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Selbstmord in AbschiebehaftLebensgefahr verkannt

Ein Abschiebehäftling bringt sich um, nachdem ein Psychiater die Diagnose "Suizidgefahr" verworfen hat. Nun steht der Arzt vor Gericht.

Hinter diesen Mauern erhängte sich Mustafa Alcali: die Haftanstalt Frankfurt-Preungesheim. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN taz Eine genervte Amtsrichterin, ein 82-jähriger Angeklagter ohne Schuldbewusstsein, ein zorniger Vertreter der Nebenklage, das ist übrig geblieben vom Leben des 30-jährigen Kurden Mustafa Alcali. Er erhängte sich am Morgen des 27. Juni 2007 mit einem zerrissenen T-Shirt in seiner Abschiebezelle der Haftanstalt I in Frankfurt-Preungesheim. Der Psychiater Heinrich W. ist angeklagt, Schuld an seinem Tod zu tragen durch fahrlässige Tötung.

W. arbeitete 2007 als selbstständiger Facharzt stundenweise in der psychiatrischen Abteilung des Gefängniskrankenhauses Kassel. Der Gefangene wurde dort am 16. Juni auf Anweisung des Amtsgerichts Hanau eingeliefert. Im Gepäck hatte er einen Kurzbericht, der ihm eine paranoide Schizophrenie und Suizidgefahr attestierte.

Alcali hatte sich im Mai in der Fußgängerzone in Hanau mit Benzin übergossen, Passanten bespritzt, getobt und gedroht, sich und andere anzuzünden, weil er in die Türkei abgeschoben werden sollte. Er wurde in die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Hanau gebracht. Dort untersuchten die Ärzte den verwirrten Mann, der schon vorher psychiatrisch behandelt worden war und an Wahnvorstellungen litt. Sie bescheinigten ihm, dass er schwer gestört sei, und wollten ihn weiterbehandeln lassen. Das Hanauer Amtsgericht ordnete stattdessen an, dass er zwecks Vorbereitung der Abschiebung nach Kassel verlegt wird.

Heinrich W. quittierte seinen Dienst nach 53 Berufsjahren im Todesmonat von Alcali. Er sagte vor Gericht aus, er habe sich mehrfach mit dem Gefangenen unterhalten und keine Suizidgefahr feststellen können. Der vorbestrafte Angeklagte, der schon einmal abgeschoben worden war, habe normal gewirkt. Vielleicht habe er Angst vor der Abschiebung gehabt und aus seiner Isolierzelle herausgewollt.

Alcali habe ihm Geschichten von der Ausbildung als PKK-Kämpfer erzählt, von Fahnenflucht, Geheimdienstkontakten und abenteuerlicher Rückkehr zur Familie nach Deutschland. Im Irak und in den Niederlanden sei er einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Er habe heiraten wollen. Hellhörig sei er bei dem Hinweis geworden, erklärte W., dass Alcali öfter gekifft habe. Er kenne die von Hanauer Kollegen beschriebenen Symptome. Sie seien die Folge von Haschischrauchen "wie aus dem Handbuch für Drogenabhängige".

W. hielt seinen Patienten für reisefähig, Rücksprache mit der Hanauer Psychiatrie nahm er nicht. Deren völlig andere Einschätzung erklärte er zum Gefälligkeitsgutachten von "Gutmenschen", die ihn, den Erfahrenen, hereinlegen wollten: "Ich war misstrauisch! Ich kannte meinen Pappenheimer!" Und: "Ich fühlte mich auch ein bisschen verletzt, weil ich davon ausging, dass die mich für einen Idioten halten." Er schickte Alcali auf Abschiebetransport nach Frankfurt.

Warum er ihm allerdings trotzdem starke Psychopharmaka mitgab, blieb im Gerichtssaal ungeklärt. Die Krankenakten aus Kassel und Frankfurt sind dürftig. W. erinnerte sich, er habe verordnet, dass der Patient seine Medizin "bis zum Flughafen" nehmen solle, weil sie "dämpfend" wirke - und "falls doch Suizidgefahr" bestehe.

