Schmidt pfeift auf Preußen

URALTKANZLER GEGEN SCHLOSS

Frisch sind an Helmut Schmidt eigentlich nur noch seine Reyno White. Der Ganz-alt-Kanzler macht eher von sich reden, weil er sich neuem Denken trotzig verschließt – sei es bei der Vorliebe für einen Politikertypus (Peer Steinbrück) oder beim Rauchen vor Publikum. Genau dieser Starrsinn hat ihm allerdings in den letzten Jahren einen Kultstatus verliehen. Weshalb sein vorläufig letztes Verdikt durchaus Gewicht hat: Das geplante Berliner Stadtschloss ist Mist.

Nun könnte man sagen: Fällt dem Mann früh ein. Die in der aktuellen Zeit geäußerten Erkenntnisse hätten im Jahr 2002 vielleicht ein paar Bundestagsabgeordneten seiner Partei die Augen öffnen können. Allein: Schmidt Schnauze hielt selbige. Vielleicht weil dem Hanseaten mit seinen jugendlichen 83 Jahren, damals noch kaum jemand Gehör schenkte.

Aber gut, Schmidt hat’s gesagt. Und Schmidt hat recht. Sätze wie: „Ich würde es nicht wieder aufbauen. Es war ja ein preußisches Schloss, und es gibt keinen Grund, Preußen wiederauferstehen zu lassen“, möchte man eigentlich gar nicht weiter kommentieren, sondern Klaus Wowereit und ein paar anderen im Wortlaut an die Wand pinseln. Geschenkt, dass der Alte gleich noch in den Chor des allgemeinen Hauptstadtbashings einstimmte („Die Großartigkeit, mit der in Berlin das Geld anderer ausgegeben wird, ist phänomenal“, usw.).

Eigentlich möchte man nur noch ein bisschen präzisieren: Wenn der greise Hamburger sagt, er bezweifle, dass das „breite Publikum dieses Schloss wirklich will“, wenn er dann die ketzerische Frage stellt: „Fragen Sie doch mal die Menschen in Gelsenkirchen oder Magdeburg, was denen daran liegt“, dann lautet die einzig folgerichtige Ergänzung: Fragen Sie doch mal die Menschen in Wedding oder Köpenick. Oder in Schöneberg oder Weißensee oder Neukölln. Oder in Hohenschönhausen oder in Zehlendorf. Na gut, die in Zehlendorf fragen Sie besser nicht.

CLAUDIUS PRÖSSER