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Behindertenbeauftragte macht DruckDas Recht auf Bildung

Die Behindertenbeauftragte Karin Evers-Meyer geht am Dienstag mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit - auch die anderen Fraktionen haben unterzeichnet.

Karin Evers-Meyer: "Das ist einmalig, wir ziehen alle an einem Strang". Bild: dpa

MÜNCHEN/BERLIN taz | Für bayerische Verhältnisse hat Petra Langkamp Glück gehabt. Ihre siebenjährige Tochter hat das Down-Syndrom, lernt jedoch nicht in einer Förderschule, sondern perfekt integriert an einer Münchener Grundschule. Langkamp hat für ihre Tochter einen der wenigen Plätze in einer sogenannten integrativen Außenklasse bekommen.

Zusammen mit 15 anderen Grundschulkindern werden dort sieben Kinder mit Behinderungen unterrichtet. Die Kinder profitieren, die Eltern sind begeistert. "Es ist momentan die beste Integration, die wir haben können", meint Langkamp. "Meine Tochter ist sehr glücklich an der Schule. Wir haben eine fantastische Lehrerin und einen guten Kontakt unter den Eltern." Was für Familie Langkamp ein Glücksfall war, sollte in Deutschland längst Standard sein. Bereits im Jahr 2006 verabschiedete die UNO die Behindertenrechtskonvention, in der das Recht behinderter Menschen auf Bildung anerkannt wird und sich die Staaten auf ein integratives Bildungssystem "auf allen Ebenen" verpflichten. Seit März 2009 ist die Konvention in Deutschland in Kraft - doch in der Realität hakt es. Nur 15 Prozent der behinderten Kinder besuchen eine Regelschule - in Nachbarländern sind es bis zu 80 Prozent. "Die Skandinavier machen uns vor, wie es geht", sagt Karin Evers-Meyer (SPD), die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung.

In dem Aufruf "Gute Bildung! Auch für Kinder mit Behinderungen", der am Dienstag von Evers-Meyer in Berlin vorgestellt wird und der taz vorliegt, fordert die Politikerin nun ein klares Bekenntnis zu der UNO-Konvention. Bemerkenswert: Neben Evers-Meyer und den beiden SPD-Schattenkabinettsmitgliedern Andrea Nahles und Manuela Schwesig unterstützen auch alle behindertenpolitischen Sprecher anderer Bundestagsfraktionen das Papier. "Das ist einmalig, wir ziehen alle an einem Strang", sagt Evers-Meyer. "Im Inhalt sind wir uns alle einig - es muss mehr getan werden", sagt der CDU-Politiker Hubert Hüppe.

Dies erfährt in Bayern Petra Langkamp am eigenen Leib. Denn da ist noch das Problem mit den Stundenzahlen. Nicht behinderte und Förderkinder besuchen mit ihrer Tochter zwar eine Klasse, doch die Normalo-Kinder bekommen mehr Unterricht. Im zweiten Schuljahr lernen sie jede Woche eine Stunde länger, im dritten sechs Stunden. Petra Langkamp versteht das nicht. "Unsere Kinder haben ein Anrecht auf dieselbe Stundenzahl." Sie hat sich erfolglos an das Kultusministerium gewandt, auch eine Petition an den Landtag gestellt. Darüber wird aber erst in ein paar Wochen verhandelt - nach der Bundestagswahl.

Rein formal ist Langkamps Tochter an einer Förderschule eingeschrieben, die mit ihrer Grundschule kooperiert. Für Förderschulen und Grundschulen gelten andere Stundentafeln. Und die Förderschulkinder will man nicht mit zu viel Unterricht überfordern, so habe man es ihr gesagt, als sie sich beschwerte, erzählt Langkamp und meint: "Föderschulkinder und ihre Eltern haben einfach keine Lobby."

Eigentlich wollte sie ihre Tochter auf die Grundschule in ihrem Stadtviertel schicken. Laut bayerischem Unterrichtsgesetz kann ein behindertes Kind mit sonderpädagogischer Hilfe auch an einer normalen Schule lernen. Doch das Wort "kann" im Gesetzestext lässt den Grundschulen viel Freiheiten, sich vor ihrer Verantwortung zur Integration zu drücken. Als Petra Langkamp bei der Schulleitung vorsprach, sagte man ihr, für die Integration behinderter Kinder habe man in der Schule keinen Platz. So muss ihre Tochter nun in eine Grundschule am anderen Ende von München gehen.

