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Equal Pay DayDie mit der roten Tasche

Der Equal Pay Day symbolisiert die Defizite im Einkommen zwischen Männern und Frauen. Für Hannover und Berlin sind Rote-Taschen-Demos geplant.

Rote Taschen als Widerstandssymbol gegen ungerechte Bezahlung. Bild: reuters

Wenn Sie am Freitag mehr Frauen mit roten Taschen auf der Straße sehen als sonst, liegt es vielleicht am "Equal Pay Day". Die rote Tasche symbolisiert ein Defizit im Einkommen und steht für den Tag im Jahr, bis zu dem Frauen, statistisch gesehen, umsonst arbeiten. Unter anderem wird in Hannover und Berlin zu Demonstrationen mit roten Taschen aufgerufen, 180 Veranstaltungen und Aktionen finden in ganz Deutschland statt, organisiert vom Verein "Business and Professional Women".

Deutschland liegt mit einer Lohnlücke von 23 Prozent auf dem siebtletzten Platz in Europa (ganz vorne stehen Malta, Polen und Slowenien, auf den letzten drei Rängen kommen Tschechien, Estland und Österreich).

Für die Differenz verantwortlich sind verschiedene strukturelle Ursachen, aber auch schlichte Unterbezahlung. So sollen Krankenpfleger in Durchschnitt hundert Euro mehr Lohn als Krankenschwestern bekommen, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund geben würde.

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hat am Donnerstag eine genauere Aufschlüsselung der Lohnlücke veröffentlicht. Danach lässt sich nur der geringste Teil des Lohnunterschieds durch die Berufswahl der Frauen erklären: Frauendominierte Berufe, vor allem im Pflege- und Erziehungsbereich, sind oft schlechter entlohnt als typische Männerberufe. Die Gewerkschaften fordern deshalb eine objektivere Bewertung dieser Tätigkeiten in den Tarifverträgen. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock forderte gestern ein Klagerecht für Gewerkschaften, um gegen Lohndiskriminierung vorgehen zu können. Aber auch innerhalb des gleichen Berufs verdienen Frauen immer noch 21 Prozent weniger als Männer. Wenn Alter, Beruf und sogar der Betrieb gleich sind, bleiben immer noch 12 Prozent Lohnunterschied übrig.

Diese sind zum Teil erklärbar: Männer machen mehr Überstunden, sind häufiger in Leitungspositionen und unterbrechen ihre Laufbahn seltener. Besonders Mütter sind in Deutschland extrem selten in Führungspositionen zu finden (siehe Grafik). Es bleibt aber ein Rest, den man nicht genau quantifizieren kann. Studienleiter Hermann Gartner verweist auf qualitative Studien, die ergaben, dass Rollenmuster und unbewusste Wahrnehmungen dazu führen können, dass die Arbeit von Männern mehr wertgeschätzt wird als die von Frauen. In der Literatur interpretiert man diesen Faktor oft als "Taste of Discrimination".

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3 Kommentare

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  • A
    archimedes

    Mädchen und Frauen werden weltweit im Durchschnitt - wenn auch nicht in jedem Einzelfall - bis heute benachteiligt. Richtig! Extrembeispiele: Vergewaltigung, Zwangsheirat, Zwang zur Geburt von Kindern, und not least: FGM.

     

    D e n n o c h sind einige Meinungen in diesem Zusammenhang verzerrt. Ich kenne z.B. eine Frau, die sogenannte Hausfrau ist und ein Kind hat, und verheiratet ist mit einem Mann, der einen extrem harten Job hat, näml. Schichtarbeit in einer Fabrik. Beide gehen ziemlich fair miteinander um, d.h. z.B. verdient zwar der Mann das Geld, was erstmal ein Abhängigkeitsverhältnis ist, aber er nutzt das nicht aus. Die Frau bekommt davon jeden Monat die Hälfte. Diese Frau sagt, dass sie in diesem Fall wirklich lieber 'Hausfrau' sein möchte, weil das eindeutig mehr Freiheit bedeute - z.B. die Zeiteinteilung tagsüber, z.B. Pause zu machen, wann sie will, infach mal rausgehen, frische Luft schnappen, wann sie möchte, beim Einkaufen Freundinnen treffen, u.s.w. Sie würde auf keinen Fall mit ihrem Mann tauschen wollen!

     

    Zwar ist dieser Fall sicher nicht in jeder Hinsicht repräsentativ, aber einiges ist daran zu sehen, was den gängigen Schemata widerspricht.

  • W
    wanja

    Auch ich bin dafür, dass Krankenpfleger/innen so viel bekommen wie Klinikleiter/innen - falls letztere ebenso hart arbeiten, versteht sich.

     

    Und dass Männer endlich auch öfter wieder Friseure werden dürfen und Raumpfleger und Haushaltshilfen und ähnliche relativ angenehme Jobs machen dürfen, und nicht nur bei Straßenbau, Hausbau, Fließenlegen etc. ihre Gesundheit ruinieren müssen.

     

    Okay, ja, ich habe jetzt einseitig einige Aspekte herausgestellt, die bei der Debatte aber vielleicht zu schnell vergessen werden.

    Aber ich bestreite n i c h t , dass es im Durchschnitt mehr Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern gibt, als umgekehrt.

     

    Es bleibt aber paradox, dass das Prinzip der "Gleichbehandlung" nicht angewandt wird, wenn ein harter Job wie Müllmann oder Krankenpfleger, Fließenleger oder Bauarbeiter verglichen wird mit Berufen, wo Leute das Doppelte oder sogar das Vielfache verdienen. Das ist ziemlich inkonsequent - und typischerweise auch ein 'blinder Fleck' von Bürgerinnen wie Ministerin van der Leyen, aber sogar bei Gewerkschaftsmitgliedern u.a.

  • U
    UweRietmöller

    Vor einem Jahr das bayrische Sozialministerium eine Rote-Taschen-Hetzkampagne angezettelt.

    www.stmas.bayern.de/cgi-bin/pm.pl?PM=0803-123.htm

    In völliger Verkennung der Situation hat das Ministerium dazu auch ein Forum offengehalten (ist im Text immer noch erwähnt, bitte nachlesen).

    Das ging leider schief. Denn die Andersdenkenden haben dezidiert (anhand der Angaben des statistischen Jahrbuchs des statistischen Bundesamtes, von Untersuchungen des IAB und anderen offiziellen Quellen) nachgewiesen, dass die Behauptung von der Lohndiskriminierung eine Lüge ist.

     

    Wisst Ihr, was die Genossin Ministerin daraufhin tat?

    Nun, ja, anständige Menschen bitten um Entschuldigung, wenn sie Mist gebaut haben.

    Nicht so die Genossin Ministerin. Die hat das Forum einfach geschlossen.

     

    Nein, ich nehme ihr das nicht übel. Sie ist halt eine Frau.

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    Doch halt, die taz war doch mal die Zeitung, die anders ist.

    Ist das die taz immer noch?

    Ja, ich würde mich freuen. Es wäre toll wenn die Redaktion so viel Mumm hätte, die Genossin Ministerin zu bitten, das Forum wieder zu eröffnen und die alten Postings wieder einzustellen.

    Wäre das was?