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Das Medienereignis AmoklaufWinnenden. Die Story

Eine Schar internationaler Journalisten berichtet mittlerweile aus dem Städtchen mit rund 27.000 Einwohnern. Die Bürger fragen sich: Wo hört Berichterstattung auf, wo fängt Voyeurismus an?

Journalisten müssen die Sprachlosigkeit in Winnenden in Worte und Bilder verwandeln. Bild: reuters

"Gegen Paparazzi! Non télé! Gegen Presse! Keine Presse und kein Fernsehen!" Winnenden am Tag nach dem schrecklichen Amoklauf: Die Schüler des Lessing-Gymnasiums haben an die Scheiben ihrer Klassenzimmer unmissverständliche Antipresseschilder geklebt. Drinnen sprechen sie über das schreckliche Blutbad vom Tag zuvor, direkt neben ihnen, an der Albertville-Realschule, und sie wollen es nicht: dass eines der Dutzenden Kamerateams in eines ihrer Klassenzimmer zoomt. Dass ein Reporter mit gezücktem Stift vor dem Flachbau wartet und fragt: Wie war es? Wie fühlt ihr euch? Kannte jemand Tim K.? Sie wollen ihre Ruhe haben.

Den ganzen Tag kommen Schüler, Lehrer, Eltern vor die Albertville-Realschule, belagert von der Presse. Dort, wo sonst Schüler nach dem Unterricht neben dem Gehsteig auf Steinen sitzen und schwatzen, liegen Blumen, Kerzen, Teddybären. Groß steht der Name eines Schülers auf einem mit Herzen verzierten Plakat, ein Mädchen hat unterschrieben, daneben: "I miss you." Auf einem regendurchweichten Zettel in geschwungener, blauer Schrift: "Ich fühle mich so leer. Warum?"

Und jede Träne wird verfolgt, von Dutzenden von Kamerateams. Auf den ersten Blick scheint die Einfahrt zur Albertville-Schule von einem hohen Zaun geschützt, aber nein, es ist ein Spalier aus Kameras, die, im Halbkreis aufgestellt, Bilder von den Trauernden in alle Welt senden. Auf einer matschigen Wiese legen Betroffene Blumen nieder, der Wind lässt drei Flaggen auf halbmast in einem traurigen Klingklong gegen das Gestänge stoßen.

In der Schule sind noch Bundeskriminalamt und Landespolizei mit der Spurensuche beschäftigt. Sie wollen die Tat rekonstruieren und auch sichergehen, dass es keinen zweiten Täter gab. Reine Routine, sagt ein Sprecher, man sei sich 100 Prozent sicher, dass es Tim K. war.

Winnenden wird von Medien belagert, und die Bürger fragen sich: Wo hört Berichterstattung auf, wo fängt Voyeurismus an? Beim Trauergottesdienst am Mittwochabend quillt die katholische Kirche förmlich über, unter der hohen, schmucklosen Decke ist unentwegt das Klicken der Fotoapparate von der Empore zu hören. Der Bischof bittet um Ruhe, aber immer wieder werden Kameras zur Tür hineingestreckt. "Schenke unseren Schülern Schutz vor Sensationsgier", betet der Bischof nach einer bewegenden Predigt.

Ein wahres Gebet und doch, einen Tag später sitzen zwei Schüler in einem Café in Winnenden und sagen: "Wir wollen darüber reden. Wir wollen, dass die Menschen wissen, wie es war, und dass so etwas nie wieder passiert." Das sagen Markus, 15 Jahre, und Bastian, 16 Jahre, aus der 10d der Albertville-Realschule. Tim K. hat in der 10d sechs Schülerinnen erschossen. Bastian hat es sich zweimal überlegt, ob er kommt. In eine Kamera des ZDF wollt er am Tag zuvor nichts sagen. Jetzt würde er es vielleicht tun. Sie wirken schüchtern, Markus mit schwarzer Kappe, hellen Augen und bubenhaftem Gesicht, Bastian mit kurzen, glatten, blonden Haaren und Schlabberpulli. Als sie die ersten paar Mal erzählt haben, was passiert ist, haben sie gezittert und geschwitzt, sagen sie. Jetzt geht es. Markus hat mit einem der Psychologen aus dem ganzen Bundesland gesprochen, die an diesem Morgen in der Stadthalle Schüler, Eltern und Lehrer der Albertville-Schule betreuen.

