Streit um Dauer von Viehtransporten: Maximal neun Stunden

Die EU-Kommission will die Regeln für Viehtransporte verschärfen. Tier- und Umweltschützern reichen die Vorschläge nicht. Bauern und Transporteuren gehen sie zu weit.

Proteste gegen zu lange Viehtransporte scheinen Wirkung zu zeigen. Die EU diskutiert zumindest darüber. Bild: dpa

Heiner Haut sitzt gerade im Fahrerstand seines Viehtransporters. Auf der Ladefläche hinter ihm stehen in 15 Boxen rund 200 Kälber. Es ist ihre letzte Fahrt, von Bayern zu einem Schlachtbetrieb in Niedersachsen. Zehn bis zwölf Stunden dauert die Tour inklusive drei bis vier Stunden Auf- und Abladen. Jetzt fürchtet Haut um das Geschäft. "Wenn die EU die Tourdauer auf neun Stunden begrenzt, hätte das verheerende Folgen", sagt der Unternehmer, der den Bundesverband Deutsche Tiertransporte leitet.

Neun Stunden für die letzte Fahrt von Rindern, Schweinen und allen anderen Schlachttieren: Das ist der Vorschlag der EU-Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz. Derzeit darf Vieh mit Pausen in vorgeschriebenen Abständen unbegrenzt lange transportiert werden. Diese Regeln gelten unabhängig davon, ob die Fahrt ins Schlachthaus oder etwa auf einen anderen Hof führt. Insgesamt geht es um mindestens 360 Millionen Tiere, die jährlich in der EU transportiert werden.

Transporteur Haut warnt vor dem Vorschlag: "Landwirte in Außenbereichen werden von Märkten abgeschnitten, wenn die Zeitbegrenzung kommt." Denn je kürzer die Transporte sein müssen, desto weniger Schlachthöfe kommen für die Bauern als potenzielle Viehkäufer infrage, sagt Haut. Und 30 bis 40 Stunden Fahrt seien für die Tiere gut erträglich, wenn sie morgens und abends gefüttert würden.

"Die Tiere können wegen des geringen Platzes in den Wagen überhaupt nicht adäquat versorgt werden", kontert Agrarexpertin Claudia Salzborn vom Deutschen Tierschutzbund. Schweine hätten es in dem Gedränge sehr schwer, an die Tränke zu kommen. Deshalb begrüßen Tierschützer, dass die Transporte zeitlich begrenzt werden sollen. "Aber wie das jetzt gemacht werden soll, ist vollkommen unzureichend", findet Salzborn. Denn nach dem jetzt diskutierten Vorschlag gilt ein Tier nur als Schlachtvieh, wenn es direkt - oder über einen Markt - ins Schlachthaus gebracht wird. Die Expertin befürchtet, dass findige Händler die letzte Reise von Tieren einfach in mehrere Abschnitte teilen: erst als Masttiere und zum Schluss als Schlachtvieh. Dann könnten die Tiere weiter ewig transportiert werden. Salzborn fordert deshalb die Regel zu präzisieren: Alle Tiere, die innerhalb von 30 Tage nach dem Transportende geschlachtet werden, müssten als Schlachtvieh gelten.

Zudem macht die Tierschützerin in der vorgeschlagenen Verordnung zu großzügige Ausnahmen aus: Wenn in einem Umkreis von 550 Kilometern nur zwei Schlachthöfe liegen, sollen die Tiere länger fahren dürfen. "Unklar ist aber, wie viel länger", kritisiert Salzborn.

Auch Umweltexperten sind mit dem Vorschlag unzufrieden. "In neun Stunden kommt man immer noch quer durch ein ganzes Land", sagt etwa Reinhild Benning vom BUND. Die Agrarexpertin will die Fahrten auf vier Stunden begrenzt sehen, auch um regionale Strukturen bei der Nahrungsmittelproduktion zu stärken. Kleine Schlachthöfe würden profitieren, wenn große das Vieh nicht mehr aus ganz Europa herankarren dürften. "Das würde auch die ländlichen Räume beleben", sagt Benning. Denn für die handwerkliche Fleischverarbeitung seien bis zu zehnmal mehr Beschäftigte nötig als für die industrielle.

"Der Vorschlag aus Brüssel stärkt Strukturen, in denen es sehr große Betriebe gibt", widerspricht Viehexperte Michael Starp vom Deutschen Bauernverband. Sein Argument: Kleine Höfe können fast nie einen ganzen Transporter füllen, sodass ein Schlachtbetrieb nacheinander mehrere Höfe anfahren muss. Eine Begrenzung erschwere dies erheblich.

Bennings Lösung für dieses Problem lautet: mehr regionale Schlachthäuser. Dass kurze Viehtransporte ausreichen, zeigt für die BUND-Expertin zum Beispiel die Fleischmarke Neuland. Sie gibt schon jetzt ein Zeitlimit von vier Stunden vor.

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