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Portugals neues Zeitungskonzept "I"Die Krise als Chance

Die neue portugiesische Tageszeitung "I" bringt kaum Nachrichten, dafür mehr Analysen und Hintergründe. Dass sie überhaupt in diesen Zeiten an den Start geht, ist schon mutig.

Die Nachrichten sollen zum großen Teil aus Portugal selbst kommen. Bild: ap

Das ist nicht einfach nur mutig, das ist verrückt! Während weltweit Zeitungsmacher mit der Laune eines durstigen Kamels umherlaufen, wagt sich in Portugal heute eine neue nationale Tageszeitung auf den Markt: I heißt das Blatt. "I" steht für "Ich", aber auch für Information.

Vor Selbstbewusstsein strotzt auch die Redaktion, die sich entgegen dem Trend optimistisch gibt. "Zeiten der Krise sind die besten Zeiten, um neue Dinge zu starten. Eine Krise muss ja nichts Schlechtes sein", sagt Vizechefredakteurin Mónica Bello.

Seit August 2008 arbeitet ihr Chef Martim Figueiredo an dem Konzept. Bis dahin leitete er das Wirtschaftsblatt Económico. Figueiredo ist auch Herausgeber von I, die heute mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren starten soll und sich an die nicht mal 11 Millionen Portugiesen wendet. Die erfolgreichste Qualitätszeitung hierzulande, die Süddeutsche, verkauft täglich im Schnitt 445.000 Exemplare - bei 82 Millionen Deutschen.

Bello sagt, ihre Zielgruppe sei die Upperclass, die Bildungselite. Mit Boulevard hätten sie nichts am Hut. Dazu passt das weltweit wohl einmalige Konzept: Nach der Titelseite folgen erst "Meinung und Analyse", anschließend die Nachrichten. Und die sind in dem "Radar" genannten Ressort zu Meldungshäppchen gebündelt. "Die Leute lesen doch im Netz und hören im Radio, was passiert", sagt Bello.

Richtig spannend klingt das dritte der insgesamt nur vier Ressorts. Das soll nämlich sechs bis acht Mini-Dossiers bieten: Die Redaktion setzt also sehr stark auf Hintergrund, wofür opulente Infografiken zum Einsatz kommen sollen. Abschließend folgt eine Mischung aus Service, Vermischtem und vor allem Sport. Am Freitag gibt es noch eine Beilage mit den besten Geschichten der New York Times, am Wochenende ein monothematisches Magazin.

Revolutionär scheint also zweierlei: Zum einen geht I konsequent davon aus, dass Zeitungsleser auf eine Art gedruckte "Tagesschau" getrost verzichten können. Viel wichtiger aber: I bricht traditionelle Ressortstrukturen auf. Die Einteilung in "Politik", "Wirtschaft" und "Kultur" ist dort passé.

Natürlich startet I heute auch eine Website. Auch hier Ambitionen: Auf ionline.pt soll eine Plattform entstehen, die die Leser vernetzt. Die Redaktion setzt gleichzeitig auf Multimedia: Jeder Redakteur ist mit einer Videokamera ausgestattet.

Hinter I steht die Lena-Gruppe, ein Investor, der sich sonst vor allem in der Industrie tummelt: Vom Jahresumsatz, der sich 2007 auf 620 Millionen Euro belief, macht die Sparte "Comunicação" gerade einmal 1,02 Prozent aus, also kaum 7 Millionen Euro. Das in Branchenkreisen auf 10 Millionen Euro bezifferte Investment in I wirkt da wie ein riesiger Vertrauensvorschuss.

Allerdings hat die Gruppe möglicherweise deutlich mehr vor, als bloß eine Zeitung mit angehängtem Webauftritt zu starten. Denn für I fungieren acht aufs Land verteilte Regionalzeitungen, die über eine Tochtergesellschaft ebenfalls zu Lena gehören, als "Nachrichtennetz", wie Bello sagt. Und I-Chef Figueiredo schrieb zu seiner neuen Aufgabe: "Wir werden eine neue Informationsgruppe starten und beginnen mit einer täglichen Zeitung und einer 24-Stunden-Webseite."

Beginnen? Da ist es also plötzlich wieder: Das Bild eines Konzerns, der sich einen eigenen Informationsapparat vorhalten möchte. Kommt nach "I"-Print und "I"-Online bald auch "I"-TV?

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