ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL
: Wo sind die Bayernfans?

Alle echten Münchner kann man ganz leicht erkennen – der Häglermax weiß, woran

Neulich reiste ich in beruflicher Mission nach München. Um den Abopreis dieser Zeitung für Sie, lieber Leser, weiter so günstig zu halten, nächtigte ich nicht im „Mandarin Oriental“ am Viktualienmarkt sondern beim Häglermax. Das Mandarin ist das teuerste Haus am Platze und der Häglermax ist der Mann, der für diese Zeitung über Edmund Stoiber, Max Strauß und das für Ausländer, Behinderte und Homosexuelle reservierte Zelt auf dem Oktoberfest berichtet.

Der Häglermax hat mit allen alle anderen echten Münchnern zwei Sachen gemeinsam:

1. Echte Münchner wohnen immer in einem teuren Loch.

Und

2. sind echte Münchner nie Fans des FC Bayern München.

Seltsamerweise sind echte Münchner nicht beleidigt, wenn man sie auf ihre überteuerte Bruchbude anspricht. Sie seufzen dann nur. Manchmal bitten sie noch, man möge doch auf Schilderungen von Berliner Parkettböden, Stuckverzierungen und Wintergärten möglichst verzichten.

Schwer beleidigt sind echte Münchner hingegen, wenn man sie verdächtigt, Bayernfan zu sein. Dann fallen sie in ihren Dialekt und schimpfen, dass nur ein Preuße einen echten „Sechziger“ mit einem Bayernfan verwechseln kann.

Das ist erstaunlich: Denn – dies sei für Frauen kurz erklärt – die Bayern gewinnen ständig, sind reich und haben mit Michael Ballack (noch) den besten und schönsten deutschen Fußballer in ihren Reihen. Aber Erfolg, Geld und Schönheit scheinen in München nicht anziehend zu wirken. Wer hätte das gedacht.

Der Häglermax hat es nicht so mit Fußball, aber auch er legt Wert darauf nicht für einen Bayernfan gehalten zu werden. Außerdem hat er nicht einen Bayernfan in seinem umfangreichen Bekanntenkreis. Auf jeden Fall keinen, der es zugäbe.

Deshalb gingen wir einen suchen. Der Häglermax zeigte mir erst die hippen Kneipen, dann die schönen Kneipen und schließlich die netten Kneipen: Wir aßen Schweinebraten, tranken Weißbier und zwischendurch richtiges Bier und dann wieder Weißbier, und fragten überall nach. Aber nirgendwo fanden wir auch nur einen Menschen, der sich zum FC Bayern bekannte.

Im letzten Laden unserer kleinen Tour stand ein Kicker – ein Tischfußballgerät. Die eine Mannschaft war blau, die andere schwarz. Diese Farben sind im schummerigen Kneipenlicht nicht gerade optimal unterscheidbar.

– „Nie wollte einer die Bayern spielen“, erzählte der Kellner, „irgendwann haben wir die roten Figuren dann einfach schwarz übermalt.“

Da hatten wir den Beweis: Es gibt einfach keine Bayernfans. Wir gaben unsere Suche auf und spielten stattdessen fröhlich Schalke (blau) gegen 1860 (Auswärtstrikot: schwarz): Wer mit den 60ern gewann, musste Weißbier holen und wer mit Schalke siegte, musste an der Theke betont preußisch zwei „Piiiiils“ bestellen.

So hätte der Abend enden können, doch plötzlich forderten uns zwei junge Männer zum Duell – am Kicker. Wer gewönne, dürfe weiterspielen, wer verliere, müsse sich verziehen und außerdem noch eine Runde Bier bezahlen.

Die beiden sahen in Basecaps, weiten Jeans und anderen Attributen gerade erst anbrechender Adoleszenz eigentlich nicht aus, als hätten sie schon viele Kneipen von innen gesehen. Jedenfalls nicht mehr als wir.

– „Können wir die Kinder wirklich ausnehmen?“, fragte der Häglermax nur rhetorisch.

Es kam, wie es kommen musste. Sie schlugen uns erst knapp mit Blau und als wir in eine zweite Wette eingewilligt hatten sehr deutlich mit schwarz.

Als sie den letzten Ball versenkten, klatschten sie sich ab und riefen im Chor: „Hier regiert der FCB.“

Beim Rausgehen murmelte ich mit den ehrlichsten Ressentiments des Verlierers: „Scheiß-Bayern!“

Und der Häglermax fluchte: „Verdammte Zugereiste!“

Nur der FCB? kolumne@taz.de Montag: Susanne Lang über DIE ANDEREN