"Wir brauchen einen Mentalitätswandel", sagt die Behindertenbeauftragte Evers-Meyer vor der Unterzeichnung des Aufrufs. Dass der nun bei der SPD im Willy-Brandt-Haus vorgestellt wird, missfällt jedoch den Kollegen der anderen Parteien: "Die Thematik ist zu wichtig, um damit Wahlkampf zu machen", sagt der Grüne Markus Kurth. Ebenso äußert sich der CDU-Politiker Hubert Hüppe. "Ich hoffe, dass dies nicht parteipolitisch ausgeschlachtet wird", sagt Hüppe. Der Einladung von Karin Evers-Meyer werden sie jedenfalls fernbleiben: "Als Beistellmännchen gehe ich nicht da hin", sagt Markus Kurth.

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16 Kommentare

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  • WB
    Wolfgang Banse

    Diskriminierung

    Trotz Diskriminierungsverbot der im Grundgesetz der Bundesrepublikanischen Verfassung verankert ist,werden Gehandicapte nach wie vor diskriminiert. Bildungschancen besonders für gehandicapte Kinder in Refelschulensind ein Fremdwort. Integration kann nur geschehen und praktiziert werden,wenn auch gehandicapte Kinder unter normativen Unterrichtsbedingungen unterrichtet werden.In Sachen Integration und Rehabilitation ist der Standort Deutschland im Vergleich zu den südländischen und skandinavischen Ländern nicht federführend. Das Amt der Beauftragten für Behinderte bei der Bundesregierung ist ein Amt ohne Biss. Eiene Art Alibifunktionsamt ohne Kompetenzen.Deutschland muss noch viel tun um Behindertenfreundlich zu werden.Wolfgang Banse

  • UK
    uwe kuenemund

    frage an jonny,

    welche vereine meinst du?

  • UW
    Ursula Walther

    In Bayern gibt es sehr wohl eine Lobby für behinderte Kinder und ihre Eltern: den Bayerischen Elternverband, der eine sehr aktive Förderschulabteilung hat.

  • J
    Johnny

    @uwe kuenemund: Wie sieht es aus mit Unterstützung von Vereinen, haben sie dort schonmal nachgefragt? Vereine sind eine gute Möglichkeit und sollte weiter ausgebaut werden, falls wie hier der Staat versagt.

  • AD
    Axel Dörken

    Ein Grundsatz sollte jedem Menschen in Deutschland vorgehalten werden:

     

    Wir sind alle behindert. Bei manchen ist es lediglich leichter zu bemerken.

     

    Integrationsklassen werden zum Standard von Bildungseinrichtungen der Zukunft sein, denke ich.

     

    Dass sie damit in Schlungseinrichtungen von Heute eher selten etwas zu suchen haben, stößt mir auf.

     

    Wer seine, mindestens im Bereich des Selbstbewusstseins und des Egos vorhandene, eigene Behinderung nicht anzuerkennen und damit umzugehen weiß, wird immer die Angst, oft in Form von Nervosiät und anderen Gefühlen des Unwohlsein, in sich fühlen, wenn er denn offen mit dem Thema konfrontiert wird.

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • KM
    Katze mit Hut

    Hier in England wird sich gerade von Organisationen wie der NDCS (National Deaf Children's Society) dafür eingesetzt, dass die gehörlosen Kinder NICHT an Regelschulen lernen müssen...

  • UK
    uwe kuenemund

    Schön das in dieser Hinsicht etwas geschied.

     

    Wir haben auch einen Kind mit Down Syndrom ,ein Mädchen. Auch Sie ging bis zur fünften Klasse in eine ganz normale Sonderschule, leider war Sie das einzige Kind mit Behinderung, und musste diese schule nach der fünften klasse verlassen. Sie konnte gut lesen schreiben und rechnen + - bis 100.

    Also suchten wir eine Behindertenschule in der es so auch weiter ging, leider ohne Erfolg, nirgends wurden diese Fächer unterrichtet und wenn ja war diese Schule nicht in unserem Landkreis. Bei Schülermangel so hieß, es würde sie einen Platz bekommen, aber in dieser Schule gab es keinen Schülermangel.

    Mit etwas Glück fanden wir dann eine sehr gute Schule in unserem Landkreis, in der unsere Tochter auch noch geht und gut unterrichtet wird.

