piwik no script img

Kommentar GorlebenDer Knall im Salzstock

Manfred Kriener
Kommentar von Manfred Kriener

Umweltminister Gabriels Reaktion, Gorleben jetzt "definitiv" für tot zu erklären, ist ein naheliegender politischer Reflex.

E s ist schon eine unglaubliche Pointe. 26 Jahre nach dem amtlichen Zwischenbericht zur "Eignungshöffigkeit" des Gorlebener Salzstocks als Atomendlager kann belegt werden, dass der Bericht auf Druck der damaligen Bundesregierung Kohl manipuliert worden ist. Gorleben sollte, ja musste als Atomklo der Nation geeignet sein. Entsprechend wurde der Vorentwurf des Berichts umgeschrieben. Dass der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg beim nochmaligen Aktenstudium beide Versionen in die Hände fielen, gehört zu den Sternstunden von bald 40 Jahren engagierter bürgerschaftlicher Renitenz.

Umweltminister Gabriels Reaktion, Gorleben jetzt "definitiv" für tot zu erklären, ist ein naheliegender politischer Reflex, der auch durch die Bundestagswahl motiviert ist. Endlich kann die SPD die Union vor sich her treiben und das Atomthema - eine der wenigen echten Kontroversen - am Kochen halten. Andererseits gebietet es die Restmasse an Anstand und politischer Vernunft, Gorleben tatsächlich zu beerdigen.

Gabriel hat sich festgelegt. Bei einer Neuauflage kann die große Koalition den gemeuchelten Salzstock kaum wieder reanimieren. Gewinnt am 27. September Schwarz-Gelb, wird ein Umweltminister Söder (CSU) aber genau dies versuchen.

Das wird schwer, denn die Gorleben-Befürworter rutschen in eine tiefe Legitimationskrise. Und im Umweltministerium werden schon Panzersperren für mögliche Wendemanöver aufgebaut. Auch der Widerstand vor Ort erhält einen heftigen Adrenalinschub. Als Dreingabe laufen dann auch noch die Pachtverträge zur Erkundung aus.

Alles zusammen ergibt eine hochbrenzlige Gemengelage, deren Explosivität exakt dem Thema entspricht: ewig strahlender Atommüll. Der gefälschte Zwischenbericht ist 26, Helmut Kohl 80, die Ortschaft Gorleben 649 Jahre alt. Aber Plutonium hat eine Halbwertszeit von 24.110 Jahren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Manfred Kriener
Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • A
    Amos

    Man sollte auch mal erwähnen, dass "Kohls Mädchen"

    Angela Merkel damals Umweltministerin war. Sie macht

    zwar nicht viel-, aber wenn sie was macht ist es Mist.