Umstrittenes Moralgesetz in Litauen: Schutz vor Homosexualität
Das Parlament in Litauen will Jugendliche zukünftig vor Homosexualität, Gewaltfilmen, Glücksspielen und Hypnosen schützen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das "Zensurgesetz".
STOCKHOLM taz | "Wir wollen die Grundlage für eine körperlich und geistig gesunde neue Generation legen, die vor der verrotteten Kultur, die sie sonst überschwemmen würde, geschützt wird." So begründet Petras Grazulis, Parlamentarier der nationalkonservativen "Für Ordnung und Gerechtigkeit", warum er und eine überwältigende Mehrheit von 87 gegen 6 Abgeordneten - bei 25 Enthaltungen - am Dienstag im litauischen Parlament erneut ein umstrittenes "Moralgesetz" verabschiedet haben. Gegen das frühere Veto des Staatspräsidenten.
Das Gesetz will offiziell dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor "schädlichen Informationen" dienen. Minderjährige sollen davor bewahrt werden überhaupt mit "positiv gefärbten" Darstellungen über Homo- und Bisexualität, Gewalttaten, Glücksspiele, Hypnose und paranormalen Phänomenen in Kontakt zu kommen. Auch "ausfällige Sprache" und Werbung für "schädliche Verhaltensweisen bei Ernährung, körperlicher Betätigung und Hygiene" soll bestraft werden.
Laut Verfassung muss Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite das Gesetz nach der erneuten Behandlung im Parlament binnen drei Tagen unterschreiben. GegnerInnen bleibt dann nur noch der Weg vors Verfassungsgericht oder den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg. "Anstatt sie zu schützen, beraubt das Gesetz Jugendlichen ihrer Informations- und Meinungsfreiheit", schreibt Amnesty International in einer Presseerklärung. "Humans Rights Watch" kritisiert es als "reaktionäres und gefährliches Zensurgesetz". Die litauische Gay-Organisation LGL wirft der Parlamentsmehrheit vor, mit der Verbannung jeglicher Diskussionsmöglichkeit solle "Homophobie institutionalisiert werden". Wie das Gesetz, das am 1. März 2010 in Kraft treten soll, in der Praxis funktionieren wird, ist noch unklar. Auf die Ausführungsbestimmungen darf man gespannt sein.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen