piwik no script img

Kommentar Grüne SPDGefährliche Doppelstrategie

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Steinmeier schafft es, sowohl die ökologische Moderne als auch Massentierhaltung und Genanbau zu propagieren. Damit ruiniert er zielstrebig die Glaubwürdigkeit seiner Partei.

D ie SPD hat einen Agrarlobbyisten als Landwirtschaftsminister in ihr Schattenkabinett berufen. Warum? Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen. Entweder war die Berufung von Udo Folgart ein Notnagel, ein Irrtum, eine Unbedachtheit. Auszuschließen ist das nicht - die Rekrutierung von Steinmeiers Kompetenzteam verlief ziemlich holprig. Wahrscheinlicher ist anderes.

taz

Stefan Reinecke ist Parlamentsredakteur der taz.

Folgart ist durchaus ein wohlplatziertes Puzzleteil in der Wahlkampfstrategie der SPD. Man muss seine Berufung als Ergänzung und Konterpart zu Steinmeiers volltönend "Deutschland-Plan" betitelter Zukunftsskizze sehen. Dort ist viel von hochfliegenden Zielen für erneuerbare Energien und Elektroautos die Rede. Die Botschaft lautet: Die SPD wird grün. Die ökologische Moderne, die Steinmeier so energisch feiert, soll eine in der Sozialdemokratie äußerst knappe Ressource erneuern: Sinn.

Der alte etatistische Glaube an die Kraft der Planung ist lange ausgeblichen, die Rolle als Anwalt der kleinen Leute hat Schröder nachhaltig zerstört. Dieses Sinnvakuum füllt nun die Zauberformel "ökologische Industriepolitik", die Moral aufs Erfreulichste mit der Aussicht auf neue Exportmärkte verbindet. Auch deshalb reklamiert die SPD das Grüne so eifrig für sich.

Folgarts Berufung ist ein widersprüchliches Zeichen in diesem Prozess. Sie soll zeigen, dass die SPD irgendwie bei sich bleibt. Richtig daran ist: Die Grünen können als Mittelschichtspartei die Aldi-Kundschaft, die Wurst für 49 Cent kauft, ignorieren - die SPD kann das nicht. Sie muss Kompromisse machen.

Folgart mag also Teil einer Doppelstrategie sein. Aber diese Taktik wird nicht aufgehen. Denn seine Nominierung zeigt, dass die SPD auf einen Agrarindustrie-Lobbyisten setzt, dem jede Antenne für Ökologie fehlt. Folgart ist auch kein Zeichen für einen Kompromiss zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft. Er ist das Symbol, dass die SPD ohne Not vor der Agrarlobby kapituliert.

Kann sein, dass die SPD hofft, mit Folgart ihr Image bei Bauern im Osten aufzupolieren. Sicher aber ist etwas anderes. Steinmeier & Co ruinieren damit zielstrebig die Glaubwürdigkeit ihres ökologischen Wendemanövers. Der letzte Bauernverbandsfunktionär, den die SPD zum Minister promovierte, war Karl-Heinz Funke. Nach drei ruhmlosen Jahren musste er zurücktreten, wegen BSE. Es ist die Vergesslichkeit der SPD, die so irritiert.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • P
    Peter

    Die SPD hat jedoch damit an pluralistisch-demokaratischer Glaubwürdigkeit gewonnen. Gut, dass auch solche Positionen in dieser Partei ihren Platz haben. Auch der taz würden mehr Nicht-Einheitsmeinungs-Ökos gut tun.

     

    Man kann auch für Die Genpommes sein und ein ökologisch bewusster Mensch bleiben.