    Dumm für uns ist das der LANDKREISS HILDESHEIM die Kosten für diese Schule nicht tragen will,(andere Landkreise tun dieses),

    und wir seit nun mehr drei Jahren nicht wissen wie es weiter geht. Einen Prozess gegen diese Endscheidung haben wir schon verloren, ist in angesichts der schlechten Haushaltslage nicht wirtschaftlich. Die zweite Klage läuft noch und wir wissen nicht wie es weiter geht.

     

    Bleibt noch zu sagen, das diese Schule und ein

    Behindertenwohnheim, beide werden getrennt geleitet, auf ein Gelände sind. Würden wir unsere Tochter in dieses Heim geben, ginge sie ohne Probleme auf dieser Schule. Aber mit einen um vieles höheren Kostenaufwand. Und nicht in Ihrem und auch nicht in unseren Sinn.

  • UK
    Uwe Künemund

    Schön das in dieser Hinsicht etwas geschied.

     

    Wir haben auch einen Kind mit Down Syndrom ,ein Mädchen. Auch Sie ging bis zur fünften Klasse in eine ganz normale Sonderschule, leider war Sie das einzige Kind mit Behinderung, und musste diese schule nach der fünften klasse verlassen. Sie konnte gut lesen schreiben und rechnen + - bis 100.

    Also suchten wir eine Behindertenschule in der es so auch weiter ging, leider ohne Erfolg, nirgends wurden diese Fächer unterrichtet und wenn ja war diese Schule nicht in unserem Landkreis. Bei Schülermangel so hieß, es würde sie einen Platz bekommen, aber in dieser Schule gab es keinen Schülermangel.

    Mit etwas Glück fanden wir dann eine sehr gute Schule in unserem Landkreis, in der unsere Tochter auch noch geht und gut unterrichtet wird.

    Dumm für uns ist das der LANDKREISS HILDESHEIM die Kosten für diese Schule nicht tragen will,(andere Landkreise tun dieses),

    und wir seit nun mehr drei Jahren nicht wissen wie es weiter geht. Einen Prozess gegen diese Endscheidung haben wir schon verloren, ist in angesichts der schlechten Haushaltslage nicht wirtschaftlich. Die zweite Klage läuft noch und wir wissen nicht wie es weiter geht.

     

    Bleibt noch zu sagen, das diese Schule und ein

    Behindertenwohnheim, beide werden getrennt geleitet, auf ein Gelände sind. Würden wir unsere Tochter in dieses Heim geben, ginge sie ohne Probleme auf dieser Schule. Aber mit einen um vieles höheren Kostenaufwand. Und nicht in Ihrem und auch nicht in unseren Sinn.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Diskriminierung

    Trotz Diskriminierungsverbot der im Grundgesetz der Bundesrepublikanischen Verfassung verankert ist,werden Gehandicapte nach wie vor diskriminiert. Bildungschancen besonders für gehandicapte Kinder in Refelschulensind ein Fremdwort. Integration kann nur geschehen und praktiziert werden,wenn auch gehandicapte Kinder unter normativen Unterrichtsbedingungen unterrichtet werden.In Sachen Integration und Rehabilitation ist der Standort Deutschland im Vergleich zu den südländischen und skandinavischen Ländern nicht federführend. Das Amt der Beauftragten für Behinderte bei der Bundesregierung ist ein Amt ohne Biss. Eiene Art Alibifunktionsamt ohne Kompetenzen.Deutschland muss noch viel tun um Behindertenfreundlich zu werden.Wolfgang Banse

  • UK
    uwe kuenemund

    frage an jonny,

    welche vereine meinst du?

  • UW
    Ursula Walther

    In Bayern gibt es sehr wohl eine Lobby für behinderte Kinder und ihre Eltern: den Bayerischen Elternverband, der eine sehr aktive Förderschulabteilung hat.

  • J
    Johnny

    @uwe kuenemund: Wie sieht es aus mit Unterstützung von Vereinen, haben sie dort schonmal nachgefragt? Vereine sind eine gute Möglichkeit und sollte weiter ausgebaut werden, falls wie hier der Staat versagt.

  • AD
    Axel Dörken

    Ein Grundsatz sollte jedem Menschen in Deutschland vorgehalten werden:

     

    Wir sind alle behindert. Bei manchen ist es lediglich leichter zu bemerken.

     

    Integrationsklassen werden zum Standard von Bildungseinrichtungen der Zukunft sein, denke ich.

