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Streit der WocheSteinbrück findet Krise kleingeredet

In einem sind sich Finanzminister Steinbrück und Linke-Chef Lafontaine einig: Die wirtschaftliche Lage wird beschönigt.

Wettert gegen "verantwortungslose Zockerei": Finanzminister Steinbrück. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Wirtschaftskrise wird nach Ansicht von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) klein geredet. "Viele meinen, man könne die Krise wie einen Betriebsunfall behandeln, nach dem die verantwortungslose Zockerei, die uns in die Krise geführt hat, weitergehen kann", schreibt der Politiker im "Streit der Woche" der sonntaz. "Das ist falsch". Die Konjunkturpolitik sei teuer erkauft worden. Nun müssten Verkehrsregeln für die Finanzmärkten her.

Linke-Chef Oskar Lafontaine schreibt in der sonntaz: "Die Auswirkungen der Krise auf Einkommen und Beschäftigung beginnen gerade erst sichtbar zu werden." Schlimmer als die Krise zu beschönigen sei es, wenn die Verantwortlichen zu wenig unternähmen, um eine noch größere Krise zu vermeiden. Die Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel habe zu spät und nicht ausreichend versucht, das Minus bei der Wirtschaftsleistung zu verhindern.

Auch nach Ansicht der CDU-Politikerin Vera Lengsfeld wird die wirtschaftliche Lage allgemein zu positiv gesehen. Sie äußerte sich sogar kritisch zur Politik der Regierung, an der ihre Partei beteiligt ist: "Ob die 'Rettungsschirme' für marode Banken und Pleiteunternehmen etwas anderes bewirkt haben, als den Offenbarungseid hinauszuzögern, muss sich noch erweisen", erklärte die Berliner Bundestagskandidatin. Die Schulden seien in astronomische Höhen gestiegen. "Am Zahltag, wenn die Bad-Bank-Verbindlichkeiten fällig werden, wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten. Alle diese 'Rettungsmaßnahmen' haben die Ursache der Krise nicht beseitigt, sondern Pleite-Banker vor den Folgen ihrer Fehler bewahrt. So werden weitere Krisen vorprogrammiert."

taz

Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 22./23.August 2009. Zusammen mit der taz am Kiosk.

Indes erklärte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus F. Zimmermann, der Arbeitsmarkt bleibe ruhig, der Konsum sei stabil. "Die Erholung Deutschlands, Japans und Chinas verwirft alles Gerede vom Ende des Exportmodells." Der Welthandel belebe sich und die Industrieaufträge stiegen. Schon bald werde es zu vermehrten Investitionen kommen.

Im Streit der Woche äußern sich außerdem die Managerin Pamela Knapp, der Bielefelder Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauer, der Chefvolkswirt des Detuschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier, sowie taz.de-Leser Peter Keul. Er schreibt: "Die Krise ist resistent gegen Panik, Politiker-Aktionismus und 'Experten'-Meinungen."

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9 Kommentare

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  • FC
    Flying Circus

    Herr Steinbrück im Glashaus.

    Er hat die Krise zunächst stets als auf die USA begrenzt dargestellt.

    Darüber hinaus ist er maßgeblich für die Krise mitverantwortlich - die Gesetzgebung, die den Finanzmarkt entfesselt hat, geht auf seine Kappe.

     

    Jetzt aber ist Wahlkampf angesagt, wollen wir doch mal sehen, ob wir ein paar Wähler damit einwickeln, daß wir hier verbal auf die Pauke hauen.

  • L
    Linkshänder

    Objektive Quellen sagen eine große Auswirkung der Krise für 2010 voraus (Visa!). In meinem Umfeld stelle ich fest, dass Traditionsunternehmen im LK Cuxhaven Insolvent sind. Diese Krise trifft mittlerweile untere Mittelstandsunternehmen, wie Kleinunternehmer. Da gibt es keinen Schutzschirm. Hohe Arbeitslosigkeit droht. Löhne werden noch weiter gedrückt ( im Durchschnitt 4-5.-€/Std.).

    Wir stehen vor einem riesen Kollaps, nur die Regierung merkt es nicht.

  • V
    vic

    "Verkehrsregeln für die Finanzmärkte" sagt Steinbrück, und er hat recht. Es herrscht Anarchie (da wird sie geduldet) und die machtbesessene, mediengepuschte Kanzlerin hütet sich einzuschreiten. Ist ja nicht ihr Geld.

    Spätestens seit 2007 bis heute steht das Finanzgefüge der BRD am Abgrund, und schon im Januar 2010 wird sie einen Schritt weiter sein.

     

    Sahra Wagenknecht hat das Szenario schon früh exakt beschrieben in ihrem empfehlenswerten Buch

    "Wahnsinn mit Methode - Finanzcrash und Weltwirtschaft"

  • PB
    Pater Braun

    "Wird die Krise klein geredet?"

     

    Nein, sie wird, wie es im Titel ausnahmsweise richtig heißt "kleingeredet".

  • B
    bavi

    Noch nie in der Geschichte hat die SPD so eine Familien feindliche Politik geführt wie heutige „sozial -Demokraten“

    Dank „Flexzeit“ schuften die Arbeiter 9-10 Stunden am Tag fürs gleiches Geld, Pause wird gekürzt: 08:45 – 09:00Uhr(0,25 Std.) und 12:00 – 12:15(0,25Std.)

    Die Rente mit 65-67. wer gibt mehr?

