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Joschka Fischer als SonderberaterLobbying für das Nabucco-Projekt

Der Ex-Außenminister Joschka Fischer wirbt für den Energiekonzern RWE für die neue Gastransitroute. Damit werde das Monopol des russischen Konzerns Gazprom beendet.

Wirbt für Nabucco: Exaußenminister Joschka Fischer. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Joschka Fischer ist zurück in Brüssel. Zwar hat er seinen Traumjob als Europäischer Außenminister nicht bekommen. Doch den Journalisten versichert er sichtlich vergnügt: "Ich mache mehr oder weniger das, was ich als deutscher Außenminister auch getan habe." Seit Anfang Juli ist Fischer Sonderberater des Energiekonzerns RWE für das Nabucco-Pipeline-Projekt, das der von Russland geplanten Gasleitung durch die Ostsee (Nordstream) Konkurrenz machen soll.

Altbundeskanzler Gerhard Schröder berät den russischen Konzern Gazprom beim Nordstream-Projekt, sein ehemaliger Gegenspieler in der rot-grünen Koalition engagiert sich für die Nabucco-Pipeline. Sieht Joschka Fischer darin eine gewisse Ironie? "Natürlich", sagt der trocken und grinst über seine Lesebrille weg. Als er gefragt wird, was wohl die grüne Basis zu seiner Entscheidung sagt, wird er ernst: "Ich bin seit vier Jahren nicht mehr in der Regierung, vor drei Jahren aus dem Parlament ausgeschieden. Ich bin ein freier Mann." Er sei noch immer Mitglied der Grünen, "und stolz darauf".

Mit dieser politischen Grundhaltung könne er das Engagement für die geplante Leitung, die Gas aus der kaspischen Region über die Türkei nach Europa pumpen soll, gut vereinbaren. "Ich habe das Projekt unterstützt, bevor ich von RWE angeheuert wurde." Monopole führten zu Abhängigkeit, und Nabucco beende das Gazprom-Monopol. Zudem werde die Leitung so konstruiert, dass in beide Richtungen Gas gepumpt werden könne. Damit seien Krisen wie im vergangenen Winter, als Russland die Gaslieferungen nach Westen drosselte, künftig ausgeschlossen. Über die von RWE betriebenen Atomkraftwerke, zum Beispiel im hessischen Biblis, rede er nicht mit Konzernvertretern. "Ich bin Sonderberater für Nabucco und nichts anderes."

Für die Europäische Union ist die geplante Leitung, die ab 2014 Gas liefern soll, ein äußerst wichtiges, aber diplomatisch verzwicktes Projekt. "Gasleitungen sind zwar aus Stahl, doch Nabucco kann die Verbindung zwischen unseren Völkern zementieren", sagte Kommissionspräsident Manuel Barroso am 13. Juli in Ankara, als die EU, Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die Türkei die Zusammenarbeit schriftlich bestätigten. Zuvor hatte die türkische Regierung mehrfach mit Ausstieg aus dem Projekt gedroht, sollten die Beitrittsverhandlungen zur EU nicht zügiger vorangehen. Neuen Streit darüber will Fischer nicht ausschließen. Doch vielleicht erhöhe Ankaras neue Rolle in der Energieversorgung bei manchem Mitglied die Bereitschaft, weitere Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zu öffnen.

Läuft alles nach Plan, soll 2011 mit dem Bau der Pipeline begonnen werden. Ab 2014 sollen jährlich 8 Milliarden Kubikmeter Gas durch die 3.300 Kilometer lange Leitung fließen. Die maximale Kapazität von 31 Milliarden Tonnen soll ungefähr 2020 erreicht sein - das entspräche fünf Prozent des dann in Europa erwarteten Gasverbrauchs.

Vor allem Moskau macht mit dem Argument Stimmung gegen die unerwünschte Konkurrenz, es gäbe nicht genug Gas für eine weitere Pipeline. Dem hält RWE entgegen, dass Aserbaidschan und Turkmenistan sowie Kasachstan als Lieferanten bereitstünden. Ägypten habe ebenfalls Interesse signalisiert. Im Nordirak gebe es riesige Gasfelder, mittelfristig komme auch der Iran als Lieferant in Betracht.

Russland hat in der Vergangenheit versucht, die kaspischen Staaten durch langfristige Lieferverträge und gute Preise an sich zu binden, kann aber wegen der Wirtschaftskrise seine Zusagen nicht einhalten. Deshalb wenden sich einige Lieferländer stärker Europa zu. Ein Chefdiplomat wie Fischer hat also viel zu tun. So stressig wie die Zeit als Außenminister sei der Job aber nicht, versicherte er gestern. Dafür vielleicht besser bezahlt? Da grinst der Altgrüne noch mal: "Besser bezahlt, ja, das mag wohl sein …"

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12 Kommentare

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  • MD
    Margie Dragon

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    Was ist "politische" Moral heute noch wert?

    Wenn sich so profilierte Politiker wie der Joschka Fischer sich vom ach so atomlastigen RWE sponsorn lässt, kann das nur heißen, dass es mit unserer Parteienlandschaft so nicht weitergehen kann und soll ! Die Demokratie braucht den Wandel - oder, Herr Fischer, fließt das Honorar des Beratervertrages direkt zu green-peace oder attac?