Bastian und Markus saßen in der zweiten Reihe der Klasse. Die Schülerinnen, die jetzt tot sind, in der letzten. Die Tür ist hinten im Raum. Markus hört Schüsse, denkt an einen Scherz, dreht sich um, erkennt Tim K., der auf die Schülerinnen zielt, die rein zufällig getroffen wurden, glaubt Markus , weil in der letzten Reihe eben nur Mädchen sitzen. Der Lehrer hechtet hinter den Tageslichtprojektor, Bastian kauert unter der Bank und denkt nur: "Bitte komm nicht wieder, bitte hör auf zu schießen." Er kommt wieder, schießt wieder, dann ist er weg. Markus und Bastian fliehen als Erste über die Feuerleiter aus dem zweiten Stock. Sie rennen über die matschige Wiese, die Straße entlang ins benachbarte Hallenbad. Dort, erzählt Markus, lachen sie wie wahnsinnig: Bastian hat einen Schuh verloren. Lachen aus Verzweiflung. Der Schuh ist wohl verloren, die Spurensicherung hat ihn. "Richtig bewusst wird einem alles wohl erst, wenn man sieht, welche Sitze in der Klasse nun leer sind", sagt Markus am Ende des Gesprächs.

Jedes Gespräch in der Stadt beginnt mit: "Entschuldigung, falls es wirklich nicht stört, ein paar Fragen …" Aus den meisten sprudelt es heraus, sie wollen reden und sind kaum zu stoppen. Nur einmal sagt eine Frau: "Hauen Sie ab, Sie sind ein Unmensch, lassen Sie die Leute in Ruhe." Klischee, aber eben wahr: Ein Bild-Reporter steht am Tag des Anschlages vor der Albertville-Realschule, in der noch immer zwölf Tote liegen. Er sagt, hier sei alles "abgegrast", es gebe nichts mehr zu holen, er gehe jetzt.

Am Tag des Anschlags ist die kleine Stadt wie ein Spiegel der großen Welt: manche Bürger sind betroffen, fassungslos, manche erregt. Beim Griechen in einer Nebenstraße der gepflasterten Fußgängerzone mit seinen kleinen Fachwerkhäusern zählen ein paar Alte die Toten nach, als ging es um Tore in einem Bundesligaspiel. Ein Schüler spricht vor der Tobi-Discount-Bäckerei mit einem Kumpel, der im ersten Stock zum Fenster rausschaut: "Alter, ich war im Computerraum. Alter, ich hab Schüsse gehört!" Er klingt, als solle auch ja jeder mitbekommen, dass er dabei war. Später im Gottesdienst in der Kirche nebenan ist alles anders. "Menschen sind eben sensationshungrig", sagt ein Schüler, der seine Tränen zurückhalten will. Schüler kollabieren und werden von Sanitätern aus der Kirche getragen.

Die meisten kommen am nächsten Tag wieder vor die Schule, wo die Kameras Spalier stehen. Am Beginn der Albertville-Straße laufen sie an einer silbernen Tafel vorbei, die an einer niedrigen Mauer vor dem Park der Psychiatrischen Landesklinik befestigt ist. "Die Würde des Menschen ist unantastbar", steht darauf.

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11 Kommentare

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  • MP
    Margit Prem

    Meine Gedanken und all meine Liebe sind bei euch Allen die ihr nun so sehr leiden müßt.

    es gibt eigentlich keine worte dafür und doch muß es sie geben - auf dieser welt wird immer Gutes und Böses sein und doch wünsche ich daß ihr wieder gehen könnt - gehen könnt in dieser welt ohne jemals wieder umgeworfen zu werden.

  • M
    Martina

    Hallo,

    zuerst möcht ich gegenüber den Angehörigen mein Bedauern aussrpechen, den Schülern der Schule sowie den Lehrern. Keiner der dabei war kann sich vorstellen wie es gewessen sein muss es ist eine schreckliche Tat die sich nicht entschuldigen lässt...

