Der Glaube an die Rückkehr des Dalai Lama: Das verbotene Beten der Mönche

Die tibetischen Mönche feiern den Aufstand der Tibeter und beten. Obwohl das verboten ist. Die Mönche werden von chinesischen Polizisten überwacht - und reden dennoch über ihre Lage.

Tibetische Mönche demonstrieren am 17.03.2008 gegen die chinesischen Behörden in Gardze in der chinesischen Provinz Qinghai. Bild: dpa

Es ist genau die Szene, die sich Katharina auf dieser Reise gewünscht hat: Mönche sitzen vor einem Porträt des Dalai Lama und beten für die Rückehr ihres geistlichen und politischen Oberhaupts. Im Hier und Jetzt in China. Am Tag vor dem 50. Jahrestag des tibetischen Aufstandes gegen die chinesische Herrschaft im Jahr 1959.

Katharina ist unsere Fotografin. Sie hat am Vorabend im Internet westliche Artikel über die Lage in Tibet studiert. Die meisten waren mit Bildern von demonstrierenden Tibetern in Nepal oder Indien illustriert. Doch in Tibet demonstriert niemand. Schon vor genau einem Jahr, beim jüngsten Aufstand der Tibeter am 14. März in Lhasa, veröffentlichten zahlreiche westliche Medien Bilder von niedergeknüppelten Tibetern. Auch sie stammten aus Nepal oder Indien. In Wirklichkeit verprügelten damals in Lhasa die Tibeter ihre chinesischen Nachbarn. 19 von ihnen starben. Zu Recht waren viele Chinesen über die westliche Berichterstattung empört.

Doch die Gebetsszene und ihr Bild, das Katharina macht, sind echt. Die Szene spielt im Versteckten eines tibetischen Hofhauses in den hohen Bergen der chinesischen Westprovinz Qinghai. Die Chinesen aber, die sich im vergangenen Jahr empörten, sollten sich heute schämen. Denn die Szene zeugt vom neuen, strenger als zuvor gehandhabten Glaubensverbot für Tibeter in China.

Bekannt ist, dass viele Tibeter in ihren eigenen vier Wänden vor den Bildern des Dalai Lama beten. Das wird von den chinesischen Behörden toleriert. Doch bei Mönchen sind die Sicherheitskräfte seit dem Aufstand vor einem Jahr nicht mehr so großzügig. In ihren Klöstern sind Bilder des Dalai Lama heute strengstens verboten. Wo sie dennoch auftauchen, ist das Kloster von der Schließung bedroht, müssen die Mönche mit Verhaftung rechnen. Deshalb gibt es derzeit keine Bilder von tibetischen Mönchen, die in China vor dem Porträt des Dalai Lama beten. Deshalb ist es für die Mönche so gefährlich, sich für ein Foto ablichten zu lassen.

Doch sie wollen es so. "Wir danken, dass Sie aus der Ferne zu uns gekommen sind, und hoffen, dass Ihre Zeitung unser Kloster bekannter machen wird", sagt ihr Vorsteher. Zugleich bittet er darum, den Namen des Klosters nicht zu veröffentlichen.

Der Vorsteher und drei Untertanen sitzen in ihrem Hofhausversteck in braunen Seidenjacken, über die sie ihre roten Roben gewickelt haben. Ein fünfter Geistlicher steht in ihrem Rücken und kocht Teewasser auf einem kleinen Kohleofen. Vor dem verbotenen Bild des Dalai Lama haben sie mit Zimt bestreutes Hefebrot und frittierte Fladen aufgestapelt. Davor Äpfel und Bananen. Für das Festmahl stehen Pepsi-Cola, Orangenlimonade und Papierbecher bereit. Vor der Wand brennt eine Butterkerze. "Wir beten für die Rückkehr des Dalai Lama", sagen sie. So feiern sie den Gedächtnistag des Aufstandes.

Das ist verboten. Das ist mutig. Denn die Mönche werden seit einem Jahr täglich bewacht. Als wir ihr Kloster in einem matschigen Seitental des Oberlaufes des Gelben Flusses erreichen, ist uns die Polizei schon zuvorgekommen. Hinter den weiß-pink bemalten Außenmauern des Klosters parkt ihr Volkswagen Santana 3000. Schnell treten wir den Rückzug an. Doch übers Handy ruft uns der Klostervorsteher zurück. Er stellt uns zwei Polizisten vor und veranstaltet in seinen kleinen Studierzimmer - ein Bett, ein Bücherregal, ein Schreibtisch - eine offizielle Begrüßungszeremonie. Er hängt uns den traditionellen weißen Gebetsschal aus Seide um. Er reicht Tee. Die Polizisten fotografieren uns. Sie tragen dunkelblaue Anzüge mit Polizeigürtel und nicken höflich. Der Vorsteher erklärt, dass wir einer buddhistischen Vereinigung aus dem Ausland angehören. Das beruhigt die Ordnungshüter. Der Vorsteher gibt an, uns die 600 Jahre alten Klosterruinen auf der anderen Seite des Tals zeigen zu wollen. Damit schafft er Zeit für einen unbeobachteten Spaziergang entlang ärmlicher Lehmhütten und aufkeimender Reisfelder.

