Der Aufholprozess im Osten stockt: Den Konzernsitz lieben lernen

Die fünf neuen Bundesländer müssen sich von ihrer Funktion als Werkbank des Westens lösen, sagt eine neue Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle.

Ein Hoffnungsschimmer im Osten ist die Produktion von Solarzellen. Bild: ap

BERLIN taz | Ostdeutschland ist zu kleinteilig; Städte, Unternehmen, Ballungszentren - nichts davon hat eine Größe, mit der die fünf neuen Länder wirtschaftlich zum Westen aufschließen könnten. Das ist ein Ergebnis der Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) über die Transformation Ostdeutschlands seit 1990, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

"Im Osten fehlen Headquarter großer Konzerne", sagt IWH-Präsident Ulrich Blum. Doch würden dort, in den Unternehmenszentralen, die hohen Einkommen erzielt. Dass im Osten noch immer ein niedrigeres Einkommensniveau herrsche als im Westen, liege auch daran. Daneben fehle es auch an Metropolen, die ökonomisch auf die Region ausstrahlen könnten, wie etwa München, Frankfurt oder Düsseldorf in den alten Ländern. "Berlin funktioniert in dieser Hinsicht nicht", kritisiert Blum.

Die Produktion pro Kopf lag im Osten 2008 bei 69 Prozent des westdeutschen Standes, Tendenz gleichbleibend. Auch der Aufholprozess bei den Einkommen stockt. Blum betont, dass die Ostbundesländer im Schnitt nur halb so dicht besiedelt seien wie die im Westen. Diese unterschiedlichen Strukturen schlügen sich auch in der wirtschaftlichen Leistungskraft nieder.

Zu diesem Befund war kürzlich auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin mit seiner Einheitsbilanz gelangt. Das DIW bezweifelt aus diesem Grund, dass der Osten ökonomisch je zum Westen aufschließen kann.

IWH-Chef Blum hingegen sieht in den neuen Ländern Potenzial, vor allem in der Südkurve Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. "In absehbarer Zeit werden wir nicht mehr von einem Ost-West-, sondern von einem Nord-Süd-Gefälle sprechen", prophezeit der Ökonom. Hoffnungsträger seien vor allem die Branche erneuerbarer Energien wie die Solar- oder Biomassetechnik.

Sobald es nach der Wirtschaftskrise wieder bergauf ginge, stiegen auch die Rohstoffpreise. Davon profitierten diese Unternehmen besonders. "Es entwickeln sich Firmen, die in 20, 30 Jahren DAX-Konzerne werden könnten", sagt er. Gefahr drohe hier von "schlecht aufgestellten Unternehmen im Westen, die im Osten auf Einkaufstour gehen", warnt Blum. Wenn sie innovative Betriebe aufkauften, verhinderten sie die Entwicklung großindustrieller Strukturen.

Die örtlichen Politiker müssten daher eine "Liebe zum Konzernsitz" entwickeln, rät der Wirtschaftsforscher. Die Förderung von aufgekauften Unternehmen könnte etwa an den Verbleib der Unternehmenszentrale in den neuen Ländern geknüpft werden - auch wenn das europarechtlich schwierig umzusetzen sei.

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