Streit der Woche: Ex-Terrorist kritisiert Auto-Anzünder
Ist das Abfackeln von Luxusautos politisch? Ja, sagt Attac-Vertreter Pedram Shahyar. Nein, meint hingegen der Ex-Terrorist Michael "Bommi" Baumann. Das sei reine Randale.
BERLIN taz | Der ehemalige Terrorist Michael "Bommi" Baumann spricht dem Abfackeln von Luxusautos jede politische Motivation ab. "Wahllos Autos anzünden, die in der Gegend herumstehen, ist nicht mehr politisch", schreibt Baumann im "Streit der Woche" der sonntaz. Wirklich politisch könnten solche Brandanschläge überhaupt nur dann sein, wenn der Besitzer des Wagens bekannt sei. Und wer einen Mercedes fahre, sei nicht automatisch ein Kapitalist.
"Würde zum Beispiel mal das Auto von Josef Ackermann brennen, dem Inbegriff des kapitalistischen Horrortyps, würde jeder sagen: Hurra, da hat's endlich mal den Richtigen getroffen", schreibt das ehemalige Mitglied der "Bewegung 2. Juni". Brandanschläge, wie sie momentan in Berlin stattfinden, seien reine Randale: "Das schadet der linken Szene!"
Dagegen sieht Pedram Shahyar, Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac, durchaus ein politischen Hintergrund in den Brandstiftungen. "Dieser Akt ist politisch, weil das Unbehagen gegen Gentrifizierung und Verdrängung der Armen aus Stadtteilen gesellschaftlich bedingt und real ist", schreibt Shahyar in der sonntaz. Die Politiker fordert er auf, den politischen Kern des Problems ernst zu nehmen, statt auf Verfolgung zu setzen.
Laut Polizeiangaben gab es in diesem Jahr allein in Berlin schon mehr als 200 Brandanschläge auf Autos. Bei etwa der Hälfte ermittelt der Staatsschutz wegen des Verdachts auf ein politisches Motiv. Den Rest der Fälle sehen die Beamten als Nachahmungstaten.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kann in den Anschlägen keinen irgendwie gearteten politischen Anspruch erkennen. "Es handelt sich beim Anzünden von Autos um Brandstiftung und damit einzig und allein um Kriminalität", schreibt Wowereit. Er lehne Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab. "Der einzige, der Gewalt kontrolliert und auf der Grundlage von Gesetzen ausüben darf, ist der Staat", schreibt Wowereit. Er hoffe, dass es der Berliner Polizei gelinge, mehr und mehr Täter zu fassen.
Außer Baumann, Shahyar und Wowereit schreibt im "Streit der Woche" Katja Kipping, Vize-Parteichefin der Linken, die findet, dass das Abfackeln zunächst einmal unökologisch ist. Joachim Neubert (Name geändert), aktiv in autonomen Gruppen in Rosenheim, erklärt, warum Autos anzünden für ihn kein Spaß ist, sondern ein Symbol. Ali Zion aus der Pariser Banlieue schreibt über die Situation in Frankreich und taz.de-Leser Peter Heidruschka bekennt, dass er er einen Mittelklassewagen fährt. Und fragt, ob er deshalb ein Kapitalistenschwein sei.
Leser*innenkommentare
Pogo
Gast
mal den Blickwinkel verändern bzw das alles vom Kopf auf die Füsse stellen:
--WER fackelt denn "Luxusschlitten " ab? Die militante Unterschicht oder gar das kämpfende Subproletariat ? HarHar-die ewige Lebenslüge...
Es sind (und waren) IMMER Drop-Outs aus Mittel-oder Oberschicht, die einen "Klassenkampf" SPIELEN
und sich an Symbolen austoben...bis sie dann aus den Scene-Vierteln wegziehen oder dort endgültig versumpft sind
--WER besitzt denn in den "Billigquartieren" einen Mercedes oder BMW? Im Wesentlichen doch Familienväter mit Migrationshintergrund und deren Söhne; also ECHTE Unterschichtler, die stolz darauf sind, es GESCHAFFT zu haben !
So gesehen, ist das alles tatsächlich "Klassenkampf" :
Mittelschichtskinder fackeln Unterschichtsvätern den Benz ab...VENCEREMOS--haha
Rechtsgerückter?
Gast
Naja, es kann schon sein, dass diese Art von Brandstiftung auch zum Teil politisch motiviert ist. Auch die RAF-Terroristen hatten eine politische Motivation und waren vielleicht von der Richtigkeit ihrer Tat überzeugt. Aber eigentlich sind ja sowohl RAF-Terroristen als auch linke Brandstifter Kriminelle, welche hinter Gitter gehören. Es ist übrigens unerträglich, dass das "Brandstiftergesindel" nicht den angerichteten Schaden bezahlen muss. Wäre es wirklich zu brutal, wenn ein Täter den Schaden, welcher durch seine vorsätzlich begangene Tat entstanden ist, im Gefängnis abarbeiten muss? Man könnte ihn z. B. erst dann wieder entlassen, wenn er den Schaden abgearbeitet hat. Ich frag mich, wie viele Autos dann überhaupt noch brennen würden!!??!! Dieser Vorschlag hat natürlich auch seien problematische Seiten, aber die Brandstifter auf Bewährung frei zu lassen und sie nicht zur vollen Verantwortung zu ziehen auch. Kriminalität kann natürlich auch zu unverhältnismäßige Reaktionen von Seiten der Politik führen.
