Drohen für Fortgeschrittene

PIRATEN Seit Tagen streitet sich die Partei um Droh-SMS, die Vorstandsmitglied Ponader an die Öffentlichkeit spielte. Nun machen prominente Piraten das Thema zum Grundsatzstreit

BERLIN taz | Am vergangenen Donnerstag um 11.54 Uhr erreichte die taz-Redaktion eine Nachricht des Politischen Geschäftsführers der Piraten, Johannes Ponader. Darin ein Link auf sein persönliches Blog, ein Passwort, eine Sperrfrist. Auch für weitergehende Recherchen galt: nicht vor 12 Uhr. Nachrichten mit Sperrfrist – nichts Unübliches im politischen Berlin. Sperrfristen für Recherchen schon. Zumal es in diesem Fall nicht um Inhalte, sondern um eine Intrige unter prominenten Piraten ging. Vorstandsmitglied Ponader informierte vorab über eine Enthüllung, die er wenig später publik machte.

Der mit Screenshots dokumentierte Vorwurf: Der Fraktionschef der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, Christopher Lauer, habe ihn per SMS bedroht. „Lieber Johannes, wenn Du bis morgen 12.00 Uhr nicht zurückgetreten bist, knallt es ganz gewaltig. Ich seh mir nicht länger schweigend und untätig an, wie Du meine Partei gegen die Wand fährst. Gruß, Christopher.“ So weit, so bemerkenswert. Inzwischen hat sich die SMS-Affäre zum Grundsatzstreit ausgewachsen. Der Berliner Piraten-Abgeordnete Oliver Höfinghoff solidarisierte sich in einem Blogpost mit Ponader: „Die einzige Art und Weise, wie man auf Erpressung reagieren kann, ist es, die Öffentlichkeit zu suchen.“ Vorstandsbeisitzer Klaus Peukert monierte, dass Ponader die Affäre mit Sperrfrist einzelnen Redaktionen zugespielt. Seine süffisante Bilanz: „Das muss diese Transparenz sein, von der man so viel hört.“

Von der von Parteichef Bernd Schlömer geforderten Geschlossenheit ist jedenfalls nichts zu spüren. Eine Solidaritätsinitiative für Ponader mit dem Titel „Drohungen / Nötigungen / Erpressungen öffentlich machen“ fand binnen kurzer Zeit in der Meinungsbildungssoftware Liquid Feedback zahlreiche Unterstützer.

Oliver Höfinghoff rechtfertigte den öffentlichen Zoff am Montag: „Es mag sein, dass dieser Streit unsere Beliebtheit bei den Wählern nicht fördert“, sagte er der taz. „Aber wenn solche Erpressungs-SMS stillschweigend geduldet werden, halte ich das für noch viel schädlicher.“ Zugleich wandte er sich an seinen Fraktionskollegen: „Ich wünsche mir, dass sich Christopher Lauer öffentlich bei Johannes Ponader für diese Aktion entschuldigt.“

Lauer selbst äußerte sich gestern nicht weiter zu dem Thema. Auch Ponader wollte die Folgen seines ungewöhnlichen Schachzugs nicht kommentieren.

ASTRID GEISLER, PAUL WRUSCH