    Mir wird es nur noch schlecht über diese zutiefst unmoralischen politischen Grufties, die den Hals nie voll genug bekommen können, oder ist es etwa die ach so teurere Ehefrau und der Zwang zu Champagner und Armani? Immerhin haben rot-grün das Harz IV- Verbrechen an den Menschen, die weniger privilegiert sind begangen.

    Dank an die TAZ für die lesenswerte Berichterstattung

  • M
    Methodator

    Der Steinewerfer Fischer, der in diesem linken Organ immer verhätschelt wurde, entlarvt sich durch die heuchlerische Anbiederung an RWE. Brechreiz steigt einem bei dem Gedanken an das Subjekt Fischer in einem auf.

  • 1M
    1. Mai

    > Sozialdemokraten.

     

    > Die Grüne Partei.

  • M
    mareike

    Es fällt auf, dass sich viele aus der rot/grünen 'Regierungsclique' mit Pöstchen bei der Wirtschaft abgesichert haben. Bereits zu Regierungszeiten? Schröder, Clement, Müller, Fischer ...

    Für den Rest der Bevölkerung gibt's seit rot/grün Hartz-4, Niedrigstlöhne und aus dem Boden schießende Tafeln...usw

  • P
    Plum

    Und wieder einmal:

     

    Wer grün wählt, wird schwarz ernten.

  • J
    Jascha

    Mit seinem Statement, dass er seit 3 Jahren nicht mehr in der Regisrung sitzt und somit ein freier Mann sei, sagt er doch nichts anderes, als dass ihm die Politik für die er sich früher eingesetzt hat aufgibt und verrät und es ihm sch*** egal sein kann.

    So von wegen, die können ihm ja jetzt nichts mehr vorwerfen und da darf man schonmal die Seiten wechseln.

  • H
    Hank

    Unabhängig davon dass Nabucco eine wichtige Sache ist - es ist trotzdem nicht nur ein "Geschmäckle" dabei, sondern ein widerwärtiger Gestank, wenn einer wie Fischer sich zum Lobbyisten bei RWE aufschwingt und im besten Lobbyistensprech schonmal die Zustimmung der Türkei zur Pipeline mit Vorteilen für den EU-Beitritt verknüpft - als ob das eine mit dem anderen zu tun hätte...so gesehen wären auch Georgien, Weißrussland, Ukraine usw. wunderbare Beitrittskandidaten - da gibts auch ne Menge Pipelines - nur - böse - transportieren sie eben russisches und turkmenisches Gas...Er mag seine Rechtfertigungen in Verblendung selber für stichhaltig halten...für mich ist er nun entgültig unten durch. Aber das wird diesen Herrn nicht weiter kratzen. Denn an Abgehobenheit wird er wohl aktuell nur noch von Kohl übertroffen - wer weiß wie lange noch...

  • I
    instroemen

    Alles, wofür ich diesen Mann einst mochte, hat er verloren. Warum wundert mich reichlich wenig, dass nach "Gas-Gerd", meiner Hoffnung gegen den Kanzler in Birnengestalt, nun auch "Turnschuh-Joschi" auf dem Niveau angelangt ist, das in Zahlen auf einer Skala von 1-100 ausgedrückt dem prognostizierten Wahlergebnis der SPD in nichts nachsteht?

     

    Grüne wählen und zusehen, wie Ideale für Macht an die Wand gefahren werden. Hurraverdammtnochmal.

  • BH
    Björn Hens

    Schade, schade... was will man noch sagen.

  • KK
    Klaus Keller

    " Er sei noch immer Mitglied der Grünen, "und stolz darauf"

     

    ist das wechselseitig?

     

    "Das mag wohl sein..."das es besser bezahlt wird als die Tätigkeit als Außenminister..

     

    d.h. er weiß es nicht ?

     

    Vielleicht sollte Herr Fischer auch mit Steinen handeln, als steinewerfender Demonstrant hat der nichtpazifist Erfahrung.

    Steinigungen sollen in manchen Teilen der Welt wieder in Mode sein und dem Stein ist es egal ob er einen Polizisten trifft oder eine verurteilte Ehebrecherin. Der Vorgang des steinewerfens ist auch der Gleiche. Man nimmt einen Stein und wirft ihn auf einen Menschen.

     

    Auf dem langen lauf zu sich selbst würde ich gerne wissen von wo aus Herr Fischer loslief.

     

    Ich habe den Eindruck er läuft immer noch und kommt auch nicht mehr zusich.

     

    klaus keller hanau

  • M
    messiah

    "Da grinst der Altgrüne nochmal". Ja, schon klar Lobbyismus gegen ein böses Monopol... So kennen wir ihn, den Joseph Fischer. Steine werfen, Bomben werfen - immer für eine grüne und gerechte Welt. hahahaha

  • M
    messiah

    "Da grinst der Altgrüne nochmal". Ja, schon klar Lobbyismus gegen ein böses Monopol... So kennen wir ihn, den Joseph Fischer. Steine werfen, Bomben werfen - immer für eine grüne und gerechte Welt. hahahaha