Der Vorsteher ist ein hochgewachsener Tibeter mit krausen, kurzen Haaren. Er ist unrasiert. Dabei wirkt er hellwach. Jede Frage beantwortet er mit einem Lächeln, wie man es von einem Lama erwartet. Doch sein Tonfall ist ernst. Er beginnt seine Erzählung mit den Protesten im vergangenen Jahr. Auch sein Kloster hätte sich damals auf den Aufstand vorbereitet. Sie hätten tibetische Nationalflaggen und Porträts des Dalai Lama angeschafft. Sie wollten damit ihr Kloster schmücken und auf die Straße gehen. Doch so weit kam es nicht. Polizisten kamen in ihr Kloster und warnten sie. Anderswo war der Protest der Mönche bereits niedergeschlagen. Da verzichteten sie auf eigene Aktionen.

Der Vorsteher achtet nicht auf die Pfützen des Feldweges. Er tritt hinein. Zu wichtig sind ihm jetzt seine Worte. Das Leben im Kloster sei seit dem Aufstand nicht mehr das gleiche. Vorher hätten die Behörden sie in Ruhe gelassen. Doch seit einem Jahr würden sie unter fortwährender Bewachung stehen. Jedes Mal, wenn er zur Bushaltestelle oder zum Bahnhof gehe, werde er von der Polizei fotografiert. Jeden Abend riefen die lokalen Behörden bei ihm an, um ihn nach seinem Tagewerk zu befragen. Der Vorsteher verbirgt seinen Zorn, indem er den Blick zum Boden senkt und ohne Pause fortfährt.

Sowohl die Polizisten wie die lokalen Regierungsbeamten müssten seit einem Jahr tägliche Berichte über das Kloster verfassen. Im ganzen Tal sei das so. An ihrer Landstraße gebe es 28 tibetische Klöster. Für jedes von ihnen seien zwei tägliche Aufpasser eingeteilt: ein tibetischer Polizist und ein chinesischer. Der Tibeter rede mit den Mönchen, von denen die meisten nur Tibetisch sprächen. Der Chinese überwache die Vorgänge und schreibe die Berichte. Der Vorsteher vermeidet es bewusst, über den einzelnen Beamten im klagenden Ton zu sprechen.

Er betont, dass die Überwachungskampagne nicht nur auf die Mönche abziele. Die ganze Bevölkerung des Tales sei betroffen. "Wer aufbegehrt, verliert seinen Arbeitsplatz", sagt der Vorsteher. So wäre es kürzlich der Frau des tibetischen Polizisten, der ihr Kloster bewache, ergangen. Die Frau hätte sich den Verdacht eingehandelt, zu den Mönchen ein gutes Verhältnis zu haben, und deshalb ihren Job als Sekretärin der lokalen Regierung verloren.

Inmitten eines Reisfeldes steht eine kleine, buntbemalte Pagode. Vor ihr verweilt der Vorsteher, bricht aber in seiner Erzählung nicht ab. Man spürt, er könnte den Bericht Stunden über Stunden fortsetzen. Von all der täglichen Drangsalierung, Repression und Unterdrückung erzählen. Er würde es gerne tun. Es erleichtert ihn, einem ausländischen Reporter von dem Durchlittenen zu berichten. Doch er weiß auch, dass die Zeit begrenzt ist und er sich kurz fassen muss. Andere Polizisten als die beiden dem Kloster vertrauten Aufpasser dürfen unseren Aufenthalt nicht bemerken.

Er kommt auf die letzten Tage zu sprechen. Vor dem Jahrestag des Aufstands vor 50 Jahren sei der Druck besonders groß gewesen. Die Polizei hätte gewarnt: "Wenn auch nur ein Mönch es wagt zu protestieren, müssen alle für ihn büßen." Deshalb würden die Mönche ihre Gedenkfeiern in kleinen Gruppen in den Privathäusern der Bauern abhalten, um unbemerkt zu bleiben. An öffentlichen Protest sei nicht zu denken gewesen. Der Gedenktag sei für die Mönche der gefährlichste Tag des Jahres. Für ihn sei er ein Tag der Trauer und des bedrückten Herzens.

Der Vorsteher führt zum Fluss in dem kleinen Tal. "Hier baden wir im Sommer", sagt er. Über ihm thronen auf einer Felsklippe die Ruinen des alten Klosters. Der Fluss hat im Laufe der Jahrhunderte die Klippen unterspült, einige von ihnen sind abgebrochen und haben das alte Kloster unbewohnbar gemacht. Auf dem Rückweg sieht man das neue Kloster in seinen prächtigen Farben. Es fehlt Geld für eine neue Gebetshalle, sagt der Vorsteher. Aber es ist dennoch ein stolzer, neuer Bau inmitten der dörflichen Armut. Er zeugt von den Jahren vor dem Aufstand, als die Mönche unbehindert Spenden sammeln konnten und auch öffentliche Gelder erhielten. Der Vorsteher erinnert sich an Zeiten, an denen das Auskommen mit den kommunistischen Behörden so schlecht nicht war. "Wenn wir uns um die Armen im Dorf kümmerten, nahmen wir der Partei die Arbeit ab. Das wurde von der KP auch anerkannt", sagt der Vorsteher.

Doch von der Zusammenarbeit zwischen Partei und Kloster ist heute nichts mehr übrig geblieben. Außer den zwei Polizisten, die unseren Besuch dulden.

Sie schauen auch weg, als wir das Hofhaus betreten, in dem die anderen Mönche auf ihren Vorsteher warten. Gemeinsam werden sie für den Rest des Tages vor dem Bild des Dalai Lama Sutren singen, essen und trinken. Die Dorfbewohner werden den Raum nicht betreten. Das Beten erledigen die Mönche für sie.

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