Fest steht, dass der Frankfurter Gefängnisarzt Knut S. den Neuankömmling auf Bitten des Wachpersonals untersuchte, dem der Mann auffiel. Er setzte die Medikamente auf einen Schlag ab. Dass eine solche abrupte Unterbrechung der Einnahme starker Psychopharmaka fatale Wirkung haben und verstärkend auf psychische Leiden wirken kann, berücksichtigte er nicht. Rechtsanwälte und Ärzte, die parallel versuchten, die Kette der Fehlentscheidungen zu revidieren, kamen zu spät. Das Urteil wird für diesen Donnerstag erwartet.

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24 Kommentare

 / 
  • CR
    christine rölke-sommer

    was ich vermisse, das ist der artikel über den ausgang des verfahrens!

    möchtet ihr den - also den ausgang des verfahrens - lieber nicht diskutiert haben? das fände ich schade, denn ... dieser freispruch ist einer aus wackelpudding!

    also?

  • CR
    christine rölke-sommer

    @aso

     

    andersherum geht es los: verfolgung (mittelbare oder unmittelbare politisch motivierte) ist ein rechtsfreier raum. bedeutet: der mensch, welcher verfolgung unterliegt, ist rechtlos. den verfolgenden sind rechte egal, sie üben gewalt aus.

    demgegenüber sollte asylrecht allerdings ein raum des rechts sein. sollte - denn so, wie seit den 70-ger jahren das bundesrepublikanische asylrecht von einer reform zur nächsten ausgedünnt und weitestgehend von der GFK abgekoppelt wurde, ist da von asyl-recht nicht sehr viel übriggeblieben. von abschiebung/ausweisung/drittstaat dafür umso mehr. so viel mal zu den formalien (obwohl das wirklich nur ne kurzfassung ist).

    zum materiellen führt Ihr kommentar sehr schön vor, woran das deutsche asylrecht krankt. nämlich daran, flüchtlingen von vornherein die glaubwürdigkeit abzusprechen.

     

    als feigenblatt haben wir jetzt z.b. sonderbeauftragte für traumatisierte. sehr schön! nur: wer ist in der lage zu bemerken, wenn er-sie-es es nicht bemerken will, dass eine person solch eine 'sonderbeauftragte' anhörung braucht? die wenigsten, weil nämlich zuhören und hingucken anstrengend ist, auch für die eigene psychische befindlichkeit. aber manchmal klappt es doch. kommt diese 'sonderbeauftragte' anhörung zustande. was noch nicht bedeutet, dass damit eine anerkennung sicher ist... aber es ist immerhin schon mal ein richtiger schritt. nach dessen vollzug immer noch genug raum bleibt um sich zu streiten, durch sämtliche instanzen der verwaltungsgerichtsbarkeit hindurch, was widersprüche zu bedeuten haben usw.usf.

     

    Ich will damit sagen, dass in dem bereich ein kleines bißche mehr arbeit nötig ist, als mal eben irgendwas pauschal zu verlautbaren - so wie Sie das getan haben.

     

    ob dieser mann, der sich erhängte, am ende 'nur' in die psychiatrie gehört hätte oder tatsächlich einer war, der als asylberechtiger hätte anerkannt werden müssen, kann ich auch nicht sagen. wie auch - ich war mit dem fall nicht befaßt. aber ich kann es auch nicht ausschließen, dass es ein anerkennungsfall gewesen wäre, wenn...

    und dass es diese fälle gibt, erfährt das geneigte publikum ja auch ab und zu aus der presse. wenn das geneigte publikum es lesen will und zur kenntnis nehmen - und nicht lieber mittels platter vorurteile und abschätziger beurteilungen abwehrt.

