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die wahrheitDie grausame Rache des grinsenden Beduinen

Geschichten zum Winden - Heute: In einer kleinen Kammer mitten in einer orientalischen Todeswüste liegt der ekligste Ort der Welt.

Irgendwo gleich hinter den Dünen befindet sich die Grenze zwischen heller Wüste und düsterer Unterwelt. Bild: ap

Dringender Warnhinweis: Personen mit einer niedrigen Ekeltoleranz, einem schwachen Magen oder etwa Halswirbelschäden sollten wegen der hohen Windungsgefahr von der Lektüre dieses Wahrheit-Textes absehen.

Wo liegt der ekligste Ort der Welt? In der Fremde. Um aber seine genaue Lage zu bestimmen, brauchen wir das Rüstzeug wissenschaftlicher Ratio. Denn um sich diesem düsteren Ort zu nähern, müssen wir zunächst eine Frage beantworten: Was ist überhaupt Ekel? Würden wir uns, allein von Gefühlen geleitet, dorthin vorwagen, könnten wir den ekligsten Ort der Welt nicht ertragen und auch niemals von dort zurückkehren.

Nehmen wir deshalb als Schutzschild das berühmte Beispiel aus der französischen Schule der Psychoanalyse: Spuck in ein Glas, und trink danach den Inhalt. Sofort steigt ein sagenhaftes Ekelgefühl in einem auf, und das ist sehr gut. Verdeutlicht diese Metapher doch, dass Ekel eine Grenze markiert zwischen dem eigenen Körper und dem fremden Anderen. Die Grenze ist an den oberen und unteren Öffnungen des Körpers installiert. Wenn diese Schwelle zwischen Innen- und Außenwelt überschritten wird, kommt Ekel auf, der allerdings nicht natürlich entstanden ist, sondern sich kulturell entwickelt hat. Verantwortlich für die Ekelgrenzen sind Sitten und Regeln, die in einer Kultur festgelegt sind. Das bedeutet dann aber, dass sich jede Form von Ekel aushalten lässt, weil man kulturelle Grenzen auch verschieben oder auflösen kann, um so das Fremde zu verstehen und zu akzeptieren. Theoretisch.

Praktisch befinden wir uns in der Wüste, genauer: in der Todeswüste Ramlat al-Wahiba, in der selbst um 18 Uhr noch immer eine Temperatur von 50 Grad Celsius herrscht. Dankbar nimmt der Reisende deshalb die Einladung eines Wüstenbewohners in sein Zelt an. Beduinen können unbeschreiblich gastfreundlich sein. Also hockt man sich gern hin auf den Teppichboden zum Herrn des Hauses im Kreise seiner Söhne. Nach Landessitte bieten die Frauen Tee und Essen an. In die Mitte der Runde stellen sie eine Schale mit einer Art Couscous, das man gemeinsam mit bloßer Hand verspeist, sowie eine Wasserschüssel zum Säubern der Hand, mit der man zulangt. Allerdings bemerkt der Gast nach einer Weile, dass der Dolmetscher allenfalls die Hälfte der Worte seines einer europäischen Sprache nicht mächtigen Gastgebers übersetzt. Der Hausherr kaspert lautstark mit seinen Söhnen herum und macht sich offenbar über die langen Haare des Gastes lustig, die für den Gastgeber ein Zeichen sind, dass der Gast schwul und pervers ist, was für den Gastgeber dasselbe ist, wie er seiner Familie gestenreich zu verstehen gibt.

Dass der Gastgeber über seinen Gast kübelweise Hohn und Spott ausschüttet, ist nicht weiter schlimm - wenn er meint, solche Manieren einem Fremden gegenüber an den Tag legen zu müssen, dann soll er das bitte schön tun unter seinem Dach. Verwerflich ist auch nicht, dass er ihn für schwul hält - solche irrigen Anfeindungen müssen an einem vernünftigen Menschen abprallen. Widerwärtig aber ist, dass der Gastgeber den Gast für so dumm hält, dass er die offenen Anspielungen nicht versteht. Da hilft nur eins: Rache.

