi leiden, der hinter den "Roten Diamanten" steht.
Aber der 60-jährige Finke kam mit der Neugier eines Pioniers ins Land der aufgehenden Sonne. Japan war nicht sein Traum, bis zu den ersten Verhandlungen war der Oberstudienrat nie hier gewesen. Sein großer Traum ist und bleibt Afrika und: mit einem afrikanischen Nationalteam eine WM zu spielen. Aufgegeben hat Finke diesen Traum nicht, aber vorerst taucht er ein in Japans Fußball und versucht dort, seine Spuren zu hinterlassen. "Lebensmittelpunkt", so sagt er, bleibt Freiburg. Was heißt, man behält dort Wohnung und Wurzeln, aber bis Dezember - so lange dauert die Saison in Japan - werden die Finkes in Japan leben.
Bayern München hatte den Deal mit eingefädelt. Die Urawa Red Diamonds sind Kooperationspartner der Münchner, und so gab es in der Zentrale des FCB an der Säbener Straße eines Tages die Anfrage aus Tokio: Wir suchen einen deutschen Trainer. Beim FC Bayern fiel sofort der Name Finke. Nun musste nur noch der "ewige Freiburger" und "Afrika-Fan" überzeugt werden. Irgendwann, nach neun Tagen Erkundungstour, war Finke dann so weit: "Ich hatte das Gefühl, da gibt es etwas wirklich Neues." Und für ihn leitete sich mit der Reise nach Japan so etwas wie ein Loslösungsprozess ein.
Finke hatte unter der Trennung vom SC Freiburg schwer gelitten, mehr, als er bis heute zugeben will. Japan ist deshalb für ihn auch der Auftakt zu einem neuen Leben. Und er fand beste Strukturen vor. Trainingsgelände und Stadion erfüllen höchste Standards. Die Deutschen Holger Osieck und Guido Buchwald haben hier gearbeitet. Mit Finke sind nun die ehemaligen Profis Karsten Neitzel und Ibrahim Tanko als Assistenten bei Urawa. Nene, ein Brasilianer, der zehn Spiele für Hertha machte, steht ebenso in Finkes Kader wie Robson Ponte, der für Wolfsburg und Leverkusen spielte, zudem Nahiro Takahara, der beim HSV und Frankfurt unter Vertrag stand.
Viel reden wollte Finke in diesen letzten Tagen der Vorbereitung, vor dem schweren Auftaktspiel beim Meister Kashima Antlers, nicht. Zuerst will er den Fußball bei Urawa verbessern. Man kann sich gut vorstellen, wie aus den "Diamanten" bald Spieler werden, die an die sogenannten Breisgau-Brasilianer erinnern, die das Kurzpassspiel zu ihrem Credo erhoben. Die Zeitung Tokio Today schrieb über das "Projekt Finke", er habe die Aufgabe, "den erfolgsverwöhnten Verein wieder aufzubauen". Dem hat sich Finke nun verschrieben, alles andere muss warten.
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