Integration auf dem Arbeitsmarkt: Kraftfahrer statt Awtomobilisti

Die Berufsabschlüsse vieler Spätaussiedler werden in Deutschland nicht anerkannt. Ein Weiterbildungsprojekt in Eberswalde will daher für Nachqualifikation sorgen.

"Awtomobilisti" dürfen nicht bei einheimischen Speditionen angestellt werden. Bild: AP, Frank Augstein

Trotz guter Qualifikation und trotz Bedarf auf dem Arbeitsmarkt sind viele Spätaussiedler arbeitslos. Der Grund: Die in Russland und Kasachstan erworbenen Abschlüsse werden in Deutschland in aller Regel nicht anerkannt. Nicht nur bei Akademikern: Selbst "Awtomobilisti", so das russische Wort für Kraftfahrer, dürfen nicht bei einheimischen Speditionen angestellt werden. Gleichzeitig darf allerdings ein Kraftfahrer mit derselben Qualifikation, der noch in Russland wohnt, für russische Speditionen quer durch Deutschland fahren.

Die Integrationsberatungsstelle des Bundes der Vertriebenen in Eberswalde nordöstlich von Berlin hat jedenfalls den Bedarf an Qualifizierung erkannt und gemeinsam mit der Arbeitsagentur und einer Fahrschule die Nachqualifikationen organisiert. Dafür wurde das Projekt am Freitag von Brandenburgs Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) mit dem Brandenburger Integrationspreis geehrt. Unter den 800 bis 900 Spätaussiedlern in Eberswalde waren sehr viele Kraftfahrer. "Viele Männer sagten mir, sie träumten davon, weiter in ihrem Beruf zu arbeiten. Und ihre Ehefrauen haben diesen wenig familienfreundlichen Beruf auch akzeptiert", sagt Sozialberaterin Irina Holzer. In einem einjährigen Kurs lernten Spätaussiedler europäische Zollbestimmungen kennen und verbesserten ihr Deutsch.

Insgesamt 170 Männer haben in den vergangenen Jahren auf diesem Weg die Qualifikation zum EU-Kraftfahrer absolviert. Viele Männer wurden sofort nach dem Abschluss der Ausbildung von einer Spedition angestellt. "Auf diese Weise sind Arbeitsplätze in unserer strukturschwachen Region entstanden", freut sich Irina Holzer.

Auch drei praktizierende Ärzte in Eberswalde sind Spätaussiedler und haben über ein Landesprogramm einen in Deutschland anerkannten Abschluss erworben. Seit in ländlichen Regionen Ärztemangel herrscht, haben Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern das Potenzial zugewanderter Ärzte aus Osteuropa erkannt, die vor wenigen Jahren noch Däumchen drehen mussten. In Jahreskursen werden ihre Ausbildungen an die Bedingungen in Deutschland angepasst.

Genau wie in Berlin sind auch in Brandenburg sehr viele Spätaussiedlerinnen Lehrerinnen. Sie haben auf dem Arbeitsmarkt noch keine Chance in ihrem Beruf, obwohl in vielen Bundesländern Lehrer fehlen. Statt in Schulen zu unterrichten, haben viele als Altenpflegerinnen umgelernt oder sind 1-Euro-Jobberinnen, weiß Irina Holzer.

Neben der Integrationsberatung wurde der deutschtürkische Unternehmer Erden Kocaman aus Heinersdorf bei Frankfurt (Oder) geehrt. Er ist Brandenburgs "Unternehmer des Jahres 2009 mit Migrationshintergrund". Der Gastronom, der 1994 mit einem Döner-Imbiss begann, hat heute vier Bistros und Restaurants. Trotz eines Brandanschlages auf sein Restaurant blieb der 39-Jährige in der Region Ostbrandenburg und engagiert sich dort auch kommunalpolitisch.

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