piwik no script img

Strategie gegen sexuelle GewaltVergewaltigung als Kriegsführung

Die UNO und die USA wollen ein international koordiniertes Vorgehen gegen sexuelle Gewalt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert eine durchdachte Strategie.

UN-Generaldirektor Ban Ki Moon fordert eine internationale Strategie gegen sexuelle Gewalt in Kriegsgebieten. Bild: dpa

BERLIN taz | Sexuelle Gewalt ist ein Mittel der Kriegsführung geworden. Es ist aus Ex-Jugoslawien, Ruanda, Afghanistan und Sierra Leone bekannt und wird derzeit vor allem im Osten der Demokratischen Republik Kongo sowie in Sudans Westregion Darfur beobachtet, wo die Zahl der Betroffenen jeweils in die Hunderttausende geht.

In seinem jüngsten Bericht zum Thema vom 15. Juli nennt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drei Faktoren, die dieses Phänomen begünstigen: mangelnder Schutz von Zivilisten; mangelnde Strafverfolgung; andauernde Geschlechterdiskriminierung. Diese drei Themen will der UN-Generalsekretär nun zum Kern einer internationalen Strategie machen, über die am vergangenen Freitag der UN-Sicherheitsrat eine ganztägige Debatte führte.

Es gibt viele Ebenen einer solchen Strategie, vom Ausschluss sexueller Kriegsverbrechen aus Amnestieklauseln in Friedensverträgen bis zur Bereitstellung von Solarkochern in Flüchtlingslagern, damit Frauen nicht mehr im Busch Feuerholz sammeln und sich damit Überfällen aussetzen müssen.

Was die UNO selbst angeht, definiert bereits die UN-Resolution 1820 vom 19. Juni 2008 "Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt" als justiziables "Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder konstitutiver Akt eines Völkermordes". Auch gezielte Sanktionen gegen Kriegsparteien, die sexuelle Kriegsverbrechen begehen, sind bereits möglich.

Vor dem Sicherheitsrat forderte Ban in seiner Eröffnungsrede am Freitag eine unabhängige Untersuchungskommission unter der Ägide der UN-Menschenrechtskommission, um die Situation in Tschad, Sudan und dem Kongo zu durchleuchten und "dem Rat die effektivsten Mechanismen vorzuschlagen, wie man Verantwortlichkeit für diese ungeheuerlichen Verbrechen herstellt".

Die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, schlug darüber hinaus vor, in den nationalen Justizsystemen der betroffenen Länder spezielle Kammern einzurichten, um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit "mit einem Fokus auf sexuelle Gewalt" abzuurteilen. Die meisten der 44 Länder, die danach das Wort ergriffen, stellten sich hinter Bans Forderungen. Deutschland sprach in der Debatte nicht.

Bleibt die Frage der praktischen Konsequenzen. Die Frage, wie weit die internationale finanzielle und materielle Unterstützung von Kongos Regierungsarmee gehen kann, deren Soldaten ungestraft vergewaltigen. Diese Frage wird zwar von Geberregierungen diskutiert, aber noch nicht öffentlich gestellt.

Die ruandische Hutu-Miliz FDLR, deren Mitglieder im Ostkongo als zweite Hauptverantwortliche für sexuelle Kriegsverbrechen gelten, wird nach wie vor von westlichen Ländern gedeckt - so beherbergt Deutschland FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka als politischen Flüchtling. Das UN-Sanktionskomitee zur Überwachung des Waffenembargos gegen Kongos bewaffnete Gruppen prüft die Rolle europäischer Finanzsysteme bei der Verwendung von FDLR-Einnahmen aus dem Rohstoffhandel im Ostkongo für Waffenkäufe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • B
    Britt

    Danke an die taz, dass sie als eine der wenigen Zeitungen in Deutschland regelmäßig den Gebrauch von Vergewaltigungen als Kriegswaffe thematisiert.

  • PL
    Pippi Langstrumpf

    Sexuelle Gewalt ist mindestens schon seit Jahrhunderten Kriegsstrategie. Nur weil sie erst seit kurzer Zeit auch in den Köpfen meist männlicher Politiker angelangt ist - zumindest teilweise, halbherzig und zähneknirschend - heißt das nicht, dass sexuelle Gewalt, wie z.B. Vergewaltigung, als Strategie in Kriegen ein neueres Phänomen ist.

     

    Fragt sich nur warum Vergewaltigung erst seit ca. einem Jahr als Kriegsverbrechen definiert wird, konsequent tabuisiert wurde und wird* und warum in Kriegsverbrechensverfahren gegen Menschen wie Slobodan Milosevic die massenhafte und organisierte sexuelle Gewalt dennoch nicht als Anklagepunkt auftaucht.

    Weil maßgeblich Frauen betroffen sind und es - wie immer gern proklamiert - "wichtigere Probleme" gibt als deren "Wehwehchen"?

     

     

    * Was ist z.B. mit den deutschen Soldaten, die im 2. Weltkrieg Osteuropa überfallen haben? Noch mehr Tabu, weil hochgradig idealisiert: Was ist mit den Soldaten der Alliierten aus Großbritannien, UDSSR, Frankreich und USA?

  • A
    aso

    „...Was hat denn Vergewaltigung mit diesen religiösen Konflikten zu tun?

    Unglücklicherweise alles. Das von der Al-Azhar Universität – der am meisten respektierten Autorität innerhalb des sunnitischen Islam – gebilligte islamrechtliche Manual ’Umdat al-Salik setzt folgendes fest: “Wenn ein Kind oder eine Frau gefangen genommen werden, so befinden sie sich kraft ihrer Gefangennahme unverzüglich im Sklavenstatus und die vorgängige Ehe der Frau wird aufgelöst.“

    Warum? Damit sie „frei“ sind, die Nebenfrauen ihrer Besitzer zu werden. Der Koran erlaubt muslimischen Männern Geschlechtsverkehr mit ihren Frauen und ihren Sklavenmädchen zu haben: “Verboten sind für euch ... verheiratete Frauen außer denen welche ihr als Sklavinnen besitzt“ (Sure 4, Vers 23 und 24)...“: