„Keine Hilfe, die nicht von Herzen kommt“

Nordkoreas Führung will keine Lebensmittelhilfe mehr, sondern Investitionen. Europäische Helfer sollen gehen

PJÖNGJANG/PEKING taz ■ Auf den Feldern am Rande Pjöngjangs ist die Ernte eingefahren, Bäuerinnen in Stoffschuhen balancieren Strohbündel auf dem Kopf über die Feldwege, andere transportieren Getreidesäcke mit dem Fahrrad. Von einer Rekordernte sprechen Nordkoreas Funktionäre in diesem Jahr.

Das kommunistische Nordkorea hat, so scheint es, die katastrophalen Zeiten hinter sich gelassen, in denen die 23 Millionen Einwohner Gras und Baumrinde essen mussten und wahrscheinlich über 2 Millionen Menschen starben. Die Getreideproduktion werde im Vergleich zu 2004 um „rund 10 Prozent“ steigen, berichteten Funktionäre dem Welternährungsprogramm WFP in Pjöngjang.

Die Ernte und das Versprechen Südkoreas und Chinas, auch 2006 viel Reis zu liefern, haben dem Regime von Kim Jong Il offenbar zu neuem Selbstbewusstsein verholfen: So erfuhren die verblüfften Mitarbeiter ausländischer Hilfsorganisationen, sie dürften vom Januar an keine Lebensmittel mehr verteilen. Die Koreaner wollten „nicht in eine Kultur der Abhängigkeit“ hineinrutschen, erklärten die Funktionäre. Dann wiesen sie den Experten die Tür: Man möge das Land bis Ende des Jahres verlassen.

Nachdem Pjöngjang in den letzten Wochen vom Rauswurf der Helfer wieder etwas abzurücken schien, erfuhren die Mitarbeiter mehrerer europäischer Organisationen in diesen Tagen, dass es ernst wird. So muss die Deutsche Welthungerhilfe nach jüngsten Informationen alle Mitarbeiter bis Ende Dezember aus ihren Projekten abziehen. Ob dies auch für die größte internationale Organisation in Nordkorea, das UN-Welternährungsprogramm (WFP) gilt, ist noch unklar. Insgesamt sind derzeit etwa ein Dutzend ausländischer Hilfswerke vor Ort, die meisten stammen aus Europa.

Ob das Kim-Regime damit auf den jüngsten Resolutionsentwurf der EU in den Vereinten Nationen reagiert, der Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea anprangert, ist ebenso offen.

Die Folgen könnten dramatisch sein: Denn die Welthungerhilfe brachte – ebenso wie etwa auch die irische Organisation „Concern“ – nicht nur Lebensmittel ins Land. Die Hilfswerke reparierten Wasserleitungen, lieferten Medikamente und halfen, völlig verarmte Krankenhäuser mit dem Nötigsten auszustatten. Ein Funktionär rechtfertigt die neue Politik mit der Bemerkung: „Wir wollen die Hilfe nicht mehr, weil sie nicht von Herzen kommt.“

Ausländische Diplomaten in Pjöngjang glauben, dass Hardliner in der Führung derzeit versuchen, die Uhren zurückzudrehen. Der Rauswurf von Ausländern ist nur ein Teil dieser Strategie: Auf den freien Märkten dürfen Händler seit dem 1. Oktober kein Getreide mehr verkaufen. Den privaten Handel hatte Kim notgedrungen zugelassen, weil das staatliche Versorgungssystem nicht mehr in der Lage war, genügend Lebensmittel zu verteilen. 150.000 Nordkoreaner, so schätzen ausländische Experten, sind mittlerweile im privaten Handel aktiv.

Von nun an sollen alle Familien wie früher subventionierte Rationen über das „öffentliche Verteilungssystem“ erhalten. Das Problem: „Die Portionen sind so gering, dass die Leute sich etwas dazukaufen müssen“, berichtet ein Helfer. Doch erwecken die Nordkoreaner den Eindruck, an weiteren Wirtschaftsreformen interessiert sein.

In einer staatlichen Stickerei verdienen die Arbeiterinnen nun ihren Lohn nach Menge und Qualität. „Meine Stickerinnen können von 2.000 bis maximal 30.000 Won im Monat schaffen“, erklärt die Managerin des Betriebs. Eine Arbeiterin sagt schüchtern: „Ich komme höchstens auf 6.000 Won.“ Laut dem Schwarzmarktkurs entspricht das einem Euro im Monat.

JUTTA LIETSCH