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Vattenfall verliert StromkundenPannenzeit ist Wechselzeit

Nur in zwei Prozent der deutschen Haushalte ist der Strom Öko. Nun verliert Vattenfall wegen der AKW-Störfälle Kunden.

Nicht schön, aber Öko: Windräder. Bild: dpa

Dem Energiekonzern Vattenfall laufen die Kunden davon: Deutlich mehr als sonst sind seit den Pannen im AKW Krümmel Anfang Juli zu Stromanbietern mit erneuerbaren Energien gewechselt - ein großer Anteil davon ausdrücklich wegen der Vorfälle in dem von Vattenfall betriebenen Atomkraftwerk in Schleswig-Holstein. "Wir gewinnen derzeit mehr als 100 Neukunden pro Tag, etwa dreimal so viele wie vor den Vorfällen in Krümmel", sagt Marcel Keiffenheim, Sprecher des Energieanbieters Greenpeace Energy.

Rund 80 Prozent der Neukunden kämen vom Anbieter Vattenfall. Bei einer Umfrage vor einer Woche hätten 48 von 50 der Neukunden von Greenpeace Energy angegeben, wegen der Störfälle in Krümmel diesen Schritt zu gehen. Beim Anbieter Naturstrom laufen derzeit rund 40 Prozent mehr Neukunden auf als vor den Ereignissen in Krümmel. Rund die Hälfte davon komme von Vattenfall, also doppelt so viele wie vorher, berichtet ein Firmensprecher. Ähnliche Erfahrungen macht Lichtblick, der mit 340 Millionen Euro Jahresumsatz deutlich größte Anbieter erneuerbarer Energien in Deutschland. "In den ersten Tagen nach den Störfällen hat sich unser Vertragseingang von 300 auf 500 pro Tag erhöht", sagt Lichtblick-Sprecher Ralph Kampwirth. Auch bei Lichtblick kommt ein Großteil der Neukunden von Vattenfall, was bei der Abmeldung der neuen Kunden beim vorherigen Stromlieferanten ersichtlich wird.

Wie viele Kunden Vattenfall tatsächlich durch seine Pannenserie und den eingestandenen Vertrauensverlust verloren hat, wird sich erst im August zeigen. Denn bis ein Kunde vom einen zum anderen Stromunternehmen gewechselt ist, dauert es im Schnitt sechs Wochen. Vattenfall selbst wollte sich am Dienstag nicht zu den Zahlen äußern.

Ihr Weg zum Ökostrom

Wer kann wechseln? Den Stromversorger wechseln kann jeder, der über einen eigenen Stromzähler verfügt. Mieter brauchen keine Genehmigung ihres Vermieters.

Wie geht der Wechsel? Anders als vielfach angenommen, ist der Wechsel des Stromanbieters eine Sache von wenigen Minuten, die keinerlei technische Veränderungen erforderlich macht. Von Umweltverbänden empfohlene bundesweite Anbieter, die ausschließlich Ökostrom vertreiben, sind unter www.atomausstieg-selber-machen.de zu finden. Auf deren Webseiten kann der Vertrag heruntergeladen und ausgedruckt werden. Dabei muss die Nummer des Stromzählers angegeben werden, der auf dem Zähler oder auf der Stromrechnung steht.

Was kostet Ökostrom? Ökostrom muss nicht besonders teuer sein. Meist liegt der Preis zwar über den billigsten Angeboten der herkömmlichen Versorger, ist aber oft günstiger als der Standardtarif des angestammten Unternehmens. MKR

Doch Tuomo Hattaka, der Europachef des schwedischen Stromkonzerns, dürfte sich an einen massenhaften Kundenschwund vor zwei Jahren erinnert fühlen. Im Geschäftsjahr 2007, in dem es nach einem Transformatorenbrand zur Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel gekommen war, hatte das Unternehmen rund 250.000 in den Kerngebieten Hamburg und Berlin Kunden verloren.

Marktbeobachter sehen einen klaren Zusammenhang zwischen Störfällen und der Wechselbereitschaft der Stromkunden: "Viele Menschen denken schon seit Jahren über einen Anbieterwechsel nach und gehen den konkreten Schritt nicht. Bei solchen Vorfällen ist aber das Maß für den Kunden voll", sagt Thomas Hagen von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.