Steine
Gast
Linker Faschismus, nix Neues.
Die roten Weltverbesserer entscheiden mal wieder, wer wann wen oder was abfackeln darf, wer welche Klamotten tragen darf, wer was sagen darf... wo das endet, wissen Menschen mit Hirn seit 1945 bzw. 1989.
Eine Gestalt wie Baumann, der in seinem Leben nichts, aber auch gar nichts zustande gebracht hat, als im vorigen Jahrhundert ein roter Terrorist gewesen zu sein, darf philosphieren.
Wehret den Anfängen sollte man rufen, aber in Deutschland ist wieder einmal alles zu spät. Viel zu spät.
Seelensammler
Gast
Entscheidend ist nicht mal, dass Autos abgefackelt werden. Entscheidend bleibt, dass sich Linke nicht eindeutig positionieren können. Das ist so, wie ein bißchen schwanger. Entweder ruft man die Revolution aus - mit allen Konsequenzen, oder aber man verzichtet auf Aktionen, die RAF hin oder her, nur einen Schwelbrand gesellschaftlicher Veränderung darstellen. Für die Eigentümer von Luxus-Karossen ist es sicher ärgerlich bis ruinös, wenn der Schlitten abgefackelt wird. Post-historisch ist es ein Bubenstreich. Gerade mal der Beweis dafür, dass ein paar Kinder, trotz Pisa, dennoch in der Lage sind, ein Feuerzeug zu bedienen. Die Täter setzen sich selber auf den Topf, freuen sich, einen Haufen Asche gemacht zu haben, bleiben aber Randnotiz, gleich neben "Wohnungseinbruch in Tutenhofen" und "Gabi, 23, ohne Tabus". Da fragt man sich doch, ob solcherlei revolutionär oder nicht einfach nur einfältig ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn man ein paar nostalgische Umsturz-Vokabeln oder die Wort-Klingeleien moderner Soziologie verwendet.
roman bleymaier
Gast
was für eine frage:ist es politisch eine blechkiste abzufackeln...?!.die linke "avantgarde" bewegt sich mit ihren reflexartigen denkmustern immer noch in der guten alten vergangenheit.mit einem durchschnittlichen gehaltsstreifen ist es für jede(n) möglich einen benz/bmw ect. zu leasen. sind das nun alles kapitalisten oder richtet sich der befreiungskampf nun auch schon gegen jene die einen job haben+ mit ihrer kohle machen was sie wollen....das ist alles so öde...
Hans
Gast
Welches Auto fahren eigentlich Petra Pau, Ramelow, Lafontaine, Gysi usw.??? Wenns ein Golf oder mehr ist, dann sollte man den wirklich anzünden....!!!
Und wenn die Genossen erste Klasse Bahn fahren, dann gehört der Wagon abgefackelt.
Alexander
Gast
Die wichtigste Aussage dürfte hier wohl lauten:
"Dieser Akt ist politisch, weil das Unbehagen gegen Gentrifizierung und Verdrängung der Armen aus Stadtteilen gesellschaftlich bedingt und real ist", schreibt Shahyar in der sonntaz.
Amos
Gast
Bei dieser asozialen Politik wundert mich überhaupt nichts mehr. Es kommt noch schlimmer! Man muss in der Politik endlich beweisen, dass man auch was anderes kann, als sich die Taschen zu füllen. Wer ist eigentlich das Volk. Sind das nur die, die es
am besten verstehen andere Mitmenschen abzuzocken?
vic
Gast
Selbst Ackermanns Wagen anzuzünden ist Blödsinn. Es wäre für den Geldsack kein Verlust, einen Wagen zu verlieren, für den er in fünf Minuten ohne einen Euro zu bezahlen Ersatz hat.
regina steingräber
Gast
autos abzufackeln ist politischer unsinn.
1. schadet es der umwelt und
2. ändert sich davon politisch nix.
wer politisch etwas bewegen will, sollte besser seinen verstand einsetzen und nicht auf sein bauchgefühl hören.
Arnold
Gast
Mit Verlaub allein schon der Titel/die Fragestellung der Diskussion ist Irreführend. "Ist Autos anzünden politisch?"