    Den Schmerz zu verarbeiten ist ein langer Prozess bei dem es natürlich ist zu weinen und zu trauern was jedoch völlig danben ist, ist das Verhalten der Presseleute(Paparazi)die sich vor der Realschule tümmeln und auf Schlagzeilen warten, die Schüler belästigen und den Leuten die Zeit zum trauen nicht geben. Es sind Bilder um die Welt gegangen von weinenden Angehörigen. Schüler der benachbarten Schule können kein Unterricht machen da Fotografen sie belästigen und vor der Schule abfangen um den Schüler fragen zu stellen.

    DA SOLLT MAN SICH DIE FRAGE STELLEN

    DARF MAN DAS?????

     

    Die Zeitung Bild hat zum Beispiel ein Foto von Tim K. reingestellt indem man ihn mit einer Waffe erkennen kann.

    DIESES BILD (VON DER ZEITUNG "BILD") ZEIGT

    EIN GANZ ANDEREN JUNGEN!!!

     

     

    Es ist nur ein fall aus vielen in den Medien sich draufstürzen und damit den nötigen Respekt für die Angehörigen misachten...

     

    Lasst die Angehörigen trauern

    gegen Presseleute

  • AH
    Alexander Höfer

    Amoklauf Winnenden

    Die Ursache löst nicht das eigentliche Problem!

    WIR sind ALLE schuld!

     

    Warum, bzw. welche Motive hatte der Jugendliche eine solche Tat zu begehen? Nach der Ursache wird fieberhaft gesucht, Hypothesen und viele Alibierklärungen werden abgegeben. Ja im Zusammenhang, wie man die Schulen sicherer machen könnte fallen sogar völlig abwegige Ideen, wie Chipkarten für die Schuleingangstüren oder bewachte Eingänge. Aber lösen diese Sicherheitsmaßnahmen wirklich das eigentliche Problem? Oder anders ausgedrückt. Was ist eigentlich das eigentlich Hauptproblem im Amoklauf von Winnenden, der in jeder anderen deutschen Stadt hätte passieren können?

     

    Prof. Labenthin sagte auf Phönix diesbezüglich das einzig Richtige. „Unsere Schulen sind kälter geworden! Unsere Kinder zählen nicht mehr als Menschen, sondern nur noch als Leistungsfaktor! (leider auch bei vielen Eltern)“ Aber nicht nur in den Schulen ist es spürbar kälter geworden, sondern auch in unserer Gesellschaft.

     

    „Gesellschaft?“ Gibt es sie überhaupt noch? Sie kennen Barack Obama, Angela Merkel, Papst Benedikt, und Michael Ballack, aber kennen Sie auch die Person, oder die Familie, die nur zwei Straßen weiter im dritten Haus auf der linken Straßenseite im zweiten Stock wohnt? Nein? Warum nicht? Kann es sein, dass Sie das Interesse an ihren Mitmenschen verloren haben, oder dass Sie nur noch für sich leben?

     

    Überhaupt, wie viele Erwachsene gehen im täglichen Leben offen auf Kinder und Jugendliche zu, reden mit ihnen, oder engagieren sich aktiv in der Jugendarbeit? Warum interessieren sich so wenige Erwachsene für die Menschen, die in wenigen Jahren mal unsere Rente finanzieren, oder uns pflegen, wenn wir pflegebedürftig werden? Ist das vielleicht auch der Grund, warum sich so wenig junge Menschen für die Alten interessieren?

     

    Versagt hat im Fall Winnenden aber nicht nur die Gesellschaft, sondern vor allem die Erziehung. Ein Vater der seine Waffen offensichtlich mehr liebte als seinen Sohn. Unabhängig davon sei es erlaubt zu sagen, dass man in unserer Gesellschaft für alles einen Abschluss braucht, nur nicht für die richtige Erziehung von Kindern. Hier sind nicht nur in erster Linie die Eltern und das familiäre Umfeld gefordert, sondern auch die Lehrer, wobei letztere aufgrund der völlig veralteten Lehrpläne so gut wie keine Zeit mehr haben diesen Faktor in ihrem Unterricht zu gewährleisten. Und damit wären wir beim dritten Schuldfaktor dieser entsetzlichen Tat, nämlich unserem Schulsystem.