"Die Aufmerksamkeit für diese Einzelfälle spielt mit Sicherheit eine Rolle", sagt auch Thorsten Storck, Redakteur beim Energieberatungsmagazin Verivox. Selbst dort erfahren die Mitarbeiter seit den Störungen im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk am 4. Juli eine verstärkte Nachfrage nach Stromwechselformularen und Informationsmaterial. Das Interesse an Ökostromprodukten, gemessen an Downloads von Formularen, ist demnach um 5 Prozent gestiegen.

Dass es gerade diese Einzelereignisse sind, die Kunden zum Wechsel animieren, liegt für Thorsten Storck an der geringen Bereitschaft vieler Privatverbraucher, sich um den konkreten Übergang zu einem neuen Unternehmen zu kümmern, auch wenn es inzwischen sehr einfach geht und teilweise sogar Geld spart. Nur etwa 19 Prozent der Stromkunden haben dem Branchenverband BDEW zufolge schon einmal den Anbieter gewechselt. Und das nach zehn Jahren offizieller Liberalisierung des Strommarkts.

Nach wie vor ist der Hauptgrund für den Wechsel der Stromanbieter der Preis. So geht es aus einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Psychonomics aus dem Dezember vergangenen Jahres hervor. Die gleiche Untersuchung ergab allerdings auch, dass 60 Prozent aller Stromkunden eine positive Grundeinstellung zu Ökostrom haben und 18 Prozent der Befragten sogar mehr dafür zahlen würden.

Trotzdem: Die vier unabhängigen Versorger Lichtblick, Greenpeace Energy, Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und Naturstrom kommen derzeit zusammen auf gut 700.000 Kunden. Damit haben bislang kaum 2 Prozent aller Haushalte zu einem reinen Ökostromanbieter gewechselt. Das ist deutlich weniger, als es in Deutschland Atomkraftgegner gibt. Somit gibt es für die Anbieter sauberen Stroms noch erhebliches Expansionspotenzial.

Eine Studie der Fachzeitung Energie & Management hatte Ende Juni nach einer Umfrage bei den Anbietern zwar immerhin die Zahl von 2,1 Millionen Ökostromkunden in Deutschland ermittelt, dabei waren jedoch auch all jene Kunden mitgezählt worden, die von Atomfirmen Ökostrom beziehen. Selbst Vattenfall schlägt in dieser Statistik mit 18.000 Ökostromkunden zu Buche, weil das Unternehmen am Rande auch Ökostrom vermarktet.

Auch die großen Energiekonzerne registrieren eine größere Nachfrage nach Ökostrom. So hat der Essener Stromriese RWE den eigenen Angaben nach im ersten Quartal dieses Jahres nicht nur rund 30.000 Kunden hinzugewonnen, sondern auch 195.000 neue Kunden für sein eigenes Ökostromangebot. Die meisten dieser Wechsler hätten zuvor konventionellen Strom von RWE bezogen, erläuterte ein Firmensprecher der taz.

Dennoch wäre es verfrüht, aus dem Trend nach Krümmel auf eine neue, deutschlandweite Wechselbereitschaft zu schließen. Das Besondere an Vattenfall sei, meint Fachmann Thorsten Storck, dass der Konzern mit den Gebieten Hamburg und Berlin in besonders umkämpften Märkten tätig sei und die dortigen Kunden eher zum Wechsel bereit seien.

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7 Kommentare

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  • T
    Thomas.Sankara.in.memoriam

    @ Jens: D a s i s t f a l s c h !

     

    Davon abgesehen ist es aber richtig, dass jahrzehnte lange falsche Energiepolitik umso schwerer zu korrigieren ist, je mehr solche Leute wie du oder frau merkel und andere, diese innovation bremsen.