     

    Dass sie damit in Schlungseinrichtungen von Heute eher selten etwas zu suchen haben, stößt mir auf.

     

    Wer seine, mindestens im Bereich des Selbstbewusstseins und des Egos vorhandene, eigene Behinderung nicht anzuerkennen und damit umzugehen weiß, wird immer die Angst, oft in Form von Nervosiät und anderen Gefühlen des Unwohlsein, in sich fühlen, wenn er denn offen mit dem Thema konfrontiert wird.

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • KM
    Katze mit Hut

    Hier in England wird sich gerade von Organisationen wie der NDCS (National Deaf Children's Society) dafür eingesetzt, dass die gehörlosen Kinder NICHT an Regelschulen lernen müssen...

  • UK
    uwe kuenemund

    Schön das in dieser Hinsicht etwas geschied.

     

    Wir haben auch einen Kind mit Down Syndrom ,ein Mädchen. Auch Sie ging bis zur fünften Klasse in eine ganz normale Sonderschule, leider war Sie das einzige Kind mit Behinderung, und musste diese schule nach der fünften klasse verlassen. Sie konnte gut lesen schreiben und rechnen + - bis 100.

    Also suchten wir eine Behindertenschule in der es so auch weiter ging, leider ohne Erfolg, nirgends wurden diese Fächer unterrichtet und wenn ja war diese Schule nicht in unserem Landkreis. Bei Schülermangel so hieß, es würde sie einen Platz bekommen, aber in dieser Schule gab es keinen Schülermangel.

    Mit etwas Glück fanden wir dann eine sehr gute Schule in unserem Landkreis, in der unsere Tochter auch noch geht und gut unterrichtet wird.

    Dumm für uns ist das der LANDKREISS HILDESHEIM die Kosten für diese Schule nicht tragen will,(andere Landkreise tun dieses),

    und wir seit nun mehr drei Jahren nicht wissen wie es weiter geht. Einen Prozess gegen diese Endscheidung haben wir schon verloren, ist in angesichts der schlechten Haushaltslage nicht wirtschaftlich. Die zweite Klage läuft noch und wir wissen nicht wie es weiter geht.

     

    Bleibt noch zu sagen, das diese Schule und ein

    Behindertenwohnheim, beide werden getrennt geleitet, auf ein Gelände sind. Würden wir unsere Tochter in dieses Heim geben, ginge sie ohne Probleme auf dieser Schule. Aber mit einen um vieles höheren Kostenaufwand. Und nicht in Ihrem und auch nicht in unseren Sinn.

  • UK
    Uwe Künemund

    Schön das in dieser Hinsicht etwas geschied.

     

    Wir haben auch einen Kind mit Down Syndrom ,ein Mädchen. Auch Sie ging bis zur fünften Klasse in eine ganz normale Sonderschule, leider war Sie das einzige Kind mit Behinderung, und musste diese schule nach der fünften klasse verlassen. Sie konnte gut lesen schreiben und rechnen + - bis 100.

    Also suchten wir eine Behindertenschule in der es so auch weiter ging, leider ohne Erfolg, nirgends wurden diese Fächer unterrichtet und wenn ja war diese Schule nicht in unserem Landkreis. Bei Schülermangel so hieß, es würde sie einen Platz bekommen, aber in dieser Schule gab es keinen Schülermangel.

    Mit etwas Glück fanden wir dann eine sehr gute Schule in unserem Landkreis, in der unsere Tochter auch noch geht und gut unterrichtet wird.

    Dumm für uns ist das der LANDKREISS HILDESHEIM die Kosten für diese Schule nicht tragen will,(andere Landkreise tun dieses),

    und wir seit nun mehr drei Jahren nicht wissen wie es weiter geht. Einen Prozess gegen diese Endscheidung haben wir schon verloren, ist in angesichts der schlechten Haushaltslage nicht wirtschaftlich. Die zweite Klage läuft noch und wir wissen nicht wie es weiter geht.

     

    Bleibt noch zu sagen, das diese Schule und ein

    Behindertenwohnheim, beide werden getrennt geleitet, auf ein Gelände sind. Würden wir unsere Tochter in dieses Heim geben, ginge sie ohne Probleme auf dieser Schule. Aber mit einen um vieles höheren Kostenaufwand. Und nicht in Ihrem und auch nicht in unseren Sinn.