Ort der Täter: Das Quadrat im Rohbau
Das NS-Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" feiert Richtfest, und es zeigt sich: Die Zurücknahme der Architektur lässt den Ausstellungen viel Raum.
Richtfeste bieten Gelegenheit für starke Worte vom Bau, aber auch für Bonmots. Beim Richtfest für den Neubau des NS-Dokumentationszentrums "Topographie des Terrors" gelang Andreas Nachama ein solches. "Die Stiftung Topographie des Terrors", sagte der Direktor der Stiftung am Montag, "hat noch nie ein Richtfest gefeiert. Es ist ihr erstes und ein großer Tag für die Realisierung dieses wichtigen Bauwerks." Der Applaus von allen Anwesenden, darunter viele Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Bundestages, Künstler und Engagierte für das Gedenkprojekt, war Nachama sicher. Denn jeder wusste, was er damit sagen wollte.
Gemeint war, dass es nicht ungewöhnlich wäre, wenn Berlins wohl am längsten andauerndes Bauvorhaben mit mehreren Richtfesten in Verbindung gebracht würde. Denn seit 1987 wird an der Realisierung der Topographie gearbeitet. Es gab zahllose Entwürfe und Pläne für das NS-Dokumentationszentrums auf dem Areal der einstigen Gestapo- und SS-Zentrale an der Prinz-Albrecht-Straße. Gebaut wurde auch schon einmal - den Rohbau von Peter Zumthor aber hat das Land Berlin ab 2004 wieder abgerissen. Bis Mai 2010 soll nun der Ausstellungspavillon der Architektin Ursula Wilms (Berlin) gegenüber dem Berliner Abgeordnetenhaus endlich fertig sein. Er wird es auch. Nun war Halbzeit am Bau und Richtfest.
Dass das 22 Jahre andauernde Projekt in die Zielgerade geht, ist gut sichtbar. Der 19 Millionen Euro teure, eingeschossige und quadratische Flachbau mit Souterrain ist im Rohbau fertig. In der großen Ausstellungshalle im lichten Erdgeschoss schaut man durch große verglaste Öffnungen nach draußen. Der Blick geht in alle Richtungen auf das Naturgelände im Süden sowie die umliegenden Gebäude im Osten und Norden.
Diese Verbindung von Innen- und Außenraum "ist das eigentliche Konzept des Bauwerks", sagte Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär im Bundesbauministerium. Als "Ort der Täter" sei die "Topographie keine Gedenkstätte, sondern ein authentischer Ort der dunkelsten Epoche unserer Geschichte". Dies werde in der Architektur sichtbar, das Gebäude und sein Gelände reflektierten gemeinsam die Zeit der NS-Verbrechen.
Es gibt mit Sicherheit interessantere Ausstellungspavillons - siehe Neue Nationalgalerie. Doch der Zweck heiligt die Mittel. Für die Text- und Bilddokumentation der Verbrechen der Nazis, des Terrors von SS und Gestapo sowie der Planungen des Holocaust gibt das schlichte Quadrat den unprätentiösen Rahmen. Die Zurücknahme der Architektur lässt den drei zukünftigen Ausstellungen - im Haus, auf dem Rundweg, in den Kellerruinen - ausreichend Raum zum Bestaunen: denn man bestaunt unfassbaren deutschen Mord und Totschlag.
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