Schwächeanfall des Präsidenten: Staatskörper Sarkozy

Nach dem Schwächeanfall von Nicolas Sarkozy beim Joggen fachsimpeln Sondersendungen über den Präsidentenleib, als sei er Eigentum der Nation.

Gibt sich gerne fit wie ein Turnschuh: Nicolas Sarkozy. Bild: reuters

An dem Sonntag im Juli, an dem die Tour de France in Paris ankommt, beherrschen sonst Radrennfahrer die Nachrichten. Doch dieses Mal hat der französische Staatspräsident ihnen die Schau gestohlen. Nicolas Sarkozy tat es ebenfalls mit Leibesübungen. Allerdings endeten sie nicht auf einem Podium. Sondern mit einem Schwächeanfall am Boden.

Der Patient Sarkozy verließ schon 20 Stunden später - am Montagvormittag - das Krankenhaus. Und der Élysée-Palast erklärt in einem dritten Medizin-Kommuniqué binnen 24 Stunden, alles sei in Ordnung: das Herz, der Stoffwechsel und das Hirn. Doch für die Karriere von Sarkozy, der sein relativ junges Alter, seine Energie, seine Muskeln und seine Schweißflecken als politische Argumente benutzt hat, wird das Spuren hinterlassen. Am 26. Juli haben alle gesehen: Die Kraft des Präsidenten ist endlich.

Der 54-Jährige hatte es für angemessen gehalten, am Sonntagmittag um 12 Uhr, bei 30 Grad im Schatten mehr als eine Dreiviertel Stunde lang durch den Schlosspark von Versailles zu joggen. Spaziergänger beobachteten einen Sarkozy, der "müde" wirkte und seine Füße mehr schleppte als schwang, bevor er zu Boden ging. "Ohnmächtig", meinen die Augenzeugen aus dem Park. "Der Präsident verlor zu keinem Zeitpunkt das Bewusstsein", korrigiert ein Kommuniqué des Élysée-Palastes. Jedenfalls kümmerte sich der Leibarzt, der nie weit ist, wenn Sarkozy irgendwo auftaucht, um den Präsidenten, bevor ein Hubschrauber ihn in das Pariser Militärkrankenhaus Val de Grace flog.

Kaum liegt Sarkozy am Boden, ändern die Fernsehsender ihr Programm. Journalisten in für die Hochsommerzeit auffallend dunkler, vereinzelt auch schwarzer Kleidung, moderieren Sondersendungen. Lehnen sich einen Nachmittag und Abend lang über den präsidentiellen Körper, als gehörte er der ganzen Nation. Besprechen seine Essgewohnheiten. Seine Diäten (Sarkozy hat in den letzten Wochen sieben Kilo verloren). Und seinen Sport. Und bringen dem großen Publikum einen Ausdruck näher, den zuvor nur jene kannten, die selbst schon einen Schwächeanfall erlitten haben: "malaise vagale" - eine mit Ohnmacht einhergehende Kreislaufstörung.

Die präsidentielle Gesundheit ist in Frankreich ein heikles Thema. Seit Georges Pompidou haben alle Staatspräsidenten medizinische Bulletins veröffentlicht. Doch zuletzt hat der Fall François Mitterrand gezeigt, dass "Transparenz" nicht unbedingt "Durchsichtigkeit" bedeutet. Mitterrand fälschte elf Jahre lang die Bulletins, um seinen Prostatakrebs, an dem er letztlich starb, zu kaschieren. Sarkozy hat vor seiner Wahl angekündigt, dass er alljährlich ein Gesundheitsbulletin veröffentlichen werde. Doch kaum im Amt, verheimlicht er Ende 2007 einen chirurgischen Eingriff in seinem Rachen. Und im ganzen vergangenen Jahr sagt er überhaupt nichts Medizinisches über sich. Erst Anfang dieses Monats - 23 Tage vor dem Schwächeanfall beim Joggen - setzt der Élysée-Palast einen knappen Text auf seine Homepage. Die Blut- und Herzwerte des Präsidenten sind normal, hieß es darin.

Während die Fernsehsprecher medizinisch fachsimpeln und die Verfassungsbestimmungen für den Fall einer Vakanz an der Staatsspitze erörtern (in dem Fall übernimmt der Chef des Senats die Geschäfte bis zu Neuwahlen), und während die meisten politisch Verantwortlichen dem Präsidenten gute Besserung wünschen, geht es in den Chatrooms am Sonntagnachmittag hoch und hämisch her. "Warum joggt Sarkozy an einem ganz normalen Arbeitstag?", fragt ein Internaut auf der Homepage von Le Monde. Er spielt auf die in der vergangenen Woche gesetzlich ausgeweitete Sonntagsarbeit an. "Wenigstens muss er nicht drei Stunden vor der Notaufnahme warten, bis sich jemand um ihn kümmert", höhnt ein anderer, der die kalamitöse Lage in den Krankenhäusern meint. "Vorsicht Kostenexplosion", witzelt ein Dritter. Und mahnt: "So kurz wie möglich im Krankenhaus bleiben."

Nun rächt sich, dass Sarkozy jedes Detail persönlich regelt. Wie in einem mittelständischen Unternehmen organisiert der Patron alles: von der Verfolgung der Internetpiraterie über den Verkauf von Atomkraftwerken bis hin zur Eröffnung einer neuen Militärbasis.

Am Morgen danach, als Sarkozy lächelnd das Krankenhaus verlässt und die Fernsehsender wieder live berichten, teilt der Élysée-Palast mit, der Präsident werde sich zwei Tage ausruhen und dann in Urlaub fahren. Zu einer Änderung seines Lebenswandels bestehe kein Anlass.

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