Kommentar Drohvideos von Al-Qaida: Hegemonie der Gelassenheit

Vor der Wahl ist nichts passiert, die Sicherheitsbehörden funktionieren - die Droh-Videos sind demnach Ausdruck einer Schwäche.

Jetzt haben wir die Bundestagswahl überstanden - auch kriminalpolitisch. Der von den Sicherheitsbehörden befürchtete Anschlag zur Beeinflussung der Wahl ist ausgeblieben. Stattdessen gab es nur eine Vielzahl an Drohvideos.

Zwar mag die Gefahr noch nicht ganz vorbei sein; immerhin wurden in einem der Filme Terrorakte für die 14 Tage nach der Wahl angedroht. Aber wer Anschläge verüben kann, tut dies doch eher vor einer Wahl, wie 2004 in Spanien. Insofern sind die Drohvideos durchaus auch Ausdruck von operativer Schwäche. Bellende Hunde beißen nicht.

Auch die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland die gewaltbereite islamistische Szene ganz gut unter Kontrolle haben. Mehrere Anschlagsplanungen in Frankfurt/M., Düsseldorf, Berlin und zuletzt im Sauerland konnten schon im Ansatz verhindert werden. Gefährlich sind zwar Einzeltäter wie die zwei Kofferbomber von Nordrhein-Westfalen.

Sie hatten sich relativ spontan radikalisiert, ohne Kontakt zu bekannten Islamisten. Solche Einzeltäter könnten sich auch von den jüngsten Al-Qaida-Videos aufgerufen fühlen. Doch wie die Kofferbomber zeigten: So leicht ist es nicht, eine funktionierende Bombe anhand einer Internet-Anleitung herzustellen.

Die deutsche Öffentlichkeit blieb deshalb trotz der Drohvideos zu Recht erfreulich cool. Niemand rief nach der Bundeswehr, dem Ausnahmezustand oder neuen Anti-Terror-Gesetzen. Im Gegenteil. Als vor zwei Tagen eine Liste aus dem Innenministerium bekannt wurde, in der neue Befugnisse für den Verfassungsschutz gefordert wurden, war fast nur Ablehnung und Empörung zu hören.

Sogar der zuständige Minister Wolfgang Schäuble behauptete, er kenne die Liste gar nicht. Diese Hegemonie der Gelassenheit ist - unabhängig vom Wahlausgang - ein äußerst positives Ergebnis dieses Wahlkampfs.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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