     

    zu Ihrem 'ausfluß' über millionenbetrug ... na ja. heben wir die residenzpflicht, die kasernierung, das asylbewerberleistungsgesetz und das arbeitsverbot endlich auf! die sind kontra-produktiv, führen nur dazu, dass sich einige deutsche an flüchtlingen bereichern, und fördern ansonsten das, was neuerdings 'sozialneid' genannt wird. und Ihnen dann erlaubt, die eingeschränkte hilfe zum lebensunterhalt nach asylbewerberleistungsgesetz und die miesigkeit der wohnheime gegen den bettler in der fußgängerzone auszuspielen. Bravo! den lassen Sie von der polizei wahrscheinlich erst dann wieder im wald abladen, wenn auch der/die letzte asylsuchende die brd verlassen hat, wallah!

     

    wirtschaftsflüchtlinge? - junger mann, ich fürchte, Sie werden recht bald (wieder) begreifen, was wirtschft alles mit politik zu tun hat!

     

    und - interessant, wie Sie "vergleichsweise günstig" "grundsätzlich scheint" "können ...in einzelfällen" lesen und verstehen. ich nenne so was funktionalen analphabetismus!

     

    @redaktion: sicherheitshalber noch ein mal. denn diese replik, die ich bereits am 14.8. losschickte, scheint ja bis heute nicht angekommen zu sein.

  • A
    aso

    @ Harald Wenk:

    Die Türkei ist ein „dritte Welt“ Land? Wissen die das in Brüssel auch?

    „...Die Zustände in der türkischen Psychiatrie sollen fürchterlich sein, noch schlimmer als in türkischen Gefängnissen....“:

    Dies haben Sie im Selbstversuch getestet?

    Dazu stellt der Flüchtlingsrat im Lagebericht zur Medizinischen Versorgung psychisch kranker Menschen bereits 02 fest:

    „... Die Versorgung psychisch kranker Menschen stellt sich dem gegenüber im Privatsektor vergleichsweise günstig dar...Grundsätzlich scheint die Betreuung psychisch kranker Menschen im medizinischen Bereich,...in den Groß und Provinzstädten der Türkei sichergestellt....“:

    http://www.fluechtlingsrat.org/download/tuerkeilagemed.pdf

    Zur Abschiebepraxis heißt es da:

    „...Bei geplanter Abschiebung/Ausweisung türkischer Staatsangehöriger in die Türkei können die deutschen

    Auslandsvertretungen in Einzelfällen bei der Beschaffung von ärztlichen Stellungnahmen zu Behandlungs- und

    Betreuungsmöglichkeiten in der jeweiligen Region behilflich sein....“

     

    In Hinblick auf die EU-Aufnamegespräche dürfte sich die Gesamtsituation seit 02 noch weiter verbessert haben.

  • CR
    christine rölke-sommer

    @redaktion:

    wie das verfahren ausging, hätte ich auch gern in der taz gelesen!

  • A
    aso

    @ christine rölke-sommer:

    Genau, wir kennen die Abschiebegründe nicht, da kann man nur spekulieren...

    Wie verhält es sich dann mit der zweiten Frage? Aus welchen Gründen auch immer eine Abschiebung stattfand, scheint ihn das nicht sonderlich interessiert zu haben.

    Hier schließt sich meine dritte Frage an. D.h. ist das Asylrecht ein rechtsfreier Raum, so daß eine Abschiebung für einen Asylsuchenden keinerlei Bedeutung hat?

    Man kann es doch offen zugeben: wäre man in ähnlicher Lage, würde man es ähnlich machen, und die Maschen der Gesetze suchen. Ausgestattet mit Tipps und Tricks von Aktivisten a la „Links/Grün“. Als Türke würde man sagen, Kurde, möglichst mit der PKK zu tun gehabt, oder Palästinenser, geht auch immer sehr gut. Psychisch krank ist auch eine Option.

    Die Papiere hat man dann möglichst unterwegs verloren., so kann nichts überprüft werden.

    Soweit die Spielregeln.

    Falls Sie den EU-Beitritt der Türkei befürworten: das beißt sich mit den Asylgründen der Verfolgung dort.

