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Rassistische Gesundheitsdebatte in den USAObama-Puppen am Strick

Die Debatte um Obamas Reform des privaten Gesundheitssystems nutzen konservative Demagogen in den USA für einen tiefen Griff in die Kiste diffamierender Symbole.

Die Schärfe der Diskussion um die Gesundheitsdebatte nimmt in den USA weiter zu. Bild: ap

Als jemand, der nicht in der politischen Kultur Amerikas groß geworden ist, ist man bisweilen geneigt, sich angesichts der Blüten, welche die Debatte um die Gesundheitsreform hier gegenwärtig treibt, massiv am Kopf zu kratzen.

So etwa, als in der vergangenen Woche der konservative Fernsehmoderator Glenn Beck allen Ernstes postulierte, der Reformplan Obamas sei, zusammen Teil eines groß angelegten Planes, stillschweigend vom weißen Amerika Reparationen für das Unrecht einzutreiben, dass dieses über die Jahrhunderte den Schwarzen angetan hatte. Meinte er das wirklich ernst?

Für Amerikaner ist der Bogen, den Beck schlug hingegen alles andere als überraschend. Überraschend wäre für jemanden, der das langsame Siechen der konservativen Bewegung in den vergangenen 30 Jahren erlebt hat, eher gewesen, wenn im Zusammenhang der Gesundheitsdebatte das Thema Hautfarbe nicht irgendwann ins Spiel gekommen wäre.

"Die Hinterlassenschaft der Sklaverei, die Erbsünde Amerikas", schrieb Nobelpreisträger Paul Krugman in seinem Buch "Nach Bush", "ist der Grund, warum wir die einzige hoch entwickelte Volkswirtschaft sind, die ihren Bürgern keine medizinische Versorgung garantiert."

Den Zusammenhang der beiden Probleme haben die USA laut Krugman und anderen in erster Linie Ronald Reagan zu verdanken. Reagan hat die Agenda der Konservativen - die neoliberale Rundum-Entstaatlichung und Deregulierung - auf den Rücken der Ängste gepackt, die in der weißen Unter- und Mittelschicht im Laufe der Sechziger und Siebziger Jahre entstanden.

Durch das Schüren einer irrationalen Furcht vor den Folgen der Bürgerrechtsbewegung kam Reagan an die Macht - und konnte seinen radikalen Wirtschaftsliberalismus durchpeitschen, der in die extreme kulturelle Polarisierung und die soziale Brasiliansierung des Landes unter George Bush mündete.

Insofern ist es alles andere als verwunderlich, wenn die Konservativen jetzt, da ein schwarzer Präsident zum wiederholten Mal versucht, endlich die Heilige Kuh der Konservativen - das private Gesundheitssystem - zu schlachten, auf dieselbe Taktik wie eh und je zurückgreifen: Die Angst der weißen Unter- und Mitelschicht vor dem schwarzen Mann auszubeuten.

In der vergangenen Woche beschrieb Paul Krugman in der New York Times, dass gut die Hälfte der zornigen Demonstranten gegen staatliche Krankenversicherung bei den Town Hall-Versammlungen der letzten Zeit selbst durch die staatliche Medicare versichert waren. Krugmans Schluss: Leute, die nicht einmal wissen, dass ihre eigene Versicherung staatlich ist, protestieren wohl kaum gegen die konkreten Vorschläge von Obama, die sie wohl kaum verstehen, als dagegen, was er ist: Ein Schwarzer.

Dazu passt das derzeitige Wiederaufleben der Debatte um Obamas Geburtsurkunde. Obama, so soll impliziert werden ist Afrikaner ist und somit "unamerikanisch"; dazu passen auch die Obama-Puppen die im Umfeld einiger Town-Hall Schreiereien an Stricken aufgehängt wurden - ein geschmackloses Zitat der guten alten Lynchjustiz des Südens. Dazu passen auch die Obama-Plakate mit Hitler-Bärtchen oder die Obama-Karikaturen als Joker aus dem Batman-Comic: Der Präsident soll als Inbegriff des Bösen gezeichnet werden.

