IWF-Tagung in Istanbul: Stimmrechte neu verteilen
Die Schwellenländer wollen mehr Einfluss auf das Handeln des IWF nehmen. Und die Weltbank warnt vor den herben Folgen der Wirtschaftskrise in den ärmsten Staaten.
Angesichts der weltweiten Finanzkrise hat der Internationale Währungsfonds (IWF) mehr Macht gefordert. Der IWF brauche einen Aufgabenbereich, der "die ganze Bandbreite der Politik in der Makroökonomie und im Finanzsektor" umfasse, sagte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn am Dienstag bei den Jahrestagungen von IWF und Weltbank.
Weltbank-Präsident Robert Zoellick lenkte den Blick in Istanbul auf die humanitären Folgen der Krise in vielen armen Ländern. Bis zum Ende kommenden Jahres könnten 90 Millionen Menschen zusätzlich in die Armut abgleiten, sagte Zoellick. Schon in diesem Jahr werden nach seinen Worten bis zu 59 Millionen Menschen weltweit ihre Arbeit verlieren. In Afrika könnten ihm zufolge bis zu 50.000 Kleinkinder in Folge der Krise sterben.
Die Weltwirtschaftskrise hat den Fonds, dessen Bedeutung im vergangenen Jahrzehnt immer weiter gesunken war, neu belebt. Bisher hat die rigide Politik des IWF, die immer gleichen Auflagen verlangt: Haushaltssanierung, Beschneidung von Sozialausgaben und Privatisierung. Vor der Krise brachte das immer mehr Länder dazu, auf Geld aus Washington zu verzichten.
Im Zuge der Krisenbewältigung bringt sich der IWF auf andere Art und Weise wieder ein. Die Banker wollen sich die Chance, auch langfristig wieder eine wichtige Rolle zu spielen, nicht entgehen lassen. Dazu beabsichtigen sie, zumindestens verbal, die bisherigen Machtverhältnisse vorsichtig in Frage zu stellen. Der Fonds, heißt es nun, brauche eine neue Legitimation, vielleicht gar ein neues Mandat. Nun sollen die Stimmrechte neu verteilt und vor allem die Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China besser eingebunden werden. Diese Nationen sowie eine Gruppe von 30 weiteren kleinen Ländern fordern, dass mindestens 7 Prozent der Stimmrechte von den USA und Europa abgezogen werden. Die IWF-Führung will ihnen jedoch nur maximal 5 Prozent zugestehen.
Neben Brasilien, Russland, Indien und China wollen auch die drei muslimischen Länder der G 20, Saudi Arabien, Indonesien und die Türkei ihren Einfluss vorantreiben. Am Rande der Tagung veranstaltete am Montag die Islamische Entwicklungsbank ein Treffen, auf dem die indonesische Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati als Wortführerin auftrat. Banking nach islamischen Regeln, hieß es bei der Veranstaltung, sei doch viel krisenresistenter, weil Zinsen und Derivathandel dort verboten sei.
Etliche Beobachter fragten sich allerdings, ob die Türkei sich da richtig zugeordnet fühle. Doch Frau Mulyani gab sich überzeugt, dass alle drei Länder die gleichen Werte teilen. Tatsächlich hat der heutige türkische Staatschef Abdullah Gül den größten Teil seines Arbeitslebens bei der Islamischen Entwicklungsbank in Saudi Arabien verbracht.Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mahnte, die Stimmen der Kritiker müssten erhört werden. "Während ein Teil der Welt endlos konsumiert, kämpft der andere Teil der Welt wegen Hungers darum, am Leben zu bleiben", sagte er auf der IWF-Tagung.
Für den IWF-Chef Strauss-Kahn ist dieses Gerangel um Einflusszonen allerdings nur ein Nebenschauplatz. Er will seine Institution langfristig wieder stärker als Global Player aufstellen und deshalb dem Fonds insgesamt erst einmal wieder mehr Geld sichern. Insgesamt sind dem IWF in Pittsburgh 250 Milliarden Dollar an Mitteln zugesichert worden. Zählt man aber alle Not - und Nebenfonds zusammen, auf die der IWF im Zuge der Krise Zugriff hatte, kommt man auf fast 1.000 Milliarden Dollar.
Da das sicher nicht so bleiben wird, ging Strauss-Kahn in Istanbul mit einer Idee hausieren, die angeblich bei einigen Ländern schon Anklang gefunden hat. Künftig könnte der IWF zumindestens einen Teil der nationalen Währungsreserven verwalten und mit diesen Mitteln Ländern in Not helfen. Das hätte den Vorteil, dass einige Staaten weniger totes Kapital horten müssten. Geld, das für die Ankurbelung der Weltwirtschaft dringend gebraucht würde. Auf Details wollte Strauss-Kahn jedoch nicht eingehen. "Für solche Fragen", sagte er Journalisten in Istanbul, "sei es noch viel zu früh".
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