    Und daß grundsätzlich allen Kurden pauschal Asyl zu gewähren sei ist nicht nachvollziehbar:

    Die einzige schrumpfende Minderheit, die tatsächlicher Verfolgung und Diskriminierung in der Türkei ausgesetzt ist, sind die Christen.

    Und Ihrer Lesart folgend, wäre das Asylrecht völlig überflüssig, eigentlich müßten alle Verfolgten unbesehen aufgenommen werden.

    Ja, wozu dann überhaupt noch Grenzen?

    Und die Behauptung, daß dann auch Wirtschaftsflüchtlinge kämen, kann ja nur rassistisch sein:

    http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=5710&key=standard_document_33849118

    Daß die Kassen leer sind, und Sozialgelder sinnvoll verwendet werden sollen leuchtet jedem ein. Insofern ist das Verständnis der arbeitenden Bevölkerung, die auch Wähler sind, gegenüber solchem Millionenbetrug doch arg begrenzt, wenn gleichzeitig in Hannover einem Harz-4 Bezieher wegen Bettelns in der Fußgängerzone mit Abzügen gedroht wird.

    Es gibt aber tatsächlich Leute, die diesen Millionenbetrug ganz toll finden, und nach dem Motto:

    „smash the borders. Der AG Wohlfahrt das Handwerk legen!“ , Aktionen gegen die ermittelnde Behörde starten:

    http://antifako.blogsport.de/2009/07/16/pressemitteilung-aktionen-gegen-die-ag-wohlfahrt-gestartet-farbanschlag-auf-haus-von-landrat/

    Könnte es sein, daß dies die sogenannten „Gutmenschen“ sind?

    Und ist hier der Umgang mit den Steuergeldern „einfach nur widerwärtig“, und mal wieder der Grund für den Zulauf von populistischen Parteien?

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    @aso @rölke-sommer

    Die Zustände in der türkischen Psychiatrie sollen fürchterlich sein, noch schlimmer als in türkischen Gefängnissen.

    Also eine Art Pest-Cholera Alternative für den

    Selbsttöter.

    Das Fehlen von Psychiatrien in dritte Welt Ländern ist eher der mangelnden Effektivität der Behandlungen zuzuschreiben.

    Da sind oft die sehr korrumpierten und lückenhaften traditionellen Verfahren durchaus konkurrenzfähig.

    Für besser Betuchte gibt es da bessere traditionelle Möglichkeiten, weit vor einer pathologischen Psychiatrisierung, mit Yoga und Indien an der Spitze.

    Ethnopsychiatrie ist eine eigene Richtung.

    Es handelte sich aber doch wohl eher um eine politische Selbstmordgeschichte: Ziel war die

    Aufhebung der Ausweisung.

    Die Türkei ist durch das Verbot der Sufiorden von einer halbwegs funktionierenden traditionellen Behandlung von psychischen Krankheiten getrennt und dadurch in einer besonders üblen Lage.

    Fast kruder Aberglauben und schlimmste Zustände Psychiatrie bilden ein Schreckenspaar.

  • BM
    Britt Meyer

    Der Fall ist sicher untersuchungswürdig, aber bei einem Häftling, der droht, "sich UND ANDERE" anzuzünden, fehlt mir, ganz offen gesagt, das Mitleid. Sorry.

  • CR
    christine rölke-sommer

    @aso

    "das wird möglicherweise einen Grund gehabt haben"... wahrscheinlich ja. z.b den, dass entscheidungen über asylanträge von kurden aus der türkei nach dem muster erfolgen: wenn wir den anerkennen, dann müssen wir alle anerkennen. woran ja auch was dran ist - eigentlich müßte das so sein. und als in der BRD lebender asylsuchender endet der mensch auch ganz schnell als vorbestrafter... vielleicht war es der versuch, eines illegalen grenzübertritts? wer weiß?