Inbegriff des Bösen

Wenn man sich nicht wie Beck traut, das direkt über die Hautfarbe zu tun, weicht man auf andere Symbole aus. Die schwarze Politikwissenschaftlerin Melissa Harris Lacewell brachte auf den Punkt, was hinter all dem offensichtlich steckt: "Die Leute haben Bedenken, dass eine Regierung mit einem schwarzen Präsidenten, einer Frau als Außenministerin und einer Latina als oberste Bundesrichterin tatsächlich noch eine "amerikanische" Regierung darstellt."

Genau diese Angst wollen die konservativen Demagogen mit der stillschweigenden Billigung der republikanischen Partei derzeit wieder schüren und die Gesundheitsdebatte ist dazu ein willkommener Anlass. Es ist dieselbe Taktik, mit der die Konservativen seit den Siebziger Jahren linksliberale Politik obstruieren. Nicht umsonst erinnerte all das den altgedienten Kongressabgeordneten John Dingell an 1964, als er für das Bürgerrechtsgesetz stimmte und mit den gleichen Praktiken eingeschüchtert wurde.

Die Hass-Demagogik zeigt sich in einer Offenheit und Hässlichkeit, wie schon lange nicht mehr. In einem Land, dass erst vor neun Monaten einen schwarzen Präsidenten gewählt hat, ist das trotz schwindender Zustimmungsraten für Obama schwer vorstellbar: "Je mehr sie sich outen, nackt durch die Straße rennen und schreien wir sind die Opfer'", schreibt etwa die liberale Zeitschrift The Nation, "desto mehr stellen die Rechten sicher, dass sie langfristig in der Minderheit bleiben."

Ob Obama sein Programm der universellen Gesundheitsversorgung durchbekommt, steht freilich auf einem anderen Blatt. Der amerikanische Mainstream mag nicht mehr offen rassistisch sein - sozialdemokratisch denkt er deshalb aber noch lange nicht.

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14 Kommentare

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  • AL
    Anna Luehse

    @ wahrheit:

     

    "Der Riss in den USA geht nicht zwischen Rechts und Links, er geht zwischen Regierung und Volk."

     

    VOLLTREFFER!

    Trifft btw auch auf SPDCDU-"Spitzen" zu.

    Was macht Joseph Fischer eigentlich? ;-)

    CFR-Lehrling, hab ich gehört.

  • B
    Bibi
  • T
    treba

    in welchem rechten forum oder auf welchem blog wurd dieser artikel verlinkt? pi-news wars glaub ich nicht.

     

    wenn pflichtversicherungen und co aus eurer sicht "linke" erfingungen sind, wäre "linke" politik ja gleichzusetzen mit zivilisation. das mag ja oft stimmen, muss aber auch nicht immer der fall sein, weshalb mensch dann doch noch dazwischen trennen sollte.

  • MB
    Mr. Burns

    Typisch deutsche Medien in 68er Tradition; kaum baumelt Obama am Strick wird die volle Ladung Rassismus ausgemacht. Ich würde mir wünschen, dass ein solches Verhalten immer und in ähnlich klaren Worten angeprangert wird. Oder macht es für die TAZ vielleicht doch einen Unterschied, ob der hochverehrte Obama baumelt oder wie zu Zeiten des US-Wahlkampfes eine Palin-Puppe am Galgen hängt?! Oder gibt es vielleicht nach Vorgabe der linken Staatsdoktrin keinen Rassismus gegen weisse Republikaner?

    Stellt doch mal die linken Demagogen ebenso an den Pranger.

  • M
    marina

    @ Kira Steinkamp: Sie denken ja krass stereotyp! Es bleibt mir wirlich unklar, was Sie alles in ihre Schublade stecken, die Sie mit "linke Ideologie" beschriften.

