DER UN-WELTINFOGIPFEL ENTLARVT DIE HÄSSLICHE SEITE TUNESIENS
: Schatten auf den Sonnenstaat

Den UN-Weltinformationsgipfel ausgerechnet in Tunesien abzuhalten – einem Land, in dem es keine freie Presse, dafür aber ein ausgefeiltes System zur Internetzensur gibt, ist paradox und nicht gerade politisch korrekt. Doch der tunesischen Opposition hat der Gipfel letztlich mehr geholfen als ihre zahlreichen Aufrufe, die stets ungehört verhallen. Das Regime wollte den Gipfel für sich und seine internationale Reputation nutzen. Und scheiterte kläglich daran, ein Mindestmaß an Informationsfreiheit zu zulassen.

Die alltägliche Unterdrückungsmaschinerie Tunesiens, provoziert von Protesten Oppositioneller im In- und Ausland und frei recherchierender internationalen Kamerateams, ratterte vor den Augen der Weltöffentlichkeit ungerührt weiter – ein französischer Journalist wurde zusammengeschlagen, ausländische Fernsehteams an der Arbeit gehindert. Die Diktatur des Präsidenten Ben Ali hat sich somit selbst demaskiert. Damit zerbröckelt das Image vom modernen, moderaten Sonnenscheinstaat auch dort, wo man sich bislang nicht darum kümmerte.

Beispielsweise in Europa, wo Tunesien nicht nur bei unbedarften Touristen, sondern auch bei Politikern als aufstrebender, aufgeklärter Araberstaat, als maghrebinischer Musterknabe gilt. Ein Staat, mit dem man gern Geschäfte macht, der darüber hinaus als Bollwerk gegen Islamisten funktionieren soll. Dass damit der radikale Islam erst recht geschürt und die Opposition in einem Zug mit ausgeschaltet wird, wollten europäische Politiker bislang nicht so genau wissen. Oppositionelle und NGOs wurden nicht gehört, geschweige denn unterstützt. Nun können ihre Forderungen nach Demokratie nicht mehr überhört werden.

Mag diese offene Repression des tunesischen Staats anlässlich des UN-Gipfels im internationalen Scheinwerferlicht auch dumm erscheinen, sie zeigt nur die dreiste Selbstherrlichkeit der Regierenden. In Tunesien wird das Netz gefiltert, E-Mails werden überprüft, wer kritische Informationen ins Netz stellt, landet im Gefängnis – dessen ungeachtet ruft Präsident Ben Ali auf dem Gipfel zur gerechten Informationsgesellschaft auf. Ein Heuchler, wie nun alle wissen. Weltweit. EDITH KRESTA