Tennis Borussia: Neue Wege gehen

Mit Aufstieg in die Regionalliga sucht der Fußballmannschaft Tennis Borussia ein frisches Image und Nähe zu den Fans - etwa durch Auslosen des Ticketsponsors.

Die großen Schlagzeilen in Fußball-Berlin haben in der abgelaufenen Saison 2008/2009 Hertha BSC und der 1. FC Union geschrieben. Während Hertha im Titelrennen der Bundesliga im Endspurt einknickte, stürmten die Eisernen aus Köpenick zwei Klassen tiefer mit neun Punkten Vorsprung in die 2. Bundesliga. Mit noch größerem Vorsprung feierte weitere zwei Klassen tiefer Tennis Borussia die Meisterschaft. Satte 18 Zähler lagen die Borussen vor Verfolger BFC Dynamo.

"Wir haben eine Erfolgsstory zu vermelden", verkündete Mario Weinkauf, Vorstandsvorsitzender von TeBe, im März. Im April schien es dem Klub in seinem historisch tiefsten Jammertal, der fünftklassigen Oberliga, doch noch die Beine wegzuziehen: Thomas Thiel, Geschäftsführer des Hauptsponsors "Treasure AG", wurde wegen Kindesmissbrauchs verhaftet. TeBe löste den Vertrag mit "Treasure" und - so unkten Szenekenner - somit auch die Träume von einer besseren Zukunft in Luft auf. Denn ohne die 500.000 Euro, die Thiels Firma zum Regionalliga-Etat in Höhe von 1,3 Millionen Euro beisteuern sollte, schien der Aufstieg gefährdet.

Erst nach einer fieberhaften Sammelaktion unter Gönnern gelang es den TeBe-Machern, die Zulassung für die Regionalliga zu erhalten. Als wucherndes Pfund konnten sie in die Waagschale werfen, dass der Verein 2009/2010 im DFB-Pokal startet - was allein mehr als 100.000 Euro TV-Gage garantiert.

Vielleicht ist es diese sportliche Nahtod-Erfahrung gewesen, die TeBe jetzt von den ausgetrampelten Pfaden zum vermeintlichen Kickerglück abbrachten. "Wir freuen uns, mit TeBe neue Wege zu gehen", meldet Aufsichtsratschef Willy Kausch.

Dazu muss man wissen, dass TeBe aus der Vergangenheit das Negativimage eines Clubs der "Millionarios" anhaftet, in dem Sachverstand und Geldmittel umgekehrt proportional zueinander stehen. Vor einem Jahrzehnt, unter der Ägide der "Göttinger Gruppe", setzte Borussia Abermillionen Mark in den Sand beim kläglich gescheiterten Versuch, den Sprung in die Bundesliga zu erzwingen. Als die Göttinger Finanz-Magiere entzaubert ausstiegen, hinterließen sie im Mommsenstadion einen Pleiteclub. Jetzt schlägt das TeBe-Pendel offenbar in eine fast schon ökologisch zu nennende Richtung. Die knappen Finanz-Ressourcen sollen effizient und vereinsschonend eingesetzt werden, die Fan-Basis wird in die Vereinspolitik eingebunden, um die Nachhaltigkeit des Aufstieges zu gewährleisten.

Nicht genug damit, dass die Anhängerschaft darüber abstimmt, welches Trikot die Mannschaft in der Regionalliga trägt. Ausstatter "Masita" hat dafür eigens drei Modelle in den Vereinsfarben Lila und Weiß entworfen. "Dies ist nur einer von mehreren Schritten, mit denen wir Tennis Borussia mit einem neuen, frischen Image in die Zukunft führen", betont Kausch.

Eine geradezu revolutionäre Tat ist es, auch die Entscheidung, welcher Schriftzug in der neuen Saison auf der Spielerbrust prangen soll, den Supportern zu überlassen. Im Klartext: Borussia lost den Trikot-Sponsor für jenen Stoff, aus dem die Träume der Werbewirtschaft gemacht sind, unter den Fans aus.

Am Dienstag beginnt die Aktion: Wer für 500 Euro ein Los erwirbt, ist am 27. Juli dabei, wenn in einer öffentlichen Veranstaltung unter notarieller Aufsicht der neue Trikotsponsor gezogen wird. Der Gewinner kann sich eine Saison lang auf dem Arbeitshemd der Spieler der 1. Mannscahft verewigen. Sei es mit dem Logo einer Firma, dem Privatnamen oder einem flotten Stammtisch-Spruch. Die textile Visitenkarte muss lediglich im Einklang stehen mit den technisch-ethischen DFB-Richtlinien.

Für gewöhnlich kostet der Werbeplatz auf der Trikot-Brust in der Regionalliga mindestens eine fünfstellige Summe, es darf auch schon mal mehr sein. TeBe erhofft sich aus der Aktion 125.000 Euro, was 250 verkaufte Lose bedeutet.

"Stellen Sie sich ein Pokalspiel gegen Bayern München vor, und auf der Brust von TeBe steht: ,Claudia, ich liebe Dich. Eigentlich ist das doch wie ein Sechser im Lotto für den Gewinner", schwärmt Marketingchef Peter Antony. Den Unterlegenen in der TeBe-Lotterie winken andere PR-Möglichkeiten und Priviliegien rund um den VIP-Raum im Mommsenstadion. JÜRGEN SCHULZ

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