     

    70% des Unterrichtsstoffes dient ausschließlich der Selektion, und nicht der Vermittlung von dauerhaftem Wissen, das im täglichen Leben wirklich erforderlich ist. Das wichtigste Fach, nämlich „Erziehung und soziale Kompetenz“ vermisse ich als Sozialpädagoge immer noch schmerzlich auf dem Stundenplan. Ein Fach in dem nicht nur Konfliktlösungsmöglichkeiten vermittelt werden könnten, sondern, wo die Kinder auch die Möglichkeit hätten, über ihre Gefühle, Ängste, Probleme und Alltagssorgen zu reden. Ein solches Fach, wäre um ein Vielfaches sinnvoller als Physik, Chemie, Biologie, Geschichte oder Erdkunde, denn was nützt mir das Wissen, dass C2H6O Alkohol (Ethanol) ist, König Ludwig der XIV am 05.09.1638 geboren wurde und stank wie eine Otter, oder dass das 196-ste Werk von Johann-Sebastian Bach „Der Herr denkt an uns“ heißt, zum Leben, wenn ich nicht weiß wie ich Konflikte löse oder mit meinen Mitmenschen fair umgehe, sie Achte, und wertschätze?

     

    Schuld an diesem Amoklauf haben aber auch die Medien, die hauptsächlich schlechtes und negatives – vor allem über Jugendliche - berichten. Gewalt, Mord, Todschlag, Krieg, Korruption, Erpressung und Terror, andere Themen zieren kaum die erste Seite einer Tageszeitung. Große Schuld tragen auch perverse Computerspielproduzenten, die mit „Mord und blutigen Todschlagspielen“ auf Kosten unserer Kinder reich werden dürfen. Ebenfalls Schuld an dieser Misere hat das inhaltslose und primitive Fernsehprogramm, vorwiegend der privaten Sender, allen voran Viva und MTV. Verantwortungslose Politiker, die ständig härtere Strafen für Jugendliche fordern, anstatt den Mut zu haben, ein schärferes Kinderschutzgesetz einzuführen, damit Ämter viel früher und schneller in gewaltverherrlichende Familien intervenieren und Kinder schützen könnten, tragen ebenfalls dazu bei, dass sich die Situation für unsere Kinder nicht verbessert.

     

    Suchen wir also weiter nach den Ursachen, anstatt etwas zu verändern, und uns um diejenigen zu kümmern, die unsere Aufmerksamkeit viel mehr verdient hätten, als die Medien, nämlich unsere Mitmenschen. Alexander Höfer, Nußloch, Diplomsozialpädagoge (FH)

  • IN
    Ihr Name Dodo

    Mich widert diese Berichterstattung an und ich zappe weg, sobald sie auf dem Bildschirm erscheint. Leider viel zu oft! Und warum? Um Quote zu machen? Um irgendeine tatsächliche oder vermeintliche Sensationsgier zu befriedigen?

    Die Tat ist vorbei, interessant ist für die nicht unmittelbar Betroffenen doch nur die Frage: Fördert unsere Gesellschaft dieses sinnlose Killerverhalten und wenn ja, wie können wir dies ändern?

  • PP
    Patryk P.

    was ist das für ne scheisse die andere leute mit in den tot ziehen? was ist das für ne scheisse die nur solche gedanken haben wie gott zu sein und über leben und tot zu bestimmen?

     

    also ich las mir das nicht anmerken und ich kenne die schueler auch nicht wirklich aber es ist wirklich sehr schmerzahft das mann sowas mitkriegt und das sowas überhaupt stadtfindet!! also mich hat es auch sehr mitgenommen obwohl ich keinen davon kenne also nochmal mein beileid an alle tut mir leid an alle die leiden müssen:(:'(

  • EK
    Erwin Keth

    Hallo!

    Ich kann Ihnen die Antwort geben "warum?".

    Weil ein von irrationalen Ängsten geplagter Sportschütze meinte

    er müsste sich mit einer Waffe schützen (Beretta im Schlaf-

    zimmer ) .

    Desweiteren glauben Sportschützen offenbar das bald der

    3.te Weltkrieg ausbricht(250 Schuß Munition im Haus).

    Den "Täter" muß man wohl auch als Opfer dieses leicht-

    sinnigen Umgangs mit Waffen und Munition sehen.

    Unvorstellbar wie durch laxen Umgang mit Waffen hunderte

    Menschen ins Unglück gestürzt werden.

    Keine Waffe keine Tat und wieso haben Schützen solche

    Mengen Munition im Haus.

