neues aus neuseeland: ferngesteuert über ziegenpfade von ANKE RICHTER
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Ein GPS-System ist etwas Feines. Jeder sollte eines haben, und die Welt läge in fröhlichem Chaos. Da ich weder über Ozeane segle noch Wüsten durchquere und grundsätzlich minderwertig ausgestattete Autos fahre, hatte ich bisher nur das Vergnügen, auf einer Rundreise durch den hohen Norden mit dieser richtungsweisenden Technik in Berührung zu kommen. Auf das Armaturenbrett des Wohnmobils wurde ein mysteriöser Metallkasten gepappt, der sich mit seiner Kreuzung aus Disc-Man und Kaffeedose prima bei „Raumschiff Orion“ gemacht hätte.

Der als „elektronischer Reiseführer“ beworbene Apparat war der neueste Gimmick auf dem Touristiksektor, und wir waren die Testkandidaten. Fuhren wir an historisch bedeutungsvollen Plätzen vorbei, meldete das GPS-System sich zu Wort und erklärte uns ungefragt, was wir rechts und links vom Fenster gerade sahen. Gab es nichts zu sehen, dann unterhielt das Kästchen uns mit landeskundlichen Fakten wie der Importierung der Kumara-Süßkartoffel um 1850. Sehr kurzweilig war das alles und hielt uns von unnötigen Gesprächen ab, bis wir irgendwo zwischen Highway und Küste auf einen Systemfehler stießen: Zehnmal – ab dann hörten wir auf zu zählen – erfuhren wir, dass Einwanderer aus Dalmatien hier einst in harter Arbeit das Harz der Kauri-Bäume ausgegraben hatten, das gern für Speziallack im Geigenbau verwendet wird. Solche Dinge vergisst man nicht. Und wer weiß, wofür das mal gut ist – zum Beispiel, wenn man in die Hände dalmatinischer Wegelagerer fällt und sich mit solchem Insider-Wissen aus der Patsche reden kann.

Aber von so viel Aufregung kann ich nur träumen. Die wahren Abenteuer finden immer woanders statt. Gerade war ein Paar aus Brisbane in Neuseeland unterwegs, dem das GPS viel spannendere Reisefreuden bescherte. Anthony Hoiberg, 27, und Clarinda Mojar, 26, stiegen mittags in Christchurch in ihren Mitsubishi Lancer. Von hier führen asphaltierte Straßen, säuberlich ausgeschildert, in alle Himmelsrichtungen. „In vier Stunden sind Sie in Nelson“, hatte man den beiden bei AVIS gesagt. Wie von zu Hause gewohnt, verließen die Australier sich ganz aufs eingebaute Navigationssystem. Das führte sie nach einer guten Stunde von der Schnellstraße ab und befahl ihnen, in einen schmalen Schotterweg einzubiegen. Die falsche Abzweigung – „ein holperiger Ziegenpfad“, kombinierte der Kriminalistik-Student Hoiberg später – führte sie durch bergige Wildnis über den 869 Meter hohen Jacks’ Pass. Die nächste Abzweigung war laut GPS „in 90 Kilometern“. „Wir dachten, das sei eine Abkürzung zu einer anderen Schnellstraße“, wunderte sich der Fahrer. Wenden schien den Ausländern zu gefährlich.

Sieben Stunden lang kämpften sie sich mit zehn Stundenkilometern in dem kleinen Mietwagen durch Flussbetten und an gefährlichen Steilhängen voran. Es wurde neblig, dann dunkel. Als Verpflegung hatten sie drei Bonbons dabei. Schließlich standen sie vor einem versperrten Gatter. Nach einer Stunde kam zufällig der Bauer vorbei. „Ihm fiel die Kinnlade runter“, wusste Hoiberg zu berichten. Zwei Tage später traten die Touristen die Rückfahrt von Nelson an, schauten aber diesmal vorher auf die Landkarte. Langweiler!