AKW-Laufzeiten: Der Atomkonsens bröckelt
Nach den Pro-Ausstieg-Äußerungen des Saar-Ministerpräsidenten Peter Müller hoffen Umweltverbände, dass längere Restlaufzeiten noch verhindert werden können.
Wenige Tage vor Beginn der Koalitionsverhandlungen von Union und FDP auf Bundesebene hat sich erstmals ein CDU-Spitzenpolitiker gegen längere Laufzeiten für Atomkraftwerke ausgesprochen. "Es gibt einen Fahrplan, wie der Ausstieg aus dieser Brückentechnologie stattfindet. Der ist zunächst einmal verbindlich", sagte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller der Financial Times Deutschland vom Mittwoch. "Für mich ist die Frage einer Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke nicht prioritär."
Im Saarland, das selbst nicht über Atomkraftwerke verfügt, finden derzeit Sondierungsgespräche zwischen CDU, FDP und Grünen über die Bildung einer neuen Landesregierung statt. Der dortige Umweltminister Stefan Mörsdorf (CDU) hatte schon im Sommer gegen eine voreilige Verlängerung der Restlaufzeiten plädiert. "Darüber können wir später, vielleicht erst nach der nächsten Legislaturperiode, reden", sagte er. In den Programmen von Union und FDP zur Bundestagswahl werden längere Laufzeiten gefordert, die zusätzlichen Gewinne sollen zumindest teilweise für die Entwicklung erneuerbarer Energien verwendet werden.
Die großen Energiekonzerne versuchen derweil, den Politikern in der Diskussion entgegenzukommen. RWE-Chef Jürgen Großmann forderte längere Laufzeiten für alle 17 noch am Netz hängenden Atommeiler und verknüpfte damit das Angebot, einen Teil der dadurch entstehenden zusätzlichen Gewinne abzugeben. Das Geld könnte für die Modernisierung der Leitungsnetze oder für den Ausbau der Windkraft eingesetzt werden. Großmann sprach von einem "dicken zweistelligen Prozentsatz". Eon-Chef Wulf Bernotat kündigte konkretere Vorschläge der Branche an, wenn Gespräche mit der neuen Bundesregierung anstünden.
Unter Umweltpolitikern der CDU wird nicht ausgeschlossen, dass die Stromkonzerne je nach Ausgestaltung der Konditionen das Interesse an längeren Laufzeiten verlieren. Zumindest bei Kraftwerksblöcken mit größerem Investitionsbedarf stelle sich die Frage, ob sich ein längerer Betrieb in jedem Einzelfall betriebswirtschaftlich noch rechne.
Atomkraftgegner begrüßten am Mittwoch die Aussagen des saarländischen Ministerpräsidenten. Solche Stellungnahmen zeigten, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei, sagte Jochen Stay von der Initiative "ausgestrahlt". "Auch Teile der Basis von CDU und FDP werden noch lauter", erwartet Stay. Welchen Einfluss dies letztlich haben werde, hänge von dem Widerstand der Bevölkerung ab. "Jetzt ist auf jeden Fall noch nicht der Zeitpunkt, zu resignieren."
Die Angebote der Stromkonzerne sind für die Atomkraftgegner dagegen Augenwischerei. "Das ist völliger Quatsch und ein reines Gewinngeschäft", sagte Stay. RWE und Eon investierten schon jetzt Milliardenbeträge in erneuerbare Energien. Komme der Atomausstieg wie unter Rot-Grün festgeschrieben, müssten die Energiekonzerne viel größere Beträge in den Ausbau der Erneuerbaren stecken, um die Stromversorgung sicherzustellen. Das werde durch längere Laufzeiten sogar verhindert.
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