    Meine Familie trauert mit Allen die von dieser Tragödie

    betroffen sind.

  • AF
    Almut Fischer-Villafane

    Ich finde die Anzeige - unabhängig ihren Inhalts - zwischen dem Artikel äußerst unangebracht!!!!!!!!!!!!!

    1.) die Tatsache DASS da eine Anzeige steht

    2.) diese karnevalsgleiche Figur

    Ich bin empört.

  • SD
    Steffendix (bitte diese überarbeitete Version posten)..danke

    Warum, Warum, Warum,

    diese Frage beschäftigt mich schon seit geraumer Zeit. Nicht erst seit gestern, dem Tag der das Grauen ins Ländle brachte. Die Frage nach dem Warum, taucht immer erst in dicken Lettern auf, wenn es zu spät ist. Leider ist das so, viel trauriger finde ich jedoch die Tatsache, das die Fassungslosigkeit und das Bestürzen über solche Taten meist nicht länger anhält, als die Freude über eine neue Jeans.

    Nur bei den direkt Betroffenen werden diese Erlebnisse zum stetigen Begleiter und dies in den meisten Fällen ein Leben lang, weil sie das Erlebniss am eigenen Körper zu spüren bekommen haben.

    Nun, woran liegt das, „Warum“ ist das so?

    Ich denke, das die Medien hierbei eine große Rolle spielen und auch einen wesentlichen Teil dazu beitragen, das solche Taten geschehen. Zum einen was das auslösen zum nachdenken und das Nachwirken solcher Meldungen angeht, verfolgen sie ähnlich kurzfristige Ziele wie Eintagsfliegen. Sie werden geboren und fressen alles auf, was für sie an Nahrung abfällt, und zeugen soviel Nachkommen wie möglich. Dann sterben sie und es werden neue geboren, die aber aus dem gleichen Holz geschnitzt sind und die gleichen Ziele verfolgen, wie ihre Vorgänger.

    Hierfür gibt es ein Beispiel über das ich heute in der TAZ gelesen habe.

    Daraufhin äußerte ein Bild-Reporter am Tag des Anschlages vor der Albertville-Realschule, in der zu diesem Zeitpunkt immer noch zwölf Tote liegen.“Hier sei alles "abgegrast", es gebe nichts mehr zu holen, er gehe jetzt.“ (http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/winnenden-die-story/)

     

    Dies zeigt leider worum es den meisten Journalisten in der heutigen Zeit geht, jedoch gibt es auch einige Ausnahmen! (Doch die Masse bestätigt die Regel)

    Hierdurch entsteht eine sehr kurzatmige Betroffenheit, weil die nächste Sensation bzw. das nächste Blutbad schon in einem anderen Ort, oder einem anderen Land auf sich wartet. Dem Journalisten sein Brot, der Nachricht ihr Tot. Hört sich grausam an, doch leider ist das so. Ich studiere seit einiger Zeit auch Journalismus und komme mit so mancher Geschäftspraxis dieser Berufsgruppe gar nicht zurecht.

    Nämlich auch hier gilt“ Angebot und Nachfrage“ bestimmen den Markt.

     

    Was die Mitschuld der Medien an solchen Taten angeht, muss man nicht weit ausholen.

    Um so Medienwirksamer ein Terroranschlag, ein Amoklauf oder die Übernahme eines Konzerns inszeniert wird, umso größer die Anteilnahme der Bevölkerung. Auch wenn die Dauer der Wirkung mit der nächsten Top-Meldung verblasst, geht man in die Geschichte ein und reserviert sich einen Platz in der Erinnerung.

    Es ist zu Bedauern, dass hierdurch ein Wettbewerb entsteht, der wie unsere Wirtschaft auf Wachstum basiert. Wer hört den heute schon noch hin, wenn in den Medien über eine Autobombe berichtet wird. Nein, das reicht heute nicht mehr aus um sich gehör zu verschaffen, man braucht schon mehrere Autobomben am besten welche die von Selbstmordattentätern direkt in ihr Ziel gefahren bzw. geflogen werden.

    Der Mensch härtet ab und die Medien tun Ihren Teil dazu. Schnell sucht man nach den Antworten und schnell vergisst man die gefundenen. Anstatt ausführlicher Berichterstattung, greifen Journalisten auf unseriöse Quellen zurück und spucken dies dann durchgekaut wieder aus.