     

    Und weshalb das wozu geführt hat? Meinen Sie vielleicht die unsolidarische Trennung der diversen Versicherungssysteme, die unten "Meyer" schon ansprach? Oder vielleicht die Wirtschaftskrise, die wohl von "den Linken" gemacht wurde, wie auch alle bisherigen der Geschichte? Vielleicht lesen Sie mal ein gutes Buch von J K Galbraith ... damit Sie da ein paar Zusammenhänge besser verstehen.

     

    Und Obama mit Hitlerbart darzustellen oder sogar Obama-Puppen aufzuhängen, wollen Sie das ernsthaft irgendwie verteidigen?

     

    Diese Leute täten dem Rest der Menschheit einschließlich kommender Generationen einen großen Gefallen, wenn sie sich selber aufhängen würden, oder nicht?

  • M
    mathias

    @ Kira Steinkamp

    "Wegen der Gesundheitsreform ist dies natürlich etwas schade, aber so bleibt wenigstens sichergestellt das sich linke Ideologie so schnell dort nicht durchsetzen wird. Wenn man sich ansihet wohin dies hier in D geführt hat tun die Amerikaner gut daran diese Ideologie auf weitem Abstand zu halten" Zitatende.

    Nun, mir ist es neu, das sich in D "linke Ideologie" durchgesetzt hätte. Und wozu hat sie hier geführt? Ich vermute, Sie meinen damit die aktuellen Zustände im hiesigen Gesundheitssystem. Diese mit linker Ideologie gleichzusetzen ist angesichts zunehmender 2-Klassen-Medizin etwas deplaziert.

    Und was die USA angehen: 50 Millionen nicht krankenversicherte in eine gesicherte Gesundheitsversorgung integrieren zu wollen ist gute Sozialpolitik und mitnichten Ideologie.

  • U
    UweRietmöller

    So einfach ist die Welt.

    Wer sich dem linken Furor nicht unterordnet, ist ein rassistischer islamophober frauenfeindlicher xenophober Faschist.

    Klappt immer.

    Und wir fragen lieber gar nicht erst was von der linken Propaganda übrigbleibt, wenn man dort die obigen Schmähungen streicht. Ist nämlich peinlich, diese Leere.

    .

    Absurd, den Andersdenkenden Rassismus zu unterstellen. Es waren die Obama-Fans, die einen rassistischen Wahlkampf geführt haben.

    "... ob Amerika für einen schwarzen Präsident reif ..."

    .

    Angesichts des Fotos zum Artikel sollte man die Konervativen wegen Verletzung der Urheberrechte bestrafen. Das wilde rumfuchteln mit der Nazi-Keule ist nämlich ein Privileg der Linken.

  • C
    cousteau

    »Wegen der Gesundheitsreform ist dies natürlich etwas schade, aber so bleibt wenigstens sichergestellt das sich linke Ideologie so schnell dort nicht durchsetzen wird.«

     

    Wenn 45-50 Millionen US-Bürger ohne jegliche Krankenversicherung dastehen, ist das in der Tat "etwas schade". Wenn nur 2,4 Ärzte auf je tausend Einwohner kommen, ist das wohl auch "etwas schade". Wenn auf je tausend Einwohner gerade einmal 3,1 Krankenhausbetten kommen, ist das erst recht "etwas schade". "Etwas schade" ist auch, dass 60 Prozent der auf Noteinsätze spezialisierten Organisation RAM (Remote Area Medical) in den USA stattfinden müssen, weil hier keine flächendeckende und für alle Menschen verfügbare Gesundheitsversorgung gegeben ist. Und nicht zu vergessen ist es "etwas schade", dass die USA weltweit auf Platz 37 stehen, wenn es um die grundlegende gesundheitliche Versorgung geht und sich damit in Gesellschaft einiger so genannter Drittweltländer befinden.