In dieser Gegend der Erde gilt die linke Hand als unrein. Man trennt zwischen schlechter linker und guter rechter Seite. Mit links darf man nicht grüßen und keine Gegenstände reichen und vor allem nicht essen. Denn mit der Linken wischt man sich den Hintern ab, und die Rechte führt man zum Mund. Da ist es sehr wirkungsvoll, dem Gastgeber fest in die Augen zu blicken, zu lächeln und gleichzeitig, ohne mit der Wimper zu zucken, zuerst mit der Linken ins Couscous zu greifen, um danach dieselbe beschmutzte Hand ins Wasser gleiten zu lassen. Sofort erstarrt dem Gastgeber das feiste Grinsen im Gesicht. Er hat die Kriegserklärung verstanden und klatscht in die Hände, um die Runde aufzulösen. Doch hat der Gast nicht mit der Ekelkampfkraft des Gastgebers gerechnet, der sich sicher sein kann: Kommt Zeit, kommt Alarm im Darm.

Kurz nach dem ungewohnten Essen meldet sich die Verdauung des Gastes, und der Gastgeber kann seine ärgste Waffe im Ekelkrieg einsetzen. Sein wiedererwachtes Grinsen hätte jedem Warnung genug sein müssen. Er lässt den Gast hinter das Zelt in ein verfallenes Fort führen, in eine versandete Ruine mit einer kleinen gemauerten Kammer ohne Fenster. Das Ziel ist erreicht: der ekligste Ort der Welt.

Ein bestialischer Gestank, gepaart mit einem diabolischen Dunkel empfängt den Gast, dessen Augen sich nur langsam an die braune Düsternis gewöhnen. Dunkelbraun ist die vorherrschende Farbe, die der Innenarchitekt des Grauens für seine kleine Hölle gewählt hat, über der nur ein Schild mit den Worten Dantes fehlt: "Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren."

In der Mitte führt ein winziges Loch in die Unterwelt. Drumherum aber sind sämtliche Mauern, sind Boden, Decke und alle vier Wände von oben bis unten mit menschlichen Ausscheidungen komplett zugeschmiert. Kaum ein Flecken Mauerwerk ist frei, deutlich sind Handabdrucke zu erkennen von verzweifelten Besuchern, die sich nicht anders zu helfen wussten, als erst mit der Linken den Kot vom Körper zu entfernen, um ihn dann an den Wänden abzustreifen.

An diesem Ort des Schreckens gib es kein Wasser, kein Papier, keine Pflanze, kein Blatt, keinen Halm - es gibt nichts als nur menschliche Exkremente. Mitten im Orkus des Ekels steht man einsam und verlassen da, und ein Würgen, das langsam aus dem Magen den Hals hinaufklettert, lässt einen schier wahnsinnig werden.

Ekel ist auch nur ein Reiz; Ekel ist nichts Natürliches, sondern wird erlernt; Ekel ist nur eine kulturelle Grenze, die sich beliebig verschieben lässt, hallt die Theorie aus sehr weiter Ferne im Kopf wider, während urplötzlich alles, einfach alles aus sämtlichen Öffnungen des geschüttelten Körpers hervorbricht. Jetzt nützt keine intellektuelle Rüstung mehr. Schöne Scheiße.

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1 Kommentar

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  • RH
    Rima Haj Kheder

    Des blödsinnige Schreiben des diskriminierenden Redakteurs

     

    Wenn wir uns dem Aussagegehalt des vorangegangen Artikels nähern wollen, sollten wir uns das Instrumentarium der literaturwissenschaftlichen Analyse zu eigen machen, intellektuell verstehen, was in komischer Form unser Empfinden anspricht.

    Es handelt sich um Satire. Die Satire dient der Kritik, eine mangelhafte Wirklichkeit wird einem Ideal gegenübergestellt (Hier: der homophobe Beduine/Araber, der nicht weiß, wie man ein Scheißhaus saubermacht versus der tolerante Westler, der schon weiß, was Hygiene ist).

    Die Satire ist oft didaktisch, sie belehrt, will bessern (Würde der Beduine/Araber endlich lernen, wie man Scheiße entsorgt, dann wäre er auch so schön tolerant wie der langhaarige Westler). Satire kann auch polemisch sein, einseitig, parteilich, sie agitiert. (Hier: Ihr toleranten Abendländer, Freunde der Aufklärung und Gerechtigkeit,habt Acht, damit der stinkende, homophobe Beduine/Araber nicht seine Wüstenkloaken nicht gen Okzident ausschüttet, und wir alle in seiner homophben Scheiße versinken). Manchmal will die Satire auch einfach nur unterhalten (Hier: Was ist lustiger als ein stinkender Beduine/Araber, ein bißchen ekelig vielleicht, aber lustig!).

    Aber lassen wir es doch einfach weg, unser intellektuelles Rüstzeug, die Theorie, die uns die Eigenart des Humors von jedem verstehen helfen kann