    Ständig werden Meldungen geändert oder ergänzt, in manchen Fällen auch ganz zurückgezogen.

    Dies war bestimmt schon immer so, doch nicht in einem so engen Zeitfenster wie heutzutage.

    Es gilt immer den anderen zu topen, oder dessen Berichterstattung zu hinterfragen. Besser und blutiger zu sein als der Konkurrent. Diese Haltung färbt auf die Gesellschaft ab und schafft Sensationsgeilheit und Werteverfall.

     

     

    Wir fragen nach dem Warum, immer wieder aufs neue, dabei liegen die Antworten auf der Hand.

    Es sind die Medien in Verbindung mit der Politik die unsere Gesellschaft prägen.

    Der Leistungsdruck unter dem die Menschen in der heutigen Zeit stehen, immer besser, immer schneller, immer effektiver, immer schöner zu sein kommt ja nicht von ungefähr.

    Da bleibt leider wenig Zeit sich den Kindern oder den Nachbarn anzunehmen, weil man ja mit sich selbst beschäftigt ist, den Anforderungen zu entsprechen.

     

    Horrorvideos, Pornobilder auf der Festplatte und als Lieblingsspiel Counterstrike in Verbindung mit Softair-pistolen an der Wand, sind schnell als Inspiration für solch eine Tat ausgemacht.

    Doch Inspiration reicht für so etwas nicht aus, es bedarf auch einer Entschlossenheit etwas besonderes zu leisten. Doch darauf wird man von Kindheit an getrimmt. Tim Kretschmer fühlte sich als etwas besonderes, mächtiges doch leider blieb er unverstanden und schottete sich allmählich von seinem sozialen Umfeld ab, weil sie in sowieso nicht verstehen würden.

    Er war ja der Gewinner bei Turnieren und der Sohn eines erfolgreichen Unternehmers und Sportschützen, der zum Ausdruck seiner Macht und zur bestätigung seines Egos u.a. Waffen benötigte. Der Vater, der vermutlich nur wenig Zeit hatte für seinen Sohn, zwecks der Gesellschaftlichen und Wirtschaftlichen Verpflichtungen die er hatte, kompensierte dies vermutlich mit einer Menge materieller Dinge als Ersatz für Zuneigung.

    Die Zeit, die er mit seinem Sohn verbrachte, galt dem gewinnen, dem sich hervorheben, oder auf dem Schießstand ins schwarze zu treffen.

    Nicht sich anzupassen, oder gar zu verlieren.

    Dies tat er, doch schmerzlich musste er in seinem sonstigen Umfeld erfahren, das ein Ausbildungsplatz in der Firma des Vaters und die Rolle des erfolgreichen Tischtennisspielers, nicht ausreichen, um sich zu einer eigenen, bei Freunden anerkannten Person zu entwickeln.

    Da entschied er sich diejenigen, die ihn nicht als etwas besonderes sahen zu bestrafen, um ihnen zu zeigen wie mächtig er ist.

     

    Ich entschuldige hiermit in keiner Weise die Tat des Tim Kretschmer, doch ich weise darauf hin das auch er ein Opfer ist, ein Opfer der Gesellschaft und ihrer Schnelligkeit.

    Das Faustrecht wird zwar verpönt und gilt in der zivilisierten Welt als reformiert und abgeschafft. Doch man lese einfach nur den Wirtschaftsteil einer Zeitung und schnell wird man sehen das dies trotz allem das Maas der Dinge

     

     

    In tiefer Trauer und Fassungslosigkeit über die vielen Opfer und des nicht aufhaltbaren Werteverfalls in unserer Gesellschaft.

     

    Steffen Böhmer

  • L
    Ludwig

    Woher kommt die steigende Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen? Wer macht Gewalt in unserer Öffentlichkeit gesellschaftsfähig? Wer sonst als das Fernsehen und das Internet besitzen eigentlich die Reichweite und Gestaltungskraft dazu? Wie hoch ist denn der Gewaltanteil im TV-Programm? Wer senkt eigentlich ständig die Altergrenzen von Sendungen und Spielen herab und darf warum entscheiden, dass Kinderseelen im Alter von 12 Jahren heute vertragen, was vor 10 Jahren gerade für 16-Jährige verträglich schien?