    Ich weiß es nicht. und Sie wissen es auch nicht! also lassen Sie dieses du(e)nkelhafte rumgemunkel! das ist einfach nur widerwärtig!

  • DH
    Dr. Halrald Wenk

    In unabgesprochener Fortsetzung vom Kommentar von @christine rölke Sommer erinnere ich an das Theorem: Es gibt keine obere Schranke für die menschliche Dreistheit.

    Selbstverbrennungen und Selbstmorde als "politische" Option gibt es schon länger.

    Die Umwandlung in ein psychiatrisches Problem ist völlig inadequat. Die Abweisung der Ernsthaftigkeit der Selbstmordabsichten des Kurden in diesem real verzerrenden psychiatrisachen Dispositiv und das Bestehen auf der Ausweisung ist die Vollendung des nur in diesem psychiatrischen Dispositivs möglichen

    Ausschlusses als anzuerekennendes

    Individuum. Ein Monstrum an Entrechtung.

    Beim Reperaturversuch zur Vermeidung von Wiederholungen sollte man daher auch etwas struktureller, was dieses Dispostiv angeht,

    ansetzten.

  • CR
    christine rölke-sommer

    der bericht macht mich fassungslos - immer noch und immer wieder! wie sich diese denke über "gutmenschen" durchgesetzt hat ... unglaublich. ich hoffe, die genervte amtsrichterin verhängt eine nebenstrafe, nämlich berufsverbot!

  • A
    aso

    „...Der vorbestrafte Angeklagte, der schon einmal abgeschoben worden war,...“:

    Das wird möglicherweise einen Grund gehabt haben, daß er schon mal abgeschoben wurde?

    Fragt sich nur, warum er dann wieder hier war?

    Muß man, um ein Bleiberecht zu erhalten einfach illegal wieder einreisen, um dann zu randalieren, und mit Suizid zu drohen?

    Ist die Türkei ein Dritte-Welt-Land, in der keine psychiatrische Behandlung möglich ist?

    Nicht nachvollziehbar allerdings ist, daß der Frankfurter Gefängnisarzt Knut S. Die Medis auf einen Schlag absetzte.

  • A
    Andi

    Ist doch erstaunlich, dass die fleisigen Forenschreiber hier nichts schreiben, sie sind doch sonst so schnell. Aber ist doch egal, ist doch nur ein Kurde und ein Sozialfall weniger in old Germany, das ist das wichtigste.

  • CR
    christine rölke-sommer

    was ich vermisse, das ist der artikel über den ausgang des verfahrens!

    möchtet ihr den - also den ausgang des verfahrens - lieber nicht diskutiert haben? das fände ich schade, denn ... dieser freispruch ist einer aus wackelpudding!

    also?

  • CR
    christine rölke-sommer

    @aso

     

    andersherum geht es los: verfolgung (mittelbare oder unmittelbare politisch motivierte) ist ein rechtsfreier raum. bedeutet: der mensch, welcher verfolgung unterliegt, ist rechtlos. den verfolgenden sind rechte egal, sie üben gewalt aus.

    demgegenüber sollte asylrecht allerdings ein raum des rechts sein. sollte - denn so, wie seit den 70-ger jahren das bundesrepublikanische asylrecht von einer reform zur nächsten ausgedünnt und weitestgehend von der GFK abgekoppelt wurde, ist da von asyl-recht nicht sehr viel übriggeblieben. von abschiebung/ausweisung/drittstaat dafür umso mehr. so viel mal zu den formalien (obwohl das wirklich nur ne kurzfassung ist).

    zum materiellen führt Ihr kommentar sehr schön vor, woran das deutsche asylrecht krankt. nämlich daran, flüchtlingen von vornherein die glaubwürdigkeit abzusprechen.