    Jede normale Mensch weist, man kann auch nach 60 weiter arbeiten, wen man 2-Sekretärin und einen Dienstwagen hat.

    Klar, die SPD will die Rente kürzen und das heißt, weniger Geld für die Kinder, Enkelkinder.

    Die „Volksparteien“ betrugen uns alle, ob alt oder jung, mit Ein – Euro- Jobs und die Leiharbeit (Zeitarbeit als Vollzeit Jobs).Ist das Zukunft für uns und unsere Kinder?

    Ist das nicht die Steuergelder - Geschenke für unseren Raub - Kapitalisten?

    Von Außen Politik ganz zu schweigen, die unzählige Länder werden von den Rest der Welt isoliert. Die Diktatoren dagegen reichlich mit Gelder versorgt: die UNO - Arbeit wird blockiert.

    Die UNO-Charta durch „Lissabon Vertrag“ aus der Kraft gesetzt.

    Die SPD zerfällt nicht nur von oben, sondern auch von innen. Die Kaiserin ist siecher.

    Sie bleibt an der macht. „besser mit FDP, aber es geht auch mit SPD.“

    Die Schröders-Erbe “Agenda 2010“ als Trojanisches Pferd der Union, hat sich gelohnt.

    Das Solidarität Prinzip als die Grundlage für jede Familie und Gemeinde funktioniert nicht mehr. Kein „Amt“ kann die Familie und die Gemeinde ersetzen.

    Ohne das Solidarität Prinzip gibt es kein „Wohlstand für alle“. Ohne der Wohlstand für alle, gibt es keine Soziale Marktwirtschaft.

  • HR
    henry rollins

    strategisch gesehen ist der schulterschluss mit der linkspartei jetzt taktisch klug! ja aber die zockerei muß in ihrem finanzminesterium schon mal angekommen sein, herr steinbrück! ich kann mir das nicht erklären, auch wenn ich die Krise Finanzkrise, eher zu groß als zu klein ist!

  • FG
    Friedrich Grimm

    Ja, es ist in der Tat so, dass diese Krise aller Krisen sehr sorgfältig kleingehalten und schöngeredet wird. Der Bundesbürger lässt es sich offenbar gerne gefallen. Anstatt auf das Zukunftspapier von Steinmeier oder auch auf das aus Guttenbergischem Hause stammende, für die arbeitende Bevölkerung toxisch angelegte Papier, zu diskutieren, geilt sich die Bevölkerung an Begriffen wie "mächtigste" Frau der Welt und Ähnlichem auf. Und während die, die zur Zukunft zurzeit nichts aussagen, nichts aussagen wollen, davon profitieren, dass Ulla Schmidt ohne Ende durchs Dorf getrieben wird, und das mit großem Erfolg für unsere Angie, wird unbemerkt bereits der eine oder auch der andere Wasserhahn für Otto Normalverbraucher zugedreht. Ich gehe davon aus, dass wir unter einer schwarz-gelben Regierung sehr trockene Jahre durchzustehen haben.

  • JK
    Juergen K.

    Und was ist mit den 10 Jahren vorher ?!

     

    Sind es nicht 2 000 Milliarden nach den Untersuchungen der Institute, die sich "die Reichen" unter den Nagel gezogen haben?

     

    Bei weniger als 50 000 000 Beschäftigten in Deutschland!

     

    Also in den vergangenen 10 Jahren 4 000 Euro pro Kopf jedes Beschäftigten und Jahr !

     

    Also 50 000 000 mal Hartz4 (ohne Miete) pro Jahr!

    Und das 10 Jahre lang!

     

    Obwohl für 10-20 Millionen nur Hungerlöhne und Wohngeld oder Aufstockung drin waren!

    Kinder kein Obst und Winterschuhe haben!

     

    Und das soll sich erst jetzt auswirken?

     

    Nachdem sie sich die Verluste auch noch von den Beschäftigten und Nichtbeschäftigten per Staatssxchulden reinholen.

     

    Damit sie nachher noch stärker aus der krise erwachsen und noch mehr die Hungerlöhne drücken, die Arbeiter und Angestellten mit noch mehr Überstunden unter Druck setzen, und deren eigenes Hartz4 noch mal kürzen ?!

     

    Das soll alles jetzt erst wirksam werden ?

    Damit die Datenbanken immer schneller an den Börsen der Welt automatische Transaktionen durchführen und über Sein und Nichtsein von Unternehmen und Menschen das Roulette der Zufallszahlen spielen?

     

    Und der Mensch im Falle seines Loses begibt sich in Selbstmord und geht nicht über Lichtenstein nach Monaco ?!

     

    Das soll jetzt erst kommen ?

     

    Und es braucht alles nur 2 Paragraphen in irgendeiner Finanzmarktregel für den Datenaustausch ?!

  • W
    Westberliner

    Ich frage mich immer noch, warum die Banker genannt nicht in den Knast kommen?

    Ist das der Beweis dafür, dass sie das Sagen haben und die Regierenden die Marionetten sind?

     

    Mit Recht wurde bei einem symbolischen Banküberfall mit Besetzung einer Filiale der Deutschen Bank in Berlin zu den Polizisten gerufen: "Für die Banken seid ihr da, Marionetten ha, ha, haaa ... ".

     

    Marx hat wohl recht, wenn er meint, dass der Imperialismus, der grad herrscht, die letzte Stufe des faulenden Kapitalismus ist?