NRW-Ministerpräsident Rüttgers: Staatskanzlei gab Videospitzel-Tipps

Die CDU in Nordrhein-Westfalen ließ SPD-Spitzenfrau Hannelore Kraft bei öffentlichen Auftritten filmen. Die Staatskanzlei soll verbotenerweise geholfen haben.

"Ich halte die gegenseitige Filmerei nicht für notwendig", behauptet Rüttgers. Seine Staatskanzlei sah das anders. Bild: dpa

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gerät in immer größere Bedrängnis. Nachdem erst unlängst seine Verunglimpfung rumänischer Arbeiternehmer für Unmut gesorgt hatten, sieht er sich jetzt mit weit gravierenderen Vorwürfen konfrontiert. Sein engster Vertrauter in der Staatskanzlei soll umstrittene Wahlkampfaktivitäten der CDU mitgesteuert haben. Das wäre ein massiver Verstoß gegen das in der Verfassung verankerte Trennungsverbot von Regierungs- und Parteiarbeit. Die Grünen sprechen von einer "Barschelei", die SPD von einer "Rüttgers-Gate-Affäre".

Hintergrund ist ein mehreren Journalisten zugespielter E-Mail-Verkehr des Planungsleiters in der Staatskanzlei, Boris Berger, mit der CDU-Parteizentrale. In den Schriftwechseln mit Landesgeneralsekretär Hendrik Wüst sowie dem CDU-Pressesprecher Matthias Heidmeier geht es um die Beobachtung von Wahlkampfauftritten der SPD-Oppositionsführerin Hannelore Kraft. So antwortete Berger am Abend des 8. September auf einen ihm von Heidmeier zugesandten Bericht über eine Veranstaltung Krafts vom selben Tag in Köln: "Gute Infos, danke! Wie bündeln wir solche Infos, wie organisieren wir die dauerhafte Beobachtung und Archivierung der Infos?" Der Parteiapparat habe die systematische Überwachung der SPD-Frontfrau "jetzt im Griff", antwortete Heidmeier prompt. Wörtlich heißt es in der E-Mail: "Jeder Auftritt von Kraftilanti mit Tonband und Kamera. Das Material machen wir zugänglich." Nach heftiger öffentlicher Kritik ließ Rüttgers die Videobeobachtung seiner Konkurrentin elf Tage später stoppen.

Berger gilt als rechte Hand von Rüttgers. Bereits in der Vergangenheit hatte die Opposition mehrfach den Vorwurf erhoben, Berger vermische unzulässig Regierungs- und Parteiarbeit. Doch eindeutig belegen ließ sich das bisher nicht. Nun hält sie ihn für überführt. "Er ist strategischer Chefplaner der CDU geblieben", sagte SPD-Landesgeneralsekretär Michel Groschek. Wie die SPD forderten auch die Grünen von Rüttgers, umgehend personelle Konsequenzen aus dem Skandal zu ziehen.

Rüttgers jedoch schweigt bislang. Stattdessen gab es gestern eine schriftliche Erklärung der Staatskanzlei. Kontakte zwischen ihr zu Parteien seien "üblich und entsprechen den Gepflogenheiten und Notwendigkeiten der Parteiendemokratie", heißt es darin. So habe sich auch Berger "lediglich an der Diskussion über Berichte von öffentlichen Veranstaltungen beteiligt". Dass dessen E-Mail-Verkehr öffentlich wurde, hat ein Regierungssprecher in einem Akt von Vorwärtsverteidigung als "ungeheuerlichen Vorgang" bezeichnet: "Offenbar wird die Staatskanzlei systematisch bespitzelt." Es sei "nicht auszuschließen, dass auch der Ministerpräsident Opfer der Bespitzelungsattacken ist", mutmaßte der Sprecher. Das Landeskriminalamt habe Untersuchungen aufgenommen.

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