Ex-Botschafter über Avigdor Lieberman: "Wir sind von den USA zu abhängig"
Der ehemalige Botschafter in Deutschland, Avi Primor, über Avigdor Lieberman als künftigen Außenminister Israels. Zu seiner Ernennung habe "Netanjahu keine Alternative" gehabt.
AVI PRIMOR, 63, war von 1993 bis 1999 israelischer Botschafter in Deutschland. Primor kehrte zurück und wurde Vizepräsident der Universität Tel Aviv.
taz: Niemand scheint ungeeigneter für den Posten des Außenministers zu sein als Avigdor Lieberman. Welchen Einfluss wird seine Ernennung auf die israelisch-amerikanischen Beziehungen haben, Herr Primor?
Avi Primor: Das ist vollkommen von den Amerikanern abhängig. Das Weiße Haus hat bislang immer zwei Prinzipien verfolgt. Das eine Prinzip ist, Israel fast immer bedingungslos zu unterstützen, und das zweite Prinzip ist, Lippenbekenntnisse zu zollen für den Friedensprozess oder für die Räumung von Siedlungen. Wenn US-Präsident Barack Obama diese Politik ändern sollte, dann wird es keine Bedeutung haben, ob Avigdor Lieberman Israels Außenminister ist oder nicht, denn wir sind von den Amerikanern zu abhängig.
Israels Regierung, egal welche, macht also die Politik, die das Weiße Haus diktiert?
Ja, nur dass das Weiße Haus, von ganz kleinen Ausnahmen abgesehen, Israel nichts diktiert.
Trotzdem muss allein die Ernennung Liebermans zum Außenminister vom Weißen Haus als Provokation empfunden werden. Warum tut Benjamin Netanjahu es trotzdem?
Weil er keine Alternative hat. Netanjahu wollte sehr ernsthaft eine große Koalition haben. Warum? Weil er, als er 1996 zum ersten Mal Ministerpräsident war, schlechte Erfahrungen gemacht hat. Er kam an die Macht mit zwei Slogans: Oslo rückgängig zu machen und keinen Kontakt mit Arafat zu unterhalten. Beides hat er doch gemacht. Wer hat ihn gestürzt? Das eigene Lager, nicht die Opposition. Deshalb wollte er nicht wieder Gefangener des eigenen Lagers sein. Jetzt hatte er aber keine Wahl und musste Liebermans Forderungen erfüllen.
Lieberman ist zwar im Weißen Haus nicht besonders beliebt, pflegt aber umgekehrt beste Beziehungen nach Moskau. Könnte Russland die USA in irgendeiner Form ersetzen?
Die Russen heute? Sie zeigen nicht einmal Interesse für den Nahen Osten. Die Russen haben ganz andere Probleme. Die sind überhaupt kein Ersatz. Weder können sie uns die amerikanischen Waffen geben, noch die militärische, noch die diplomatische oder wirtschaftliche Unterstützung ersetzen, die wir von den Amerikanern bekommen.
Die größte Prüfung für das israelisch-amerikanische Verhältnis wird die Frage sein, wie mit der iranischen Atombedrohung umzugehen ist. Ist ein militärischer Alleingang Netanjahus möglich?
Ich glaube nicht, dass er die militärischen Mittel hat, um den Iran anzugreifen.
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL
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