vier jahre hartz vier: Reizpunkt der Reform

Die Ein-Euro-Jobs waren das Symbol für die Hartz IV-Gesetze. Die Kritik an ihnen ist nicht verstummt - auch wenn die Zahl der InjobberInnen in Bremen schon wieder deutlich zurück gegangen ist

Ein Konzept für den Müll oder sinnvolle Maßnahme - die Diskussion um 1 Euro-Jobs reißt nicht ab Bild: AP

Die Zahl der so genannten Ein-Euro-JobberInnen im Land Bremen sinkt. Aktuell sind es 2007, immerhin 2000 weniger als noch vor zwei Jahren. Eingeführt wurden die verpflichtenden Beschäftigungsgelegenheiten mit Hartz IV, also zum 1. Januar 2005. "Die Entwicklung Bremen ist grundsätzlich richtig", sagt Peer Rosenthal, Referent für Arbeitsmarktpolitik der Arbeitnehmerkammer Bremen.

Das liege auch an der Arbeitsmarktpolitik der neuen Landesregierung. "Bedauerlicherweise ist es aber nur gelungen, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen zu konsolidieren, nicht sie auszubauen", so Rosenthal. Genau das hatte sich Rot-Grün aber vorgenommen: Der Koalitionsvertrag setzt das Ziel, reguläre Stellen statt Ein-Euro- Jobs als Fördermaßnahmen anzubieten.

Mit guten Gründen, denn die auch Integrations- oder kurz Injobs genannten Beschäftigungsgelegenheiten waren bei der Einführung die Reizpunkte der Sozialgesetzbuch-Reform. Auch vier Jahre danach ist die Kritik nicht verstummt. Der "Ein Euro Jobber/innen Tag" etwa soll eine Betriebsversammlung für die sein, die keine haben, weil ihnen gesetzlich auch keine zusteht. Vergangenen Freitag - am Equal Pay Day - fand der zum zweiten Mal statt. Im Kulturzentrum Schlachthof diskutierten Betroffene mit Beschäftigungsträgern und GestalterInnen der Maßnahmen. Die Veranstalter, darunter die "Blaue Karawane", der Bremer Erwerbslosenverband und die Solidarische Hilfe, wollen mit dem Diskussionstag eine Öffentlichkeit schaffen, Hilfe zur Selbsthilfe anregen und Betroffenen die Möglichkeit zur Vernetzung geben.

Vom Hartzschen Motto "Fördern und Fordern" könne bei den Ein-Euro-Jobs keine Rede sein: "Das ist kein Fördern, das sind Disziplinierungs- und Zwangsmaßnahmen", so Uwe Helmke von der Blauen Karawane. Kritik wurde vor allem an der Bezahlung geübt: Zum Hartz IV-Regelsatz gibts eine Mehraufwandsentschädigung von 1,20 Euro pro Stunde. Stattdessen gefordert wurden Mindestlöhne oder ein Grundeinkommen. Ein weiterer Kritikpunkt: Es fehlt ein arbeitsrechtliches Verhältnis. Bedeutet: Kein Kündigungsschutz, Schwierigkeiten, bei Problemen Beschwerden bei der Bagis einzureichen oder sogar einfach nur Urlaub zu beantragen.

Der steht Ein-Euro-JobberInnen zwar zu - wenn auch unbezahlt. Ihn zu bekommen bedeutet allerdings viel Lauferei: Der Beschäftigungsträger muss den Urlaub bewilligen, die Bagis genehmigen, dass der Ort verlassen werden darf - wer das nicht beantragt hat und beim Urlauben "erwischt" wird, dem werden die Leistungen gesperrt. "Ich bin arbeitslos und nicht auf Bewährung", so ein Injobber.

Die GestalterInnen der Arbeitsmarktpolitik sehen das Beschäftigungsinstrument positiver. Für Katja Barloschky, Chefin der "Bremer Arbeit", ist besonders der Weg der neuen Landesregierung "richtig und wichtig". "Das strukturelle Problem der Massenarbeitslosigkeit lässt sich durch individuelle Förderung aber nicht lösen", sagt sie. "Dazu ist der Blick auf den ersten Arbeitsmarkt nötig". Den wagt Peter Prill, Referatsleiter Arbeitsmarktpolitik bei der Senatorin. Langzeitarbeitslosen würden auf dem ersten Arbeitsmarkt meist Stellen in den Bereichen Teilzeitarbeit, Niedriglohn oder Leiharbeit angeboten - mit armutsfesten Löhnen sei da kaum zu rechnen.

"Die Arbeitsmarktpolitik kann nicht bessere Löhne als auf dem allgemeinen Markt zahlen", so Prill. Dies sei finanziell nicht zu leisten, zudem sieht er ein "Anreizproblem", vom Leistungsbezug in den ersten Markt zu wechseln. Die Forderungen der InjobberInnen nach einem Mindestlohn sind für ihn eine "Überforderung".

Zum Fordern gekommen waren beim "Ein Euro Jober/innen Tag" etwa 90 TeilnehmerInnen, darunter knapp 30 InjobberInnen und prekär Beschäftigte. Das klingt wenig. Uwe Helmke erklärt: Die Bagis habe erst am Tag der Veranstaltung mitgeteilt, dass sie InjobberInnen auch für die Teilnahme ihre Mehraufwandsentschädigung zahlt. "Trotz langem Vorlauf".

Frank Münkewarf, Bereichsleiter Integration bei der Bagis, widerspricht: "Alles ein Kommunikationsproblem", sagt er. Die Veranstalter hätten den Ankündigungsflyer mit einem entsprechendem Passus ohne ausreichende Absprache verteilt. "Wir zahlen", so Münkewarf, "auch wenn es bei der Veranstaltung nicht um Qualifizierung geht." Die sei schließlich ein Ziel der Injobs. "Der Name Fortbildung wäre besser gewesen", rät er.

Auf die Kritik an seiner Behörde reagiert er zurückhaltend, ohne Prüfung der vorgetragenen Einzelfälle könne er sich nicht äußern.

"Dass wir Sanktionen ergreifen, ist bei InjobberInnen aber die Ausnahme", sagt er. Auch würden die Jobs den Betroffenen nicht aufgezwungen. "Die meisten suchen sich ihre Stelle selbst aus." Einzig Probleme bei der Umwandlung von Injobs in sozialversicherungspflichtige Stellen räumt er ein: "Wir kriegen das nicht eins zu eins hin." Denn: "Dann gäbe es weniger Plätze."

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