Landtagswahl im Saarland: Lafontaines letzter Kampf
Linke-Chef Lafontaine will im Saarland wieder Ministerpräsident werden. Doch der Bruch mit der SPD bleibt sein Trauma. "Nie" würden die dabei entstandenen Wunden verheilen, sagt er.
Das Saarland hat etwas ganz Spezielles, das kein anderes Bundesland im Westen der Republik vorweisen kann: Eine Linkspartei auf Augenhöhe mit der SPD. Für den rasanten Aufstieg der Partei, die nach den zwei Jahren mehr als 3.600 Mitglieder vorzuweisen hat, zeichnet nur ein Mann verantwortlich: Oskar Lafontaine. Der 65 Jahre alte Bundesvorsitzende der Linken war Oberbürgermeister von Saarbrücken und schon einmal Ministerpräsident des Landes.
Jetzt will er wieder Regierungschef an der Saar werden. Und falls seine Linke tatsächlich vor der SPD einlaufen und die Regierung Peter Müller (CDU) ablösen sollte, könnte er der erste Politiker werden, der einmal als Sozialdemokrat und einmal als Linker Ministerpräsident wurde. Doch der Bruch mit der SPD bleibt Lafontaines Trauma.
"Nie mehr" würden die Wunden von damals verheilen, räumte er vor wenigen Tagen in Saarbrücken ungewohnt offen ein. Und dass er mit denen, die ihn danach an der Saar und in ganz Deutschland "verflucht und verteufelt" hätten, nicht mehr zusammenarbeiten könne - noch nicht einmal bei der Behebung einer Autopanne.
Da ist Trauer in seinem Gesicht zu sehen, und Zornesröte - auch noch nach all den Jahren. Trauer um verlorene Freunde und den Verlust der ersten politischen Heimat. Und Wut wegen der zerstörten eigenen Karriere. Schließlich war Lafontaine einst Bundesvorsitzender der SPD und Finanzminister unter Kanzler Gerhard Schröder. Schuld an der derzeitigen Lage sind dabei immer die anderen.
Lafontaine bat denn auch "um Verständnis" dafür, dass er für den anderen Fall der Fälle - wenn also die SPD bei den Landtagswahlen besser abschneiden sollte als die Linke und es zur Regierungsbildung reichen sollte - nicht als Vize zur Verfügung stehe. Lafontaine will Regierungschef werden oder gar nichts mehr an der Saar. Und schon überhaupt nichts unter dem jungen Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzenden der SPD, Heiko Maas, den er einst selbst in sein Saar-Kabinett geholt hatte.
Später am Abend und nach einer Vorlesung in Mikro- und Makroökonomie beantwortet er Fragen, die ihm nicht ins Konzept passen, entweder ironisch oder kryptisch oder gleich wie eine Sphinx mit einer Gegenfrage. Souverän wirkt das nicht immer auf die Zuhörer, eher überzogen arrogant.
Das liegt vielleicht auch daran, dass Lafontaine bei seinem letzten Kampf um die Macht an der Saar eigentlich auf verlorenem Posten steht. Denn auch Maas will nicht Vize unter einem Ministerpräsidenten Lafontaine werden, und wohl auch kein anderer Sozialdemokrat an der Saar. Für diesen Fall der Fälle hält sich die SPD auch die Option zur Bildung einer großen Koalition offen. "Nichts wird ausgeschlossen", so das Credo von Maas. Man habe schließlich aus dem "Debakel in Hessen" gelernt. Das letzte Umfrageergebnis stärkte der SPD den Rücken. Mit 27 Prozent ließen die Genossen von Maas die Genossen von Lafontaine um neun Prozent hinter sich.
Und auch die Grünen, die einer Koalition mit SPD und Linken zur Ablösung der Regierung Peter Müller (CDU) nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen, erklärten jüngst, "auf gar keinen Fall" mit Lafontaine zusammenarbeiten zu wollen. Die Linke schießt sich deshalb aktuell auf die "bürgerlichen Grünen" ein: "Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern!", werde ab sofort landesweit plakatiert, ordnete Parteichef Rolf Linsler an.
Auch Lafontaine glaubt zu wissen, dass Jamaika bei den Grünen "doch schon längst beschlossene Sache" sei. Bei diesem Thema blitzen seine Augen kampfeslustig.
Die Grünen bekämen bei Jamaika "große Probleme mit ihrer Basis", sagt Lafontaine und dass eine große Koalition die Sozialdemokraten wohl zerreißen würde. Viele Sozialdemokraten glauben, dass diese Schwierigkeiten genau das sind, was Lafontaine eigentlich will. Sein Wahlziel heiße nicht gewinnen, sondern Rache nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes