Suche nach Sexualverbrecher: Letztes Mittel Rasterfahndung

Sachsen-Anhalts Polizei will angeblich in vier Bundesländern mit Rasterfahndung nach einem Sexualstraftäter suchen. Die Behörden sind verwirrt, die Methode ist umstritten.

Fest steht, dass die bundesweite Rasterfahndung nach so genannten Schläfern in der Zeit nach dem 11. September 2001 verfassungswidrig war. Bild: illustration/dpa

Es könnte eine der größten Rasterfahndungen der Bundesrepublik werden: Um einen Sexualstraftäter zu fassen, will die sachsen-anhaltinische Polizei laut dem Radiosender MDR Info die Daten aller Männer zwischen 30 und 50 im Großraum Halle, Berlin, im thüringischen Jena und im sächsischen Borna mit dem Täterprofil abgleichen. "Für Halle und den Saalekreis liegt uns ein entsprechender Beschluss vor", bestätigte Siegfried Koch von der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd in Halle der taz. "Von Beschlüssen für die anderen Städte wissen wir derzeit nichts."

Der Täter soll in den Jahren 2002 bis 2008 sieben junge Mädchen auf dem Heimweg von der Schule sexuell missbraucht haben. Fünf Delikte beging der Mann laut Koch in Halle, und eine Tat jeweils in Berlin und in Jena. "Der Modus Operandi ist derselbe, so dass wir in Berlin und Thüringen vom selben Täter ausgehen wie in Halle", sagte Koch.

Laut Beschreibungen von Zeugen ist der Mann zwischen 30 und 50 Jahren alt, 1,65 bis 1,85 Meter groß, spricht mit hallischem Akzent und hat kurze dunkle Haare mit ausgeprägten Geheimratsecken. Bei allen Taten hinterließ der Täter laut Polizeisprecher Koch DNA-Spuren. In Halle und Umgebung habe die Fahndung bereits begonnen.

Laut Koch greift die Polizei zum Mittel der Rasterfahdnung, weil auch eine Massenspeichelprobe von 6.500 Männern die Ermittler nicht zum Täter führte. "Wir greifen sozusagen zum letzten Mittel", sagte Koch. Dabei werden nach MDR-Informationen die Daten der Rentenversicherung, der Einwohnermeldeämter und der Betriebe mit dem Täterprofil abgeglichen.

Bisher ist noch vieles unklar: Erstens ist nicht sicher, ob überhaupt außerhalb von Sachsen-Anhalt gefahndet wird. In Berlin beispielsweise konnte am Sonntag die Innenverwaltung keine Auskunft geben - man wisse von der Fahndung nichts. Die Polizei verwies auf die Kollegen in Halle. Warum Borna auf der MDR-Liste auftaucht, konnte Sprecher Koch nicht sagen.

Zweitens sind die Kriterien der Fahndung nicht bekannt. Sollten wirklich alle Männer von 30 bis 50 Jahren gerastert werden, wäre das ein großer Aufwand - zumal die Daten der Unternehmen nicht alle zentral gespeichert sind. Somit ist auch nicht klar, wie viele Menschen diese Fahndung letztlich betrifft. Polizeisprecher Koch konnte dazu nichts sagen und verwies auf die Staatsanwaltschaft Halle. Dort war der Verantwortliche jedoch in den Urlaub gefahren, sein Stellvertreter wollte sich erst am Montag nach Rücksprache mit den Vorgesetzen äußern.

Die Rasterfahndung ist als polizeiliches Instrument äußerst umstritten. Schließlich läuft sie dem Prinzip der Unschuldsvermutung zuwider, laut dem erst bei einem begründeten Verdacht gegen jemanden ermittelt wird. Außerdem ist die Zahl ihrer Erfolge recht übersichtlich. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 durchforsteten die Landeskriminalämter in allen 16 Bundesländern insgesamt 8,3 Millionen Datensätze. Ergebnis: ein Ermittlungsverfahren in Hamburg. Das wurde allerdings eingestellt.

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