Politisch ist sie sobald jemand damit eine politische Aussage treffen will/ eine gesellschaftliche Bewegung einleiten will. Kurz, will jemand die Lebensumstände verändern, oder macht er gern Krawall/ freut sich am Feuer. (Die Frage ob die Tat "klug/sinnvoll" ist, oder nicht, ist wiederum eine andere.)
Die Fragestellung hier sollte eher in die Richtung gehen, ob der "Zweck" die "Mittel" heilige in dem Fall.
Das "Ziel" ist die Gentrifizierung aufzuhalten. Aufzuhalten, dass "alternatives Leben" nicht aus den Stadtkernen verbannt wird.
Das heißt de facto die Mietpreise niedrig zu halten. Niedrig bleiben die Mietpreise, wenn das Viertel nicht den Ansrüchen des finanzstarken Mainstreams entspricht.
Die "Mittel" fangen damit an, dass man sich dagegen wehrt, dass das Haus in dem man wohnt renoviert wird, wenn absehbar ist, dass man sich im folgenden den Wohnraum nicht mehr leisten kann.
Es geht damit weiter, dass sich bemüht wird, das Image im finanzkräftigen Schichten und bei Investoren zu senken. Das Image sinkt für den deutschen Mainstream z.B. schon, wenn der Anteil an türkisch-Stämmigen in einem Viertel konstant hoch ist. So bleiben die Preise in z.B. Kreuzberg, Kottbusser Tor niedrig. (Worüber sich auch viele nicht türkisch-Stämmigen Anwohner freuen.)
Außerdem werden vermehrt bewusst Häuser beschmiert, damit die Gegend nicht den "Sauberkeits-Ansprüchen" von finanzstarken Mietern entspricht. Damit also die Mieten nicht steigen. (lieber dreckig, als zu teuer)
Eine radikalere Überlegung ist folgende, wenn in entsprechenden Vierteln öfter Autos brennen schreckt das große Investoren ab, damit bleiben die Mietpreise niedrig.
So können die alten Bewohner in den entsprechenden Vierteln wohnen bleiben.
Ansonsten wird die Gemeinschaft der Bewohner Stück für Stück ausgetauscht. Dann würde auch Kreuzberg den Innenstädten wie Stuttgart oder München gleichen. Soweit die Überlegung.
Autos anzuzünden ist mit Sicherheit kein legitimes "Mittel" der Bürger gegen den Staat. Es sollte klar sein, dass man jedem nahelegen sollte sich lieber in den Kommunalen Parlamenten und Parteien zu engagieren. Jedoch ist auch Fakt, dass viele dies für hoffnungslos erachten.
Schließlich müsse sich die Stadt(-verwaltung) entscheiden. Will sie finanzkräftige Investoren fördern und anlocken, oder will sie bezahlbaren Wohnraum der Anwohner schützen.
Das alles bietet mit Sicherheit Diskussionsbedarf. Jedoch ist dem Thema nicht damit gedient, wenn man es mit Fragen verbindet, ob manche Besitzer von Oberklasse Fahrzeugen es mehr oder weniger "verdient" haben.
Deswegen ist die Frage die am Schluss des Artikels steht auch am Thema vorbei.
"Peter Heidruschka bekennt, dass er er einen Mittelklassewagen fährt. Und fragt, ob er deshalb ein Kapitalistenschwein sei."
Eine politische Tat zeichnet sich ja gerade in dem Moment dadurch aus, dass sie keinen persönlichen Charakter besitzt.
Also nicht "Ich brenne Peters Wagen an, weil er ein Kapitalistenschwein ist und ich ihn deswegen nicht mag", sondern "Ich brenne XYs Wagen an, weil ich will, dass die bisherigen "ärmeren" Bürger weiter hier [in Kreuzberg] wohnen können" als Beispiel.
Ob diese Mittel nun gerechtfertigt sind, darüber lässt sich diskutieren. (ich glaube fast nein.)
Und es lässt sich auch, wie der Blick aus Sicht der (verschuldeten) Stadtverwaltung zeigt, das Ziel in Frage stellen.
Jedoch hier sagt Volker Pispers:
"Doch jetzt machen sie sich mal klar, dass diese degenerierte Gesellschaft all die Leute auf die wir alle in diesem Leben mal angewiesen sind [Krankenschwestern, Polizisten, Feuerwehrleute], so schlecht bezahlt, dass die für ihre Familien sich kaum noch Wohnraum in deutschen Großstädten sich leisten können..."
http://www.youtube.com/watch?v=ko5CCSomDMY
Was ist uns wichtiger? Leistungsstärke um jeden Preis, oder schaffen wir es den Wohnungsmarkt auch sozial zu gestalten?
Anna Luehse
Gast
"Autoanzünder"? :-))
Wie nett. Klingt wie Grill-Kohleanzünder oder so.
Eigentlich nennt man sie BRANDSTIFTER;
die, vor denen Biedermann gewarnt wurde.
„Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke. Nichts ist uns verhaßter als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock.“
(Joseph Goebbels)