    Warum wird eine Verkäuferin bei einem Fehlbetrag von 30 Cent fristlos gekündigt, die, die Kindern und Jugendlichen unerlaubt Filme, Spiele oder Alkohol verkauft, aber nicht? Wer behauptet ernsthaft, Gewaltspiele könnten geistig und seelisch gesunde Menschen keinesfalls zu Killern machen während die US-Army die Tötungshemmung ihrer Soldaten mit marktüblichen Egoshooter-Spielen erfolgreich wegtherapier?

    Wer hat immer noch nicht begriffen, dass die vielzitierte Prävention auch die konsequente und mutige Beseitigung genau solcher Missstände ist? Wie viele Tote brauchen wir noch?

  • MG
    Mark G.

    Der Medienrummel steigt in Winenden langsam ins Unträgliche und der Artikel spiegelt spiegel es gut ab. Bei einigen gierigen Medienmenschen ist die Senastionsgier nach den neusten Informationen unerträglich und man vermisst den nötigen Respekt an die Opfer, an die Mitschüler und den Bürger den Stadt. Ich wohne seit meiner Geburt in Winnenden und ich bitte das Interesse nach der nächsten Träne oder Heulattacke zu unterbinden! Wir befinden uns immer noch in der Schockstarre.

  • T
    Tina

    Schlimm was gestern morgen um 09.30 in Winnenden an der Albertville-Schule passiert ist.

    Niemand versteht warum das alles passieren konnte, soviele Opfer, deren Familien jetzt großen Halt brauchen und auch die Personen die davon live betroffen waren.

    Überall hängen seit gestern die Flaggen auf Halbmast!

     

    Trotz das viele Menschen über das Geschehen nicht sprechen möchten, muss vielleicht grade über solche Personen wie Tim K. gesprochen werden, die soviel Verzweiflung haben das sie nur diesen Weg sehen. Auch wenn es eine Tat ist, die man niemals verzeihen kann und nie vergisst, gibt es doch zig tausend andere Beispiele wo es Menschen gibt, die nachvollziehen können wie sich Tim gefühlt hat - weil es ihnen selbst so geht. Ich denke nicht, das solche Handlungen nur oder größtenteils von PC-Games abhängig ist, denn viel mehr ist es der Umgang mit den Menschen in der Welt. Denn bei solchen instabilen Menschen reicht nur ein falsches Wort was sich sammelt und jemand zu sowas bringt!

    Ich selber konnte auf allen Schulen auf denen ich war, aufzählen wieviel Menschen ich habe alleine stehen sehen, alleine leben sehen. Ausgegrenzt.

     

    Niemand kann sich vorstellen das ausgerechnet diese PERSON zu sowas fähig ist - doch bei Tim K. waren doch alle Zeichen da - das was man sonst immer gesucht hat - eine Krankheit (Depressionen), Waffenumgang, den die paar Freunde die er hatte bestätigten, usw. Aber trotzdem heißt es: "ER WAR SO UNSCHEINBAR!"

     

    Auch wenn er seine Tat im Internet preisgab, frage ich mich doch, wieviele Menschen würden die Polizei rufen, wenn ein Unbekannter ihnen sowas mitteilt? Vor allen dingen wie offen und locker doch die Menschhheit im Internet mit Schwächen und Stärken umgehen. Ich kann mir nicht vorstellen das es für Tim K. das erste Gespräch in einem Chatroom war, man musste doch anhand anderere Gespräche bemerkt haben, wie er tickt. Vielleicht zeigt dieses Beispiel, das man auch wenn man sich noch so blöd vorkommt doch wenigstens eine Meldung bei der Polizei gibt, denn dann kann man sicher sagen das die Menschen die jetzt leiden vielleicht nicht so unglücklich wären. Denn es wäre ja nicht das erste mal das ein unglücklicher Mensch, unschuldige fremde Menschen mit in den Tod reißt!

     

    Was daraus geworden ist, ist wie ein Reporter sehr passend die Worte traf:

    "Ein Ort, der seine Seele verloren hat" ..

    und Menschen die leiden müssen- nur weil alle drumherum die Augen nicht offen hatten!

     

    Meine Gedanken sind gerade jetzt bei all den Menschen die trauern, leiden und innerlich wie äußerliche Schmerzen haben...