Verhandlungen in Palästina: "Hamas will aus der Isolation"

Politologieprofessor Ali Jarbawi: "Hamas und Fatah stehen unter Druck, die Spaltung der Palästinenser zu beenden".

"Die Popularität der Hamas zunimmt, je weiter die Bürger vom Kriegsschauplatz entfernt leben." : dpa

taz: Herr Jarbawi, glauben Sie, dass sich die Fatah und die Hamas auf die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit einigen werden?

Ali Jarbawi: Es herrscht zwischen beiden Lagern eine konstruktive Atmosphäre, weil beide unter Druck stehen. Deshalb sehen sie sich veranlasst, die Spaltung der Palästinenser zu beenden. Diese Bemühungen dürfen sich aber nicht nur auf Fragen wie die Regierungsbildung konzentrieren. Es gibt derzeit immer noch zwei konträre Richtungen: Die eine Partei ist für Verhandlungen, die andere für Widerstand. Wenn ein Konsens in der generellen politischen Strategie gefunden wird, kann man alle anderen Probleme leicht lösen.

Es gibt drängende Aufgaben wie den Wiederaufbau von Gaza. Beschleunigt das die Versöhnung von Fatah und Hamas?

Es gibt eine Reihe von Aufgaben: den Wiederaufbau von Gaza, die Versöhnung zwischen Fatah und Hamas, die Waffenruhe und die Aufhebung der Blockade, den Gefangenenaustausch, die Reform der PLO und die Reorganisation der Sicherheitskräfte. Diese Aufgaben müssen auf nationaler wie internationaler Ebene als Paket angegangen werden.

Wie schätzen Sie die Haltung der internationalen Gemeinschaft zur Hamas ein?

Von Anfang an war es ein grober Fehler, dass man die Hamas isolieren wollte, obwohl sie die Wahlen 2006 gewonnen hat. Man gab ihr keine Chance, ihre Innen- und Außenpolitik umzusetzen. Sowohl die bis dahin in der Autonomieverwaltung dominierende Fatah als auch die internationale Gemeinschaft zielten darauf ab, die Hamas auszuschließen. Dies trug entscheidend zur Stärkung der Hamas bei. Die internationale Gemeinschaft hat nun begriffen, dass ein Ausschluss der Hamas nicht möglich ist, da sie integraler Bestandteil der palästinensischen Gesellschaft ist. Sie hat ihre Anhänger und eine politische Position, die von beachtlichen Anteilen der Bevölkerung respektiert wird.

Gibt es nach Ihrem Eindruck eine internationale Akzeptanz für eine Beteiligung der Hamas an der nächsten Regierung?

Ja. Die Hamas bemüht sich politisch um die Befreiung aus ihrer Isolation, insbesondere nach dem Krieg in Gaza. Die internationale Gemeinschaft kommt der Hamas ein Stückchen entgegen. Aber ob diese Entwicklung dahin führen wird, dass viele Staaten, insbesondere die USA, in Kürze einen offiziellen Dialog mit der Hamas führen?

Sie sind skeptisch?

Ja, es wird keinen Dialog geben.

Aber was ist dann das Stückchen Entgegenkommen?

Sogar die USA werden wahrscheinlich die Präsenz von Hamas-Mitgliedern oder von Persönlichkeiten, die ihr nahe stehen, in einer Regierung der Nationalen Einheit tolerieren, wenn das Regierungsprogramm nicht mit dem Programm der Hamas identisch ist. Es geht nicht darum, dass die Hamas ihre Ideologie aufgibt, sondern um die Verankerung eines neuen Regierungsprogramms.

Laut Umfragen ist die Hamas nach dem Krieg in Gaza populärer als die Fatah im Westjordanland. Ist dies überall bei den Palästinensern zu beobachten?

Drei Umfragen von angesehenen Instituten kamen alle zum gleichen Ergebnis, dass die Popularität der Hamas zunimmt, je weiter die Bürger vom Kriegsschauplatz entfernt leben: Im Westjordanland ist sie beliebter als in Gaza und bei den Diasporapalästinensern noch mehr als im Westjordanland. Moralisch steht die Hamas hoch im Kurs, aber objektiv fällt das Verhältnis zwischen diesem Gewinn und der Zerstörung zuungunsten der Hamas aus. Je mehr Zeit vergeht, desto deutlicher werden die Menschen die Situation reflektieren und die Hamas vielleicht zur Rechenschaft ziehen. Dennoch genießt sie nach wie vor eine beachtliche Beliebtheit auf lokaler Ebene und im Ausland. Wenn Wahlen abgehalten würden, würde die Hamas ein hohes Ergebnis erzielen.

INTERVIEW: HAKAM ABDEL-HADI

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