Energieversorger unter Druck: Wiederholungstäter Vattenfall
Die Pannenreaktoren Brunsbüttel und Krümmel stellen die Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall in Frage. Die Atomaufsicht prüft, ob er weitermachen darf.
"Tschüss, Vattenfall!" Einen schlimmeren Namen für ihre Kampagne hätten sich die Umweltschützer aus der Sicht des Energiekonzerns wohl kaum ausdenken können. Als Reaktion auf die Pannen in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel 2007 rufen die Vattenfall-Gegner zum Wechsel des Stromanbieters auf. Heute verkünden sie auf ihrer Internetseite, der Konzern habe seitdem über 250.000 Kunden verloren.
Inzwischen haben nicht nur besorgte Bürger das Vertrauen in den Energieversorger verloren. Auch die Atomaufsicht in Kiel prüft die Zuverlässigkeit des AKW-Betreibers. Anwohner hatten mit Unterstützung von Greenpeace beantragt, Vattenfall die Betriebsgenehmigung für das Kraftwerk Krümmel zu entziehen, nachdem es dort in diesem Jahr erneut zu Störungen gekommen ist.
Greenpeace befürchtet, der Antrag könne verschleppt werden - bis die Bundes- und Landtagswahlen vorbei sind. Das zuständige Gesundheitsministerium wies das zurück. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Vattenfall solch einer Überprüfung unterziehen muss.
Die Serie: Die sieben ältesten Atomkraftwerke müssten laut Atomkonsens in der nächsten Legislaturperiode abgeschaltet werden. Union und FDP aber wollen das verhindern. Die taz nennt in einer Serie über diese AKW sieben gute Gründe für den Ausstieg.
Das Argument heute: Warum die AKW-Betreiber nicht zuverlässig sind, aufgezeigt am AKW Brunsbüttel (Alter: 33 Jahre).
Die Demo: Für den 5. September rufen die Anti-Atom-Initiativen zu einer großen Demonstration unter dem Motto "Mal richtig abschalten!" nach Berlin. Die Veranstalter sprechen von der "größten Anti-AKW-Demo, die Berlin je sah."
Der Service: Mehr über und von Initiativen nicht nur von Atomkraftgegnern finden Sie auf www.bewegung.taz.de
Auch 2001 und 2007 hatte die Aufsichtsbehörde Zweifel an der Zuverlässigkeit. In Brunsbüttel explodierte eine Rohrleitung, in Krümmel brannte ein Transformator. Beide Male beschwerte sich das Kieler Ministerium, Vattenfall habe schlecht informiert. Vor zwei Jahren war das Vertrauen in den AKW-Betreiber so weit gesunken, dass die damalige Ministerin Gitta Trauernicht (SPD) die spärlichen Infos von Vattenfall nicht ungeprüft an die Öffentlichkeit geben wollte.
Die Betriebslizenz wurde dennoch nicht entzogen. Auch diesmal sieht es danach aus, als bleibe die Zuverlässigkeitsprüfung ohne Folgen. Ein Sprecher von Vattenfall sagte der taz, er gehe davon aus, die entsprechenden Nachweise erbringen zu können. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hingegen befürchtet, dass nicht ernsthaft geprüft werde. Gerd Rosenkranz erklärte, er habe den Eindruck, dass die Prüfung so lange dauere, "bis der Dampf aus dem Kessel ist" und der Druck auf Vattenfall und Atomaufsicht geringer sei.
Dabei stehen die Chancen diesmal vergleichsweise gut, denn Vattenfall hat sich nicht an die Auflagen der Atomaufsicht gehalten. Stattdessen klagt der Konzern etwa gegen die vorgeschriebene Stimmaufzeichnung in der Leitwarte. Für die DUH ist klar: Der Energieriese verstößt gegen die Bewährungsauflagen und verspielt damit seine zweite Chance.
Ob aber ein anderes Unternehmen Atomreaktoren zuverlässiger betreiben kann, ist fraglich. Selbst die "Tschüss, Vattenfall"-Aktivisten glauben nicht, dass der schwedische AKW-Betreiber bloß ein schwarzes Schaf ist. "Ich bezweifle, dass es bei anderen Konzernen in ähnlichen Situationen anders wäre", sagt die Aktivistin Hanna Poddig. Und die Informationspolitik von Vattenfall sei zwar "gruselig", jedoch nicht das Hauptproblem. "Was hilft es mir, wenn sie mich beim nächsten Mal früher informieren?" Sicherer würden die Reaktoren nur, wenn man sie abschaltet.
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