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die wahrheitDer feurige Kanzlerkandidat

Vor der Wahl: Keiner glüht so wie der heiße Wahlkämpfer Frank-Walter Steinmeier. Die Waldbrandsaison in den spanischen Touristengebieten kommt seinem Wahlkampf gelegen.

Waldbrände wüten auf La Palma. Neben einigen Einheimischen mussten Tausende deutscher Urlauber aus der Flammenhölle evakuiert werden, ihre mühsam ersparten Ferienhäuschen - ein Raub der gierig züngelnden Flammen. Verängstigt kauern die deutschen Touris in der Sporthalle von Fuencaliente, betrogen um die schönsten Wochen des Jahres, während in den nahegelegenen Wäldern Feuerwehrleute verzweifelt versuchen, das weitere Vordringen der Feuer einzudämmen.

Einer, der an vorderster Front mit den Urgewalten ringt, ist Frank-Walter Steinmeier. Als deutscher Außenminister fühlt er sich verantwortlich für die Sicherheit deutscher Bürger im Ausland. Und als Kanzlerkandidat sowieso.

Franco, wie ihn die einheimischen Feuerwehrmänner nennen, lehnt an einem Pritschenwagen und gibt letzte Anweisungen. Seine Männer greifen zu den schweren Jacken aus feuerfestem Aranid, den Atemmasken und Rucksäcken mit 40-Liter-Wasserspritzen.

Steinmeier selbst trägt einen tonnenschweren Schutzanzug aus echtem Asbest, mit dem er schon so manches Feuerchen an der heimatlichen Grillfront bekämpft hat. Aber hier, inmitten der tobenden Feuerwalzen, hat er die Rolle seines Lebens gefunden - hier darf er sein, was er in der großen Koalition nie sein darf: Beschützer, Held, Weltenretter.

Der Mann hinter dem Steinmeierschen Feuerwehreinsatz ist der Politologe Anselm Reuschlin, einer der renommiertesten Spindoctors Deutschlands. Er berät Politiker und Parteien, wie sie Wahlkämpfe auch aus einer aussichtslosen Position heraus gewinnen können. Er hat nicht lange gezögert, als die SPD ihn darum bat, den Wahlkampf ihres rechtschaffen langweiligen Kanzlerkandidaten Steinmeier aufzupeppen.

Jetzt im Vorwahlsommer, wenn das Sommerloch gähnt und das Wahlvolk in den Urlaubsregionen eher zum Sangria-Eimer greift, als sich mit drängenden Sachthemen zu beschäftigen, beantwortet er die immer gleichen Fragen: Wie kann ich den Wahlkampf spannender machen? Wie wird aus Steinmeier der Todesengel der CDU?

Sein Hauptgegner ist die Wahlverdrossenheit. Reuschlin bückt sich und reißt ein paar verkohlte Wurzelstöcke aus. "Aber wir werden Frank-Walter schon noch zur heißen Nummer machen", gibt sich der sympathische Haudrauf zuversichtlich.

Wie soll das geschehen? Der knorrige Stratege meint, dass Politiker mit harten Bandagen kämpfen müssen, wenn sie Wahlen gewinnen wollen. "Übung sammelt man nur in der offenen Feldschlacht", lautet sein Credo. "Was für Schröder die Jahrhundertflut war, ist für Steinmeier die Waldbrandsaison in den Touristengebieten. Hier kann er die Wahl gewinnen."

Und Steinmeier scheint in seinem Element zu sein. Mit knarzender Stimme bellt er Befehle, gibt seinen Männern die Richtung vor, genehmigt sich ab und an einen Schluck aus der Buddel mit hochprozentigem Kanaren-Rum.

In diesem Moment scheint es egal zu sein, ob ein halber Hektar spanischer Wald brennt oder ob die Flammen im Berliner Regierungsviertel wüten, in jedem Fall muss man sich auskennen in diesem Flammenmeer, um es zu beherrschen - und zu überleben. So wie Frank-Walter Steinmeier.

Obwohl der Wind ständig dreht und die Flammen mal in die eine, mal in die andere Richtung tanzen lässt, steht der Vizekanzler wie ein Fels in der Brandung. Immer dabei: die Kameras der Medienmeute, die seinen heldenhaften Kampf für die Abendnachrichten einfangen.

Wenn die Flammen ihm allzu sehr auf die Pelle rücken, haut Steinmeier mit der Feuerpatsche auf sie ein. Er sieht aus wie ein winziger Mann mit Keule im Kampf gegen ein übermächtiges Monster, das nur mit raffiniertester Taktik zu besiegen ist. Eines wird klar - diese Schlacht entscheidet sich am Boden. "Wie siehts an der linken Flanke aus?" - "Extrem heiß." Die Funksprüche klingen atemlos, die Schutzkleidung wiegt tonnenschwer.