     

    als feigenblatt haben wir jetzt z.b. sonderbeauftragte für traumatisierte. sehr schön! nur: wer ist in der lage zu bemerken, wenn er-sie-es es nicht bemerken will, dass eine person solch eine 'sonderbeauftragte' anhörung braucht? die wenigsten, weil nämlich zuhören und hingucken anstrengend ist, auch für die eigene psychische befindlichkeit. aber manchmal klappt es doch. kommt diese 'sonderbeauftragte' anhörung zustande. was noch nicht bedeutet, dass damit eine anerkennung sicher ist... aber es ist immerhin schon mal ein richtiger schritt. nach dessen vollzug immer noch genug raum bleibt um sich zu streiten, durch sämtliche instanzen der verwaltungsgerichtsbarkeit hindurch, was widersprüche zu bedeuten haben usw.usf.

     

    Ich will damit sagen, dass in dem bereich ein kleines bißche mehr arbeit nötig ist, als mal eben irgendwas pauschal zu verlautbaren - so wie Sie das getan haben.

     

    ob dieser mann, der sich erhängte, am ende 'nur' in die psychiatrie gehört hätte oder tatsächlich einer war, der als asylberechtiger hätte anerkannt werden müssen, kann ich auch nicht sagen. wie auch - ich war mit dem fall nicht befaßt. aber ich kann es auch nicht ausschließen, dass es ein anerkennungsfall gewesen wäre, wenn...

    und dass es diese fälle gibt, erfährt das geneigte publikum ja auch ab und zu aus der presse. wenn das geneigte publikum es lesen will und zur kenntnis nehmen - und nicht lieber mittels platter vorurteile und abschätziger beurteilungen abwehrt.

     

    zu Ihrem 'ausfluß' über millionenbetrug ... na ja. heben wir die residenzpflicht, die kasernierung, das asylbewerberleistungsgesetz und das arbeitsverbot endlich auf! die sind kontra-produktiv, führen nur dazu, dass sich einige deutsche an flüchtlingen bereichern, und fördern ansonsten das, was neuerdings 'sozialneid' genannt wird. und Ihnen dann erlaubt, die eingeschränkte hilfe zum lebensunterhalt nach asylbewerberleistungsgesetz und die miesigkeit der wohnheime gegen den bettler in der fußgängerzone auszuspielen. Bravo! den lassen Sie von der polizei wahrscheinlich erst dann wieder im wald abladen, wenn auch der/die letzte asylsuchende die brd verlassen hat, wallah!

     

    wirtschaftsflüchtlinge? - junger mann, ich fürchte, Sie werden recht bald (wieder) begreifen, was wirtschft alles mit politik zu tun hat!

     

    und - interessant, wie Sie "vergleichsweise günstig" "grundsätzlich scheint" "können ...in einzelfällen" lesen und verstehen. ich nenne so was funktionalen analphabetismus!

     

    @redaktion: sicherheitshalber noch ein mal. denn diese replik, die ich bereits am 14.8. losschickte, scheint ja bis heute nicht angekommen zu sein.

  • A
    aso

    @ Harald Wenk:

    Die Türkei ist ein „dritte Welt“ Land? Wissen die das in Brüssel auch?

    „...Die Zustände in der türkischen Psychiatrie sollen fürchterlich sein, noch schlimmer als in türkischen Gefängnissen....“:

    Dies haben Sie im Selbstversuch getestet?

    Dazu stellt der Flüchtlingsrat im Lagebericht zur Medizinischen Versorgung psychisch kranker Menschen bereits 02 fest:

    „... Die Versorgung psychisch kranker Menschen stellt sich dem gegenüber im Privatsektor vergleichsweise günstig dar...Grundsätzlich scheint die Betreuung psychisch kranker Menschen im medizinischen Bereich,...in den Groß und Provinzstädten der Türkei sichergestellt....“:

    http://www.fluechtlingsrat.org/download/tuerkeilagemed.pdf

    Zur Abschiebepraxis heißt es da:

    „...Bei geplanter Abschiebung/Ausweisung türkischer Staatsangehöriger in die Türkei können die deutschen

    Auslandsvertretungen in Einzelfällen bei der Beschaffung von ärztlichen Stellungnahmen zu Behandlungs- und

    Betreuungsmöglichkeiten in der jeweiligen Region behilflich sein....“

     

    In Hinblick auf die EU-Aufnamegespräche dürfte sich die Gesamtsituation seit 02 noch weiter verbessert haben.

