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Kleider-Kodex im Gericht gelockertAnwalt lässt die Hüllen fallen

Anwälte sollen nach dem Willen des Senats frei entscheiden, ob sie eine Robe tragen. Doch unter Richtern gibt es Widerstand.

Klarer Fall: Richter wie hier am Obersten Gericht der USA müssen auf jeden Fall weiter eine Robe tragen. Bild: Steve Petteway

Die vom Senat gewünschte freie Kleiderwahl für Anwälte wird noch nicht von allen Richtern akzeptiert. Im März hatte die Senatsverwaltung für Justiz den staatlichen Robenzwang per Allgemeiner Verfügung (PDF) aufgehoben. Doch als Anwalt Johannes Eisenberg, der auch die taz vor Gericht vertritt, die neue Freiheit ausprobieren wollte, stieß er bei einem Richter auf wenig Verständnis.

Zum Problem für Eisenberg wurde, dass nicht nur der Senat bisher den Anwälten eine bestimmte Kleidung vorgab. Auch die Berufsordnung, die die Anwälte sich selbst gegeben haben, schreibt die Robe vor, "soweit das üblich ist", wie es in § 20 wörtlich heißt (PDF). Und die Berufsordnung gilt unverändert weiter.

Als Eisenberg am Freitag in Jeans und Freizeithemd vor der 17. Strafkammer des Berliner Landgerichtes erschien, forderte der Vorsitzende Richter Ralf Fischer ihn auf, wie bisher eine Robe zu tragen, da dies nach wie vor üblich sei. Wenn Eisenberg dem bei der nächsten Verhandlung nicht folge, werde er den Fall der Rechtsanwaltskammer vorlegen. Strafgerichtssprecherin Petra Carl bestätigte auf Anfrage die Aussage des Richters. Die Kammer kann etwa eine Rüge aussprechen oder eine Geldbuße verhängen.

Doch Eisenberg will seine neue Kleidungsfreiheit nicht aufgeben. "Mich hat dieser Zwang immer gestört. Wenn ich keine Argumente habe, hilft die Robe doch auch nicht weiter." Die Kleidung "macht mich gemein mit Richtern und Staatsanwälten und schafft eine künstliche Distanz zum Mandanten, auf dessen Seite ich doch stehe".

So sieht das auch Peter Zuriel, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger. Die Robe sei einschüchternd für den Mandanten, der sich "dem Justizapparat ausgesetzt sieht". Wenn dann auch noch der eigene Anwalt eine Robe trage, könne ein Mandant sich "alleingelassen" fühlen. Dennoch hat er bisher von keinem anderen Anwalt gehört, dass er auf die Robe verzichtet: "Das ist noch nicht so bekannt. Wenn es sich herumgesprochen hat, werden es sicher viele machen." Richter und Staatsanwälte müssen weiterhin in der klassischen schwarzen Juristentracht auftreten.

Der Grünen-Abgeordnete Dirk Behrend, bis zu seinem Einzug ins Parlament selbst Verwaltungsrichter, findet die Robe für Anwäte "überholt". Solche "Uniformen brauchen wir nicht". Selbst die Robenpflicht für Richter ist für ihn nicht sakrosant: Die "sollte man einmal mit den Standesvereinigungen diskutieren". Die Richter an den Familiengerichten würden bereits jetzt ihre Robe oft ausziehen, wenn sie Kinder anhören.

Doch bis dahin wird es noch ein weiter Weg sein. Zuerst kommt an diesem Freitag das nächste Wiedersehen von Anwalt Eisenberg und Richter Fischer. Eisenberg will wieder ohne Robe kommen. Wenn Fischer den Fall dann wie angekündigt an die Rechtsanwaltskammer gibt, wird die entscheiden müssen, ob sie eine Sanktion verhängt. Die entscheidende Frage dabei: Ist die Robe in Berlin für Anwälte noch üblich oder nicht? Für Justizstaatssekretär Hasso Lieber ist der Fall klar. Der taz sagte er: "Was üblich ist, haben wir doch gerade mit der neuen Verwaltungsvorschrift beschrieben: Die Anwälte dürfen Robe tragen, sie müssen es aber nicht."

Die Rechtsanwaltskammer, auf deren Entscheidung es ankommt, will sich dagegen noch nicht so richtig festlegen. Präsidentin Irene Schmid macht aber deutlich, dass die Robe nicht auf alle Ewigkeit festgeschrieben bleibt. Was genau unter "üblich" zu verstehen ist, werde "bei entsprechenden Anfragen oder Beschwerden durch die Rechtsanwaltskammer in jedem Einzelfall festzustellen sein und unterliegt - wie jede Üblichkeit - dem Wandel der Zeiten".

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2 Kommentare

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  • CR
    Carsten R, Hoenig

    Ich hoffe, Johannes Eisenberg verteidigt da einen Mandanten vor der Strafkammer, der solche Kapriolen wegsteckt.

     

    Derzeit kämpfe ich noch darum, wenigstens ohne diese häßlichen Krawatten verteidigen zu können, was auch nicht von jedem Vorsitzenden akzeptiert wird. Der Verteidiger muß dann entscheiden, ob der Konflikt dem Mandanten nützt oder schadet.

     

    Ich denke, darüber wird sich der Kollege Gedanken gemacht haben.

  • TS
    Thomas Schöffel

    Es geht doch hier nicht um den „Zwang zur Uniform“ und das Problem ist auch nicht, daß hier etwas vermeintlich altväterliches nicht den Weg in die Moderne findet. Die Andersartigkeit der Kleidung soll ja gerade dem „Kunden, Klienten und Mandanten“ klarmachen, daß hier - in der Justiz oder gerade vor Gericht - etwas Besonderes geschieht. Gerade durch die Robe soll ja dem Menschen klargemacht werden, daß nicht der Richter als individuelle Person meint, daß der Gesetzesbrecher in den Bau einfahren soll, sondern daß er „im Namen des Volkes“, „der Gesellschaft“ oder von mir auch aus „der Bevölkerung“ spricht und handelt. Es sind stellvertretend wir alle, die den Gangster einlochen. Und daß wir das tun, wird durch die Robe dargestellt. Eine Formation schwarz in Robe gekleideter kann einen Menschen natürlich durchaus einschüchtern. Und das ist doch auch gerade der gewollte Effekt ! Selbstverständlich kann man sich auch vorstellen, daß die Justiz in Freizeithemden und Sandalen Urteile verkündet. Aber fragen Sie ruhig mal Ihre Frau oder Ihren Mann, warum man sich beispielsweise für eine Hochzeit „umzieht“. Oder warum sich der „schwarze Block“ bestimmter Demonstranten so kleidet. Sie alle wollen etwas bestimmtes durch ihre Kleidung ausdrücken und anderen auch damit mitteilen.

    Es drängt sich bei diesem Widerwillen gegen die Robe der Eindruck auf, als ob hier jemand möglicherweise seine persönliche Revolte „gegen den Staat, die Alten, das Establishment oder wen auch immer“ ausleben möchte und hier den Sack schlägt, aber den Esel meint. Im übrigen ist ´68 mittlerweile 41 Jahre her und selbst der progressivste Linke kommt nicht in der Badehose zur Beerdigung. Weil er mittlerweile verstanden hat, was Würde ist.