Plötzlich ist das gefräßige Knistern der Flammen auch von der rechten Seite zu hören. Steinmeier taucht todesmutig in die beißende Rauchwolke ein. Dann seine Stimme aus dem Funkgerät: "Chief an alle: Wir haben eine Escape-Situation. Bitte hochkommen, holt uns hier raus." Die Flammen haben den Kanzlerkandidaten bereits eingeschlossen, doch bevor sich das Kompetenzteam zu ihm durchgekämpft hat, weichen die Flammen vor Steinmeiers entschlossenen Schlägen zurück.

Als das Feuer gelöscht ist, sieht man den Männern die Erschöpfung an. Aber an eine Manöverkritik ist nicht zu denken. Während sich Frank-Walter Steinmeier das schweißnasse Gesicht abwischt, drängt ihn Reuschlin zum sofortigen Aufbruch. Aus Mallorca wurde soeben ein riesiger neuer Waldbrand gemeldet, den es zu löschen gilt. Der Hubschrauber wartet schon.

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2 Kommentare

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  • F
    fragwürdig

    Das ist ja das wahrhaft Tragische: Während der Mann sich bewundernswerterweise selbst- und restlos für die Allgemeinheit verausgabt, lässt seine Rivalin sich in weißer Hose und knallgrünem Jackett mit irgend so einem Russen lächelnder- und spazierengehenderweise fotografieren. Dennoch, wetten: Sie wird wiedergewählt.

  • RK
    Roland Klose, Unter der Suntelt 5, 57392 Bad Fredeburg/Hochsauerland

    Zum Wahlkampfaufritt von Frank-Walter Steinmeier ertönt Michael Jacksons Thriller "BAD": "Because I`m Bad, I`m Bad - Come on (Bad Bad - Really, Really Bad) You Know I`m Bad, I`m Bad - Come on, You Know I`m Bad... And The Whole World Has To Answer Right Now, Just To Tell You Once Again, Who`s Bad..."

     

    Dann betritt Frank-Walter Steinmeier staatsmännisch die politische Bühne und wendet sich an die krisengebeutelte Nation mit kämpferischen Worten:

     

    "Liebe Fans, mein politischer Ziehvater, Gerd Schröder, war "BAD". Er hat Hartz I-IV, die Rente mit 67, die Agenda 2010 eingeführt und die SPD abgewirtschaftet. Er hat nach dem Vorbild des großen Genossen Stalin die SPD-Führungstroika zerschlagen und Politgrößen wie Rudolf Scharping und Oskar Lafontaine geschasst, bis nur noch "Don Münte" aus dem schönen Sauerland übrigblieb.

     

    Und gerade deshalb verspreche ich in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1929 - um der sozialen Gerechtigkeit willen - vier Millionen zusätzliche Jobs im absoluten Niedriglohnsektor für einen branchenübergreifenden Mindestlohn von 1 €/Std. mit kostenlosem Schlafplatz im Obdachlosenheim bzw. all-inclusive Caritas-Suppenküche und örtliche Tafel. Da es sich hierbei um neue Supermini-Vollzeitjobs handelt, entsteht allerdings kein Rentenanspruch. So muss durchgearbeitet werden bis der Arzt und danach der Sensenmann höchstpersönlich vorbeikommt.

     

    Dafür brauchen wir mehr als je zuvor natürlich die "BAD BANKS", damit die "Good Banks" unsere Wirtschaft mit Krediten versorgen und so künstlich am Leben erhalten können, oder so. Denn nur mit den "BAD BANKS" können wir der bösen Krise trotzen, so wie wir auch den Teufel nur mit Belzebub austreiben können. Ich will dabei Euer Exorzist - ähm Kanzler - sein, der Euch wie einst Moses trockenen Fußes aus der Krise herausführen wird.

     

    Ich bin nämlich ein echter "Rolling Stone", der alle Songs der Rolling Stones wirklich draufhat, - außer: "ANGIE" - und diese unerschütterlich bis zum bitteren Ende abrocken kann. Darum werde ich meinen Weg konsequent weitergehen und nichts wird mich aufhalten. Ich allein bin der Kanzlerkandidat der alten Dame SPD, der Mutter aller Parteien. Deshalb kann mich auch die sog. Mutter der Nation, Angela Merkel, nicht von meinem unumstößlichen Ziel abbringen. Ich persönlich werde sie zur Oma machen und ins Pflegeheim abschieben. So wahr ich Frank-Walter "BAD" Steinmeier heiße. Deutschland braucht klare Kante und meine erlösenden Worte: "Ein "Rolling Stone(d)(meier)" muss Kanzler werden." Drum wählen Sie bitte nur mich am 27. September 2009 in meinem Wahlkreis in Brandenburg, wo mich keine Sau kennt, und mit der Zweitstimme meine ehemalige Volkspartei: die "BAD-SPD". Danke, für Ihren nicht eintreten wollenden Beifall. Glück auf, wir können es gebrauchen. Yes, I can`t Kanzler.