  • CR
    christine rölke-sommer

    @redaktion:

    wie das verfahren ausging, hätte ich auch gern in der taz gelesen!

  • A
    aso

    @ christine rölke-sommer:

    Genau, wir kennen die Abschiebegründe nicht, da kann man nur spekulieren...

    Wie verhält es sich dann mit der zweiten Frage? Aus welchen Gründen auch immer eine Abschiebung stattfand, scheint ihn das nicht sonderlich interessiert zu haben.

    Hier schließt sich meine dritte Frage an. D.h. ist das Asylrecht ein rechtsfreier Raum, so daß eine Abschiebung für einen Asylsuchenden keinerlei Bedeutung hat?

    Man kann es doch offen zugeben: wäre man in ähnlicher Lage, würde man es ähnlich machen, und die Maschen der Gesetze suchen. Ausgestattet mit Tipps und Tricks von Aktivisten a la „Links/Grün“. Als Türke würde man sagen, Kurde, möglichst mit der PKK zu tun gehabt, oder Palästinenser, geht auch immer sehr gut. Psychisch krank ist auch eine Option.

    Die Papiere hat man dann möglichst unterwegs verloren., so kann nichts überprüft werden.

    Soweit die Spielregeln.

    Falls Sie den EU-Beitritt der Türkei befürworten: das beißt sich mit den Asylgründen der Verfolgung dort.

    Und daß grundsätzlich allen Kurden pauschal Asyl zu gewähren sei ist nicht nachvollziehbar:

    Die einzige schrumpfende Minderheit, die tatsächlicher Verfolgung und Diskriminierung in der Türkei ausgesetzt ist, sind die Christen.

    Und Ihrer Lesart folgend, wäre das Asylrecht völlig überflüssig, eigentlich müßten alle Verfolgten unbesehen aufgenommen werden.

    Ja, wozu dann überhaupt noch Grenzen?

    Und die Behauptung, daß dann auch Wirtschaftsflüchtlinge kämen, kann ja nur rassistisch sein:

    http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=5710&key=standard_document_33849118

    Daß die Kassen leer sind, und Sozialgelder sinnvoll verwendet werden sollen leuchtet jedem ein. Insofern ist das Verständnis der arbeitenden Bevölkerung, die auch Wähler sind, gegenüber solchem Millionenbetrug doch arg begrenzt, wenn gleichzeitig in Hannover einem Harz-4 Bezieher wegen Bettelns in der Fußgängerzone mit Abzügen gedroht wird.

    Es gibt aber tatsächlich Leute, die diesen Millionenbetrug ganz toll finden, und nach dem Motto:

    „smash the borders. Der AG Wohlfahrt das Handwerk legen!“ , Aktionen gegen die ermittelnde Behörde starten:

    http://antifako.blogsport.de/2009/07/16/pressemitteilung-aktionen-gegen-die-ag-wohlfahrt-gestartet-farbanschlag-auf-haus-von-landrat/

    Könnte es sein, daß dies die sogenannten „Gutmenschen“ sind?

    Und ist hier der Umgang mit den Steuergeldern „einfach nur widerwärtig“, und mal wieder der Grund für den Zulauf von populistischen Parteien?

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    @aso @rölke-sommer

    Die Zustände in der türkischen Psychiatrie sollen fürchterlich sein, noch schlimmer als in türkischen Gefängnissen.

    Also eine Art Pest-Cholera Alternative für den

    Selbsttöter.

    Das Fehlen von Psychiatrien in dritte Welt Ländern ist eher der mangelnden Effektivität der Behandlungen zuzuschreiben.

    Da sind oft die sehr korrumpierten und lückenhaften traditionellen Verfahren durchaus konkurrenzfähig.