  • J
    jens

    an alle die meinen, sie hätten ÖKOSTROM, wenn sie zu einem anbieter wechseln.... Der Strom, der nachts den Kühlschrank kalt hält, der die "Öko"-Wärmepumpe betreibt und nachts die Wäsche trocknet und den Radiowecker des nachts nicht ausgehen läßt. DIESER STROM wird aus KERNENERGIE bereitgestellt: Ob Öko oder nicht, der Strom kommt aus der Steckdose und dieser Strom kommt aus unseren Kernkraftwerken unseren Braunkohlekraftwerken etc.! Und eben nicht aus abgeschriebenen Wasserkraftwerken die irgendwo in Schwede liegen!

  • S
    shenanigans1983

    @alex: Elektrizitätswerke Schönau (EWS) ist kein reiner Ökostromanbieter... Aber wenn ich mich recht erinnere liegt er auch vieler Privatpersonen -- er produziert außerdem keinen Atomstrom oder Kohlestrom... Aber er ist wie gesagt kein reiner Ökostromanbieter.

     

    Das habe ich noch nie verstanden: wie kann man Ökostrom von einem Atomstromlieferanten beziehen? Wo liegt darin der Sinn? Die Herren von RWE, Vattenfall, EnBw und co. reiben sich natürlich durch solches Greenwashing die Hände -- ist doch wunderbar, das Geld wird dann in Atom/Kohleprojekte umgeleitet... Aber man macht ja jetzt auch so'n bisschen Öko und bekämpft mit Lobbyismus gleichzeitig auf jeder Ebene sauberere Energieformen...

  • L
    Lope

    Nun kann der reuige Atomstromkunde, zur Schein-Buße, selbst Greenwashing betreiben. Super! Den undurchsichtigen Öko-Tarifen der Atomstromanbieter sei Dank.

    Diese "Wechsel" gehören eher in die Kategorie Mode oder Trend - "Ich hab jetzt den Öko-Tarfif von Vattenfall, toll oda?" - mit einer Übernahme von Verantwortung durch den Kunden hat das nichts zu tun. Spätestens bei der nächsten Stromrechnung, wird der innere "Geiz-ist-geil" - Schweinehund wieder von seinem Ofen hervorgelockt und das Krümmelmonster ist gleich wieder vergessen.

  • V
    vic

    Das will mir einfach nicht in den Kopf. Wie kann jemand der AKWs nicht will, trotzdem weiterhin dafür sorgen, dass deren Betrieb ökonomisch sinnvoll bleibt.

    Es wird dann keine AKWs mehr geben, wenn der Unterhalt teurer wird als zu erwartende Einnahmen.

    Und das liegt nur in unseren Händen.

    Übrigends, es gibt einen neuen "Vorfall" in der Asse. (15.07.09, ca 5.30h in D-Radio gehört)

  • PW
    P. Wald

    ICH produziere keinen Atommüll

     

    Immer mehr Mülltonnen von Privathaushalten tragen folgenden Aufkleber: „WIR produzieren keinen Atommüll - WIR beziehen Ökostrom aus Schönau.“ Mit der Atomindustrie kann es, so im CDAK-Bundesverband organisierte CDU/CSU-Atomkraftgegner, keine Koexistenz geben. Wie sich die Atomwirtschaft auf Kosten der Allgemeinheit bereichert, steht hier:

    http://www.fair-news.de/news/--+/22508.html

  • A
    alex

    Vier Ökostromanbieter, oder die fünf aufgezählten?

     

    Was ist denn das neue Öko-Angebot von RWE? Doch hoffentlich nicht diese unsägliche Atomstromkampagne mit Trio? Allein dafür gehört doch die komplette Führungsetage vor die Tür gesetzt. Als eine der genannten wechselwilligen Kundinnen hab ich von RWE-Öko noch nichts gehört, aber sehr wohl die Propaganda für dauerhaft billigen Atomstrom bekommen.

     

    Es fehlt nur noch ein kleiner Arschtritt. Wer hat schon Lust, seine Freizeit damit zu verbringen, günstigste und/oder korrekteste Strom-, Telefon-, Gas- und Sonstwas-Anbieter zu suchen und permanent zu wechseln? Wär das korrekt, hätte ich das alles gerne wieder ordentlich staatlich. Aber dazu bedarf es wohl größerer Änderungen.