     

    Na, da können sich die US-Amerikaner aber freuen wie Bolle, "dass sich linke Ideologie so schnell dort nicht durchsetzen wird".

  • W
    wahrheit

    Der Riss in den USA geht nicht zwischen Rechts und Links, er geht zwischen Regierung und Volk. Dieser taz-Artikel versucht einmal mehr die Realität falsch darzustellen, indem man behauptet, es wäre ein Rassismus-Problem. In Wahrheit rebellieren mittlerweile dort weite Teile des Mittelstandes. Obama hat bisher nämlich KEINES seiner Wahlversprechen gehalten. Das Krankenversicherungs-Gesetz von über 1300 Seiten enthält eine Vielzahl niemals erwähnter Nachteile für die Bürger.

     

    Ein wenig mehr Distanz.

  • KS
    Kira Steinkamp

    "Es ist dieselbe Taktik, mit der die Konservativen seit den Siebziger Jahren linksliberale Politik obstruieren."

     

    Diese Taktik , wenngleich auch mit anderen Symbolen sollte deutschen Linken aber bestens bekannt sein . Sie werden schliesslich hier in D auch nicht müde auf alles was ihnen nicht passt ein Hakenkreuz zu plakatieren.

     

    Von aussen sieht es nicht besonders schön aus wenn eine Fraktion über Dekaden hinweg mit Tiefschlägen mundtot gemacht wird , dies zeigt nun das Beispiel Amerika.

     

    Wegen der Gesundheitsreform ist dies natürlich etwas schade, aber so bleibt wenigstens sichergestellt das sich linke Ideologie so schnell dort nicht durchsetzen wird. Wenn man sich ansihet wohin dies hier in D geführt hat tun die Amerikaner gut daran diese Ideologie auf weitem Abstand zu halten

  • PW
    Peter Welk

    Schade, dass ein so guter und spitzzüngiger Artikel so schludrig korrekturgelesen wurde. Von der taz könnte man da etwas mehr Sorgfalt erwarten.

  • B
    Berthold

    Ausgerechnet Obama mit Hitlerbart darzustellen, das kann psychologisch gesehen nur von Leuten stammen, die mit Hitler mehr als nur Oberflächliches gemeinsam haben.

     

    "Wenn du arm bist musst du früher sterben", sagt ein altes Sprichwort, hierzulande ein überholtes Sprichwort.

     

    Die rund 50 Millionen US-Bürger ohne Krankenversicherungsschutz scheinen zu den Armen zu gehören, die früher sterben müssen. Dass dies für gewisse gewissenlose Kreise in den USA kein Problem ist, ja vielleicht sogar gewollt ist, das erinnert zumindest mich doch sehr an rassistisch diskriminiernde Politik, wie sie hierzulande von den Nazis bekannt ist.

     

    Obama und der intelligentere Teil der US-Bevölkerung wird die teuflische Denke und Propaganda der Rechten hoffentlich durchschauen und auszutricksen wissen.

  • M
    Meyer

    Hier in Deutschland gibt es auch keine solidarische Krankenversicherung, sondern einerseits die Arbeiter und andererseits Beamte + Besserverdiener. Der deutsche Lehrer ist in Krankheit, Pflege und Rehabilitation nicht mit dem Arbeiterkind solidarisch. !!

    Insoweit ist Medicare in den USA viel solidarischer.

    Hinzu muss erwähnt werden, dass der Pflichtversicherte sich nicht frei den Arzt aussuchen kann,(eigentlich ein Menschenrecht) sondern der Hausarzt entscheidet. Es gibt keine zwei Überweisung für eine zweite Facharztmeinung. Beamte, die diese Gesetze machen, können zwei bis drei Fachärzte aufsuchen. Warum die Linke nicht dafür kämpft, dass alle den Beamten gleichgestellt werden, ist unerklärlich.

  • JL
    J. Lu

    Mir fällt nur eines ein: Absurd .