Milchmarkt in der Krise: Bauern demonstrieren für höhere Milchpreise
Auf zahlreichen Protestveranstaltungen forderten Bauern höhere Preise für Milch. Viele Milcherzeuger stehen vor dem finanziellen Aus.
HAMBURG dpa Mit Fackelzügen, Mahnfeuern und Traktor-Korsos haben am Donnerstagabend bundesweit Tausende Bauern für höhere Milchpreise demonstriert. Durch einen "historisch niedrigen Milchpreis" sehen sich die Bauern in ihrer Existenz gefährdet. Dies erklärte der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), der zu den Protesten aufgerufen hatte. Schwerpunkt der Aktionen war Bayern. Allein hier fanden Demonstrationen vor rund 40 Molkereien statt. Bundesweit beteiligten sich nach BDM-Angaben mindestens 10 000 Landwirte an den Protesten.
"Die Bauern wollen den Molkereien mit ihren Fackeln und Lichterketten deutlich machen, dass die Lichter ausgehen, wenn nicht bald was passiert", sagte BDM-Sprecherin Jutta Weiß am Abend in Bayreuth. Vielerorts waren die Milchbauern zunächst mit Fackeln durch die Städte gezogen, um sich anschließend vor den örtlichen Molkereien zu versammeln.
Der von den Molkereien gezahlte Milchpreis ist von Oktober 2008 um rund 10 Cent auf einen Grundpreis von derzeit etwa 20 bis 26 Cent pro Liter gefallen. Die Bauern geben ihre Produktionskosten jedoch mit rund 40 Cent pro Liter an. Mitte vergangenen Jahres hatten die Milchbauern mit einem Lieferboykott einen Anstieg des Preises erreicht, der jedoch anschließend wieder stark gesunken war.
In einer an die Molkerei-Chefs gerichteten Resolution forderten die Demonstranten einen Schulterschluss der Molkereiwirtschaft mit den Milchbauern. Es müsse umgehend ein Milchgipfel unter der Federführung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einberufen werden. Der Lebensmittelhandel müsse zu höheren Milchpreisen bereit sein. Denn der Milchmarkt stecke in seiner größten Krise. Viele Milcherzeuger hätten erhebliche Liquiditätsprobleme. Einer Umfrage zufolge seien innerhalb der nächsten zwölf Monate zwei Drittel der Milchbauern zur Betriebsaufgabe gezwungen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) plant am 28. April eine Lebensmittel-Spitzenrunde. "Wir wollen erreichen, dass die Wettbewerbsfähigkeit und die Wertschöpfung in der Lebensmittelkette verbessert wird", sagte Aigner der "Rheinischen Post" (Freitag). Dazu sei es wichtig, mit allen Teilen der Lebensmittelkette zu sprechen, vom Erzeuger über Verarbeiter und Handel bis zum Endverbraucher. Ein Milch-Spitzentreffen wie im Sommer 2008 soll es aber nicht sein. Es soll auch um andere Branchen wie Fleisch und Getreide gehen.
Leser*innenkommentare
Bauer Bernd
Gast
Die Kommentare greifen zu kurz. Die Europäische Gemeinschaft gründet auf dem gemeinsamen Interesse, in den Mitgliederstaaten die Menschen sicher, gut und preiswert zu ernähren. Dies hat schon Adenauer so angelegt. Auf diesen Grundmauern basiert die EU Agrarpolitik bis heute. Was niemand damals ahnen konnte, ist die Effektivität der Landwirtschaft in so kurzer Zeit. Ein Landwirt versorgt heute 135 Menschen, sicher, preiswert und übrigens in sehr guter Qualität. Das eine Marktüberversorgung zu billigen Nahrungsmitteln führt, ist somit politisch gewollt. Ein System der Direktzahlungen aus Brüssel sollte dies sichern. Doch der Markt ist hier gnadenloser als die Politik. Hier sind Interessen anderer Teilnehmer der Wertschöpfungskette ausschlaggebend für den erzielbaren Preis eines Produktes. Hier setzt der Protest an, denn wenn das absichtlich herbeigeführte Szenario zum Ruin führt, trotz Gelder aus Brüssel, dann ist das System falsch. Und dies wollen die Bauern, die fast ausnahmslos sehr effizient und zu niedriegen Ansätzen der eigenen Vergütung arbeiten, endlich ändern. Sie wollen raus aus dem Laufrad der Massenproduktion 'zum Wohle der Gesellschaft'. Dies geht eben nur so lange, bis die eigene Existenz auf dem Spiel steht. Jeder Hof, der jetzt geschlossen wird, ist einer zuviel, weil wir ihn zukünftig noch brauchen werden. Übrigens ist die angeprangerte Leistungssteigerung der Kühe in einem Kuhstall nur mit 'Kuhkomfort' zu erreichen. Ich selbst bin Biomilchbauer.
HDS
Gast
Ohne jedem einzelnen Landwirt gerecht werden zu können: Ständiges Jammern gehört zu ihrem Geschäft.
Sie wollen freie Unternehmer sein mit fast sozialistischer Preis- und Abnahmegarantie.
Mein Mitgefühl hält sich vor dem Hintergrund der teilw. tierquälerisch und sehr umweltbelastend hergestellten Milchprodukten in Grenzen.
Ich bin gern bereit, über dem marktüblichen Preisniveau qualtitativ hochwertigere und weniger umweltbelastende Produkte zu konsumieren.
Ansonsten bestimmt bei Überproduktion und gleicher Qualität eben der Markt den Preis und trennt die Spreu vom Weizen oder sollte man hier besser sagen die Butter vom Rahm.
Michael Segmeister
Gast
Die Bauern dürfen aber auch nicht nur auf die böse Politik etc. schimpfen. Seit Jahrzehnten steigern sie die Produktion ins unermessliche, es gibt viel zu viel Milch. Die Tiere werden immer mehr gequält, stehen meist über Jahre hinweg nur im Stall, sehen kaum Tageslicht, können sich nicht bewegen, die Gülle- und damit Ammoniakproduktion steigt und steigt, immer grössere lärmende und stinkende Traktoren rasen durch die Gegend um noch mehr Heu von noch weiter her zu holen... usw. Wo soll das alles hinführen? Wer von den Bauern hat konsequent auf Bio und Qualität statt Quantität gesetzt? Die wenigsten.