    Für besser Betuchte gibt es da bessere traditionelle Möglichkeiten, weit vor einer pathologischen Psychiatrisierung, mit Yoga und Indien an der Spitze.

    Ethnopsychiatrie ist eine eigene Richtung.

    Es handelte sich aber doch wohl eher um eine politische Selbstmordgeschichte: Ziel war die

    Aufhebung der Ausweisung.

    Die Türkei ist durch das Verbot der Sufiorden von einer halbwegs funktionierenden traditionellen Behandlung von psychischen Krankheiten getrennt und dadurch in einer besonders üblen Lage.

    Fast kruder Aberglauben und schlimmste Zustände Psychiatrie bilden ein Schreckenspaar.

  • BM
    Britt Meyer

    Der Fall ist sicher untersuchungswürdig, aber bei einem Häftling, der droht, "sich UND ANDERE" anzuzünden, fehlt mir, ganz offen gesagt, das Mitleid. Sorry.

  • CR
    christine rölke-sommer

    @aso

    "das wird möglicherweise einen Grund gehabt haben"... wahrscheinlich ja. z.b den, dass entscheidungen über asylanträge von kurden aus der türkei nach dem muster erfolgen: wenn wir den anerkennen, dann müssen wir alle anerkennen. woran ja auch was dran ist - eigentlich müßte das so sein. und als in der BRD lebender asylsuchender endet der mensch auch ganz schnell als vorbestrafter... vielleicht war es der versuch, eines illegalen grenzübertritts? wer weiß?

    Ich weiß es nicht. und Sie wissen es auch nicht! also lassen Sie dieses du(e)nkelhafte rumgemunkel! das ist einfach nur widerwärtig!

  • DH
    Dr. Halrald Wenk

    In unabgesprochener Fortsetzung vom Kommentar von @christine rölke Sommer erinnere ich an das Theorem: Es gibt keine obere Schranke für die menschliche Dreistheit.

    Selbstverbrennungen und Selbstmorde als "politische" Option gibt es schon länger.

    Die Umwandlung in ein psychiatrisches Problem ist völlig inadequat. Die Abweisung der Ernsthaftigkeit der Selbstmordabsichten des Kurden in diesem real verzerrenden psychiatrisachen Dispositiv und das Bestehen auf der Ausweisung ist die Vollendung des nur in diesem psychiatrischen Dispositivs möglichen

    Ausschlusses als anzuerekennendes

    Individuum. Ein Monstrum an Entrechtung.

    Beim Reperaturversuch zur Vermeidung von Wiederholungen sollte man daher auch etwas struktureller, was dieses Dispostiv angeht,

    ansetzten.

  • CR
    christine rölke-sommer

    der bericht macht mich fassungslos - immer noch und immer wieder! wie sich diese denke über "gutmenschen" durchgesetzt hat ... unglaublich. ich hoffe, die genervte amtsrichterin verhängt eine nebenstrafe, nämlich berufsverbot!

  • A
    aso

    „...Der vorbestrafte Angeklagte, der schon einmal abgeschoben worden war,...“:

    Das wird möglicherweise einen Grund gehabt haben, daß er schon mal abgeschoben wurde?

    Fragt sich nur, warum er dann wieder hier war?

    Muß man, um ein Bleiberecht zu erhalten einfach illegal wieder einreisen, um dann zu randalieren, und mit Suizid zu drohen?

    Ist die Türkei ein Dritte-Welt-Land, in der keine psychiatrische Behandlung möglich ist?

    Nicht nachvollziehbar allerdings ist, daß der Frankfurter Gefängnisarzt Knut S. Die Medis auf einen Schlag absetzte.

  • A
    Andi

    Ist doch erstaunlich, dass die fleisigen Forenschreiber hier nichts schreiben, sie sind doch sonst so schnell. Aber ist doch egal, ist doch nur ein Kurde und ein Sozialfall weniger in old Germany, das ist das wichtigste.