Ex-Stasi-Mitarbeiter wehren sich: Spitzel wollen anonym bleiben

Ehemalige Spitzel, deren Tätigkeit für die Stasi erwiesen ist, klagen gegen die Veröffentlichung ihrer Namen.

Historische Aufarbeitung: Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes. Bild: dpa

BERLIN taz "Ich will meine Akte haben", sprühten in den Wendetagen Unbekannte auf die Fassaden des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in der Normannenstraße in Berlin. Der Blick in die Akten, die über die Oppositionellen in der DDR angelegt worden waren, war auch der wichtigste Grund, warum Angehörige der Bügerrechtsbewegung am 15. Januar 1990 die Geheimdienstzentrale erstürmten und besetzten. Mit dieser Aktion verhinderten sie, dass Mitarbeiter des MfS die Akten weiterhin vernichten konnten.

Der Wunsch, das Wirken der Staatssicherheit in der eigenen Biografie nachvollziehen zu können, fand schließlich seinen Ausdruck in dem 1991 vom Bundestag verabschiedeten Stasiunterlagengesetz, in dem auch der Umgang mit den früheren Mitarbeitern geregelt wurde. In Paragraf 32 des Gesetzes heißt es, dass die Stasiunterlagenbehörde "zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung" Unterlagen über Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes herausgeben muss, sofern diese bei ihrer Tätigkeit für den MfS nicht minderjährig waren.

Den Streit über die Veröffentlichung der Namen gibt es, seit die Behörde des Bundesbeauftragten eingerichtet wurde. Prominenteste Fälle waren der frühere Brandenburger Ministerpräsident Manfred Stolpe und der heutige Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi. Beide wehrten sich vehement gegen die Herausgabe von Stasiunterlagen, die nach Meinung der Aktenbehörde unter ihrem damaligen Leiter Joachim Gauck belegten, beide seien zu Zeiten der DDR als "Inoffizielle Mitarbeiter" (IM) für das MfS tätig gewesen. Stolpes und Gysis Argumentation, der später auch mehrere Gerichte folgten: Anhand der Aktenlage lasse sich eine IM-Tätigkeit nicht wirklich belegen.

Neu ist allerdings, wie auch in dem am Mittwoch vor dem Münchner Landgericht verhandelten Fall, dass sich Inoffizielle Mitarbeiter gegen eine Namensveröffentlichung wehren, selbst wenn ihre Mitarbeit nicht einmal bestritten wird. So kam es im März 2008 vor dem Landgericht Zwickau zum Rechtsstreit. Ein früherer IM mit dem Decknamen "Schubert" klagte gegen eine im Rathaus von Reichenbach (Sachsen) gezeigte Wanderausstellung "Christliches Handeln in der DDR" wegen der Verwendung seines Klarnamens. Das Landgericht erließ eine einstweilige Verfügung gegen die Namensnennung und begründete dies mit den Persönlichkeitsrechten des ehemaligen IM. Dieser habe weder im Geheimdienst eine "exponierte Stellung" gehabt noch in der Gegenwart. Die Initiatoren der Schau und die Stadt legten Widerspruch ein und erklärten, Geschichtsaufarbeitung sei nur mit konkreter Namensnennung möglich. Im April 2008 wurde die einstweilige Verfügung aufgehoben - allerdings nur aus formalen Gründen. Ob das Persönlichkeitsrecht des Spitzels höher zu bewerten ist als das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, ließ das Gericht bewusst offen. Dem Organisator der Ausstellung, dem früheren Zwickauer Dompfarrer Edmund Käbisch, droht damit ein erneutes Verbot der Namensnennung, wenn er die Ausstellung an anderer Stelle aufbaut. Käbisch hat nun seinerseits eine Feststellungsklage eingereicht. Sie soll klären, dass er den Namen des IM öffentlich nennen darf. Über diese Klage ist noch nicht entschieden.

WOLFGANG GAST

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