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Kinder behalten, Eltern abschieben

Integrierte Jugendliche sollen nicht mehr mit ihren Eltern weggeschickt werden müssen, findet Niedersachsens CDU-Innenminister. Flüchtlingsorganisationen sehen darin eine „blasphemische Verhöhnung christlicher Werte“

Das Motto lautet: „Lasset die Kindlein bei uns bleiben, da wir in sie investiert haben“

Wer etwas werden will, pirscht sich an die ganz Mächtigen heran. Und so schrieb Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann bereits Anfang November an seinen Parteikollegen, den Fast-Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Anfang Dezember wird sich die Innenministerkonferenz mit dem Thema Bleiberecht befassen. Im Berliner Koalitionsvertrag lesen sich dazu nur Wischiwaschi-Formulierungen, die Unterhändler hatten jedoch ein Bleiberecht für ausländische Familien erwogen, deren Kinder in Deutschland aufgewachsen sind.

Das gehe „in eine völlig falsche Richtung“, schrieb Schünemann an Schäuble. Ein Bleiberecht der Gesamtfamilie belohne die Eltern, „die ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen sind und eine Aufenthaltsbeendigung durch Ausnutzen aller Verfahrensmöglichkeiten, durch falsche Angaben und Verschleierung der Identität“ jahrelang verhindert hätten. Allerdings, so der Niedersachse, könne man Jugendlichen ab 16 Jahren, die sich integriert und einen Schulabschluss erworben haben, einen Verbleib in Deutschland ermöglichen. Vorraussetzung: Die Flüchtlingskinder müssten seit acht Jahren hier leben, bei Schülern reichten auch sechs.

Früher hatte man stets achselzuckend auf die Rechtslage verwiesen, wenn gut integrierte Flüchtlingskinder zusammen mit ihren Eltern abgeschoben wurden, aber nicht mal die Sprache des Heimatlandes beherrschten. Aufsehen erregte im Frühjahr der Fall einer 14-jährigen Vietnamesin aus Peine, die drei Monate nach der Abschiebung wieder nach Deutschland zurück kehren durfte, weil eine deutsche Familie sie adoptieren wollte.

Auf dem Tisch liegt auch der Vorschlag von Schünemanns Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen, Ingo Wolf (FDP). Eine Chance auf Bleiberecht sollen danach Menschen haben, die seit über zwei Jahren einem sozialversicherungspflichtigen Job nachgehen.

„Das würde nur fünf bis zehn Prozent betreffen“, sagt Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat. Aber auch Schünemanns Vorschlag hält er für „unerträglich“. Er sei nicht vereinbar „mit dem Wertekanon einer Partei, die sich den Schutz der Familie auf die Fahnen geschrieben hat.“ Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl spricht sogar von einer „blasphemischen Verhöhnung christlicher Werte“. Motto: „Lasset die Kindlein bei uns bleiben, da wir in sie investiert haben – schieben wir lieber die Eltern ab.“ ksc

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