Venezuela: Märsche für und gegen Chávez
Die Opposition demonstriert für Meinungsfreiheit und gegen das Bildungsgesetz. Der Präsident grüßt seine Anhänger aus Teheran.
PORTO ALEGRE taz | In Caracas haben am Samstag tausende für und gegen die Politik von Präsident Hugo Chávez demonstriert. Während die Opposition von den wohlhabenden Vierteln der venezolanischen Hauptstadt bis vor das Gebäude der Staatsanwaltschaft im Zentrum zog, marschierten die Chávez-Anhänger im Armenbezirk Catia los. Der Präsident, der sich in Teheran aufhielt, beglückwünschte Letztere zu ihrem Einsatz gegen eine "Verschwörung gegen das Vaterland".
Im Gegensatz zu den vergangenen Wochen kam es diesmal zu keinerlei Zusammenstößen. Die überwiegend rot gekleideten Chávez-Fans skandierten Parolen gegen die sieben Militärbasen, die das Nachbarland Kolumbien den USA einräumen wird. "Das Problem der Opposition ist Chávez, den wollen sie stürzen und das Land wieder den USA ausliefern", rief der Aktivist Argenis Castillón.
Die Farbe Weiß überwog bei der Demonstration der Bürgerlichen. Diese klagten ihr Recht auf friedlichen Protest ein. Damit knüpften sie an die Kundgebungen in mehreren Ländern vom Freitag gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Venezuela an, die rechte Kolumbianer über Facebook und Twitter organisiert hatten.
Die Regierung hat nämlich eine "Demokratisierung des Rundfunkspektrums" eingeleitet. Demnächst soll 29 Sendern der Betrieb untersagt werden, da sie sich nicht an die Regeln zur Erneuerung der Lizenzen gehalten hätten, wie der zuständige Minister Diosdado Cabello auf der Regierungskundgebung ankündigte. Zuvor waren bereits 32 Radio- und zwei Fernsehsender geschlossen worden.
Die Kritik der Oppositionellen richtet sich auch auf das im August verabschiedete Bildungsgesetz, in der sie die Gefahr einer "sozialistischen Indoktrinierung" sehen. Mit dem Gesetz soll ärmeren Schichten der Zugang zu den Universitäten erleichtert werden, die Autonomie von privaten Schulen und Universitäten wird weiter eingeschränkt. Der Religionsunterricht, bislang eine Domäne der katholischen Kirche, ist künftig nur noch Wahlfach. Das Bildungsgesetz richte sich "gegen die Ideologie des Kapitalismus" und sei die "Seele der sozialistischen Revolution", sagte ein Bürgermeister und Anhänger des Präsidenten.
Leser*innenkommentare
clueless
Gast
Religion - in Deutschland auch nur ein Wahlfach oder?
Sendelizensen nicht verlängert - in Deutschland auch ein Problem...
Aufruf zum Putsch (als Zeitung oder als Fernsehsender) - auch in Deutschland nicht erwünscht...
Und ein Protestaktion für freien Protest, die nicht niedergeschlagen oder verboten wird ist schon ein wenig seltsam...
jan z. volens
Gast
Die "Medien-Freiheit" waehrend sozialwirtschaftlichen Umwaelzungen in Lateinamerika ist ein "gordischer Knoten" fuer welchen es wahrscheinlich keine ideale Loesung gibt - besonders in Lateinamerika wo die sozialen Schichten "oben" und "unten" gleichzeitg meist bei den Rassen-und-Farbenklassen gegeneinander reiben. Die Medien sind immer vorwiegend in der Kontrolle von "oben" -oder vom Ausland "beraten" und "finanziert" - also von der USA, England und dem Vatikan: Das ist nun mal so! Die U.S. Mentalitaet entwickelt eine psychiatrische Histerie sobald das Wort "Social" erscheint -also das betrifft sogar die Sozialdemokraten in Deutschland und Skandinavien - die kommen auch wieder mal dran - you can bet on it! Es waere also zumindest normaler wenn die USA und ihre "Verbuendeten" nicht immer sofort eine Belagerung vollziehen - aber das wird sich niemals aendern solange die USA die "Weltfuehrung" beansprucht und allein ihre jeweilige Mentalitaet zur Pflicht fuer die ganze Menschheit bedingt.
Jas
Gast
Das Bildungsgesetzt ist jedenfalls eine gute Sache. Das Land ist allerdings so zerstritten und in zwei Lager zerfallen, dazwischen gibt es garnichts mehr; keine gemäßigte oder desinteressierte Schicht.
Diese Polarisierung schlägt zuweilen auch auf Deutschland über, wenn hier in den Medien über Venezuela berichtet wird.