Landgeschenke in Kongo-Brazzaville: Weiße Farmer statt Urwald

Der Präsident von Kongo-Brazzaville will fast ein Drittel des Staatsgebietes an weiße Südafrikaner abgeben. Betroffen ist auch viel unberührter Regenwald.

Ex-Diktator Nguesso spielt sich wieder zum Entscheider über seine Untertanen auf. Bild: ap

BERLIN/JOHANNESBURG taz Es wäre das größte Landgeschäft Afrikas: Die Regierung der Republik Kongo, besser bekannt als Kongo-Brazzaville, will zehn Millionen Hektar Land an weiße Farmer aus Südafrika verpachten - 100.000 Quadratkilometer, fast ein Drittel des Staatsgebiets. Faktisch wird das Land verschenkt: "Kongo bietet Pachtverträge auf 99 Jahre, umsonst", sagt Theo de Jager, Vizepräsident des südafrikanischen Farmerverbands Agris SA. "Wenn die Farmer Überschüsse erwirtschaften, kann das in Eigentumstitel umgewandelt werden. Die ersten fünf Jahre sind steuerfrei, die Importe von Saatgut, Dünger und Maschinen auch. Profite können wieder ausgeführt werden."

Viele Länder in Afrika haben riesige Ländereien an Investoren aus Nahost oder Asien vergeben, um Nahrungsmittel oder Agrarsprit anzubauen. Auch weiße Farmer aus Simbabwe oder Südafrika sind als kapitalkräftige Investoren vielerorts willkommen. In Madagaskar stürzte vor einem Monat die Regierung, nachdem sie Gespräche mit dem südkoreanischen Daewoo-Konzern über die Vergabe von 1,3 Millionen Hektar Land aufgenommen hatte; die neue Regierung hat das Projekt gestoppt. Nun stellt ausgerechnet Kongo-Brazzavilles Präsident Denis Sassou-Nguesso, der das Land 1979 bis 1992 als sozialistischer Militärdiktator regierte und sich 1997 zurück an die Macht kämpfte, alle bisherigen Projekte in den Schatten.

Eigentlich hat Kongo-Brazzaville das gar nicht nötig. Als einer der größten Ölproduzenten und Tropenholzexporteure Afrikas kann es problemlos jährlich Lebensmittel im Wert von geschätzt 150 Millionen Euro importieren, hauptsächlich aus der alten Kolonialmacht Frankreich. Aber diese Importgüter sind teuer, Öl und Tropenholz schaffen nur wenige Arbeitsplätze, viele der Einnahmen daraus verschwinden, und seit den Bürgerkriegen der 90er-Jahre liegen die meisten fruchtbaren Gebiete im Süden des Landes brach. 70 Prozent der etwas über vier Millionen Einwohner Kongo-Brazzavilles leben in absoluter Armut, und 70 Prozent leben von der Landwirtschaft; größtenteils sind das dieselben Menschen.

Nach offiziellen Angaben hat Kongo-Brazzaville zehn Millionen Hektar Agrarfläche, von denen nur zwei Prozent bebaut werden. Das wichtigste Agrargebiet ist die Provinz Niari im Südwesten, die von der Stadt Dolisie bis zur Grenze Gabuns reicht. Hier gründeten französische Kolonialsiedler einst große Zucker-, Mais- und Reisplantagen. In den 70er-Jahren verstaatlicht und ruiniert, gingen die Plantagen und Farmen in den 90er-Jahren teilweise wieder an Private: So bekam die französische Familie Vilgrain 1991 in Niari 12.000 Hektar Zuckerplantagen zurück. Ihre Gemeinschaftsfirma mit dem kongolesischen Staat "Somdiaa" ist heute das größte private Agrarunternehmen des Landes, mit 68.000 Tonnen Zuckerproduktion 2008.

Schon damals scheiterte ein Versuch, in Niari südafrikanische Farmer anzusiedeln. Kongo-Brazzaville und Südafrika gründeten 1995 die Société Agricole et Industrielle du Vallée de Niari (SAIVN), um Land an weiße Farmer zu vergeben, aber nur eine Handvoll Südafrikaner bemühten sich an den Äquator, bis neuer Bürgerkrieg dieses Experiment beendete.

Das Niari-Tal gehört nun zu den Gebieten, wo Sassou-Nguesso jetzt erneut Südafrikaner ansiedeln will. Auserkoren sind außerdem nach Angaben von Theo de Jager die drei Provinzen Cuvette, Likouala und Plateaux - faktisch der gesamte Norden Kongo-Brazzavilles. Diese Region ist zum großen Teil von unberührtem tropischen Regenwald bedeckt und ansonsten die Heimatregion des Präsidenten.

"Wir waren im März dort und haben die Flächen angesehen, die bewirtschaftet werden sollen", erklärt der Südafrikaner de Jager. "Es sind riesige, unbewohnte Gebiete. Bisher haben sich 1.300 Farmer bei uns interessiert gezeigt, und einige sind jetzt da, um sich alles anzusehen." Warum interessieren sie sich? "Für größere Farmbetriebe ist es eine Gelegenheit, zu diversifizieren und zu expandieren", so der Farmerführer. Die Regierung Kongo-Brazzavilles drängt, so de Jager: "Der Präsident hat gesagt: Er will, dass das erste Saatgut noch vor dem Regen im Oktober in der Erde ist."

Sassou-Nguesso hat Grund zur Eile. Im Juni sind Wahlen, und in Zeiten niedriger Ölpreise muss er zeigen, dass er etwas für die Bauern tut. Und ein wertvoller politischer Nebeneffekt ist auch dabei. Denn einer der wichtigsten Gegenkandidaten Sassou-Nguessos ist ausgerechnet der bisherige Vorstandschef des mächtigen Zuckerfabrikanten Somdiaa, Nicéphore Fylla. Er trat im Januar von seinem Posten zurück, um für seine Partei PRL (Republikanische Liberale Partei) zu kandidieren. In Interviews erklärt er, 90 Prozent der Kongolesen lebten im Elend, und es sei Zeit, die Macht an eine neue Generation zu übertragen. Für den 66-jährigen Sassou-Nguesso ist das ein Affront. Eigentlich wollte Somdiaa selbst diversifizieren, zum Beispiel in Mais und andere Produkte für den lokalen Markt. Jetzt sollen das stattdessen die weißen Südafrikaner machen. Wie meist in Kongo-Brazzaville ist auch diese ökonomische Entscheidung zuallererst ein Machtspiel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.