Harte Gangart in Tunis

Beim Weltinformationsgipfel in Tunesien werden NGOs und Journalisten von den Behörden stark behindert

MADRID taz ■ Der Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (RsF), Robert Ménard, erfuhr gestern am eigenen Leib, was seine Organisation beklagt: In Tunesien gibt es keine Presse- und Informationsfreiheit. Ménard wollte am Weltinformationsgipfel in Tunis teilnehmen, doch der streitbare Franzose wurde am Flughafen an der Einreise gehindert und mit dem nächsten Flug nach Paris abgeschoben.

RsF hatte am Vortag Tunesien mit Ländern wie China, Kuba, Nordkorea oder Iran auf eine Liste der 15 größten Feinde des Internets gesetzt. In Tunesien befinden sich mehrere Journalisten in Haft. Verantwortliche für kritische Auftritte im Internet werden verfolgt, der Zugang zu über 60 Websites ist blockiert, die Besucher von Internetcafés werden überwacht, E-Mails von den Behörden mitgelesen.

UNO-Generalsekretär Kofi Annan verlangte am Mittwoch zum Gipfelauftakt von dem tunesischen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali, „die Pressefreiheit und den freien Zugang zu Informationen für alle“ zu sichern. Es nutzte nichts. Während der drei Tage, die der Gipfel über den freien Zugang zum Internet berät, machten die tunesischen Behörden jeden Versuch kritischer Meinungsäußerung zunichte. Ein Journalist der Libération sowie ein Team des belgischen Fernsehens RTBF wurden mit Gewalt an Recherchen zur fehlenden Pressefreiheit im Urlaubsparadies Tunesien gehindert. Der französische Sender TV5 zog sein Team ab. „Es war ständiger, enger Überwachung durch Zivilbeamte ausgesetzt“, hieß es. Interviewte Personen wurden von der Polizei belästigt und verhört. Die Vertreter der deutschen ARD beschweren sich, dass sie nicht mal das Messegelände auf dem der UN-Gipfel abgehalten wird, filmen durften.

Auch Vertreter in- und ausländischer NGOs wurden daran gehindert, sich frei zu bewegen. Ein Bürgergipfel, der im Goethe-Institut in Tunis stattfinden sollte, wurden von den Behörden verhindert. Die politische Polizei besetzte den Tagungsraum.

Der Hungerstreik von sieben Menschen- und Bürgerrechtlern ging gestern in Tunis in seinen 31. Tag. Die Gruppe protestiert gegen „die ständige Verschlechterung der Grundfreiheiten in Tunesien“. Sie fordert ein Ende der Zensur, die Anerkennung aller Parteien, Gewerkschaften und Assoziationen sowie die Freilassung von über 400 politischen Gefangenen.

Die zum Gipfel angereiste iranische Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi forderte die Hungerstreikenden auf, ihre Aktion abzubrechen. „Eure Gesundheit ist wichtig, damit ihr den Kampf für die Freiheit weiterführen könnt. Das Ziel des Streiks ist erreicht, die ganze Welt hat die Botschaft erhalten“, erklärte sie. REINER WANDLER

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