Man braucht Freiheit

Charlotte Frank, 1959 in Kiel geboren, versteckt sich nicht hinter den Männern in ihrem Büro. Die 46-Jährige arbeitet seit 1987 mit Axel Schultes zusammen, seit 1992 ist sie Partnerin. Eines ihrer Werke: das Krematorium Baumschulenweg in Berlin-Treptow.

Axel Schultes, mit dem Sie unter anderem das Bundeskanzleramt gebaut haben, ist prominent in den Medien vertreten. Sie hingegen erscheinen seltener. Sie gelten als ruhige, disziplinierte Frau im Hintergrund. Solche Beschreibungen finde ich ziemlich gruselig. Das führt schnell zu Missverständnissen. Sicherlich ist es so, dass Axel Schultes viel stärker in der Öffentlichkeit auftritt und vielleicht auch mehr Spaß daran hat. Aber die Verhältnisse sind nicht so krass schwarz-weiß, wie sie gerne dargestellt werden. Es gibt keine präzise Arbeitsteilung. Wir denken nicht gleich, aber wir ergänzen uns sehr gut.

Sind Sie medienscheu? Nein. Aber Axel Schultes wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Häufig ist es so, dass Männer erst mal ernster genommen werden. Axel Schultes ist außerdem 16 Jahre älter als ich. Er wird ganze 16 Jahre ernster genommen.

Eine Jahrtausende währende Tradition, Architektur als Männerdomäne, setzt sich fort? Nein, Frauen können genauso gut Architektinnen sein wie Männer Architekten. Dass man auf der Baustelle nicht sofort respektiert wird, kann passieren. Auch männlichen Kollegen.

In den meisten Fällen arbeiten Architektinnen mit männlichen Kollegen zusammen. Warum ist das so? Es gibt einfach mehr männliche Architekten. Ich bin momentan die einzige Frau im Büro. Da entsteht gelegentlich eine Herrenwitzatmosphäre. Aber man kann sich inhaltlich mit Frauen genauso gut nicht verstehen wie mit Männern. Axel Schultes und ich streiten uns permanent, trotzdem haben wir eine gute Ebene der Verständigung.

Manche der jungen aufstrebenden Architektinnen sind der Meinung, die Frauen tragen die Schuld an der geringen Präsenz des weiblichen Geschlechts, gerade was Spitzenpositionen betrifft. Sie würden zu wenig Zeit und Energie investieren. Der Begriff „Schuld“ ist in diesem Zusammenhang ein schweres Geschütz. Das Problem in der Architektur ist, dass, wenn man es wirklich ernst meint, die Arbeit sehr zeitintensiv ist. Es ist schwer, mit geringem Zeitaufwand einem hohen architektonischen Anspruch gerecht zu werden. Das ist sicher ein Grund, warum viele Architektinnen, die begabt sind, kein eigenes Büro haben. Außerdem ist die Baukonjunktur derzeit auf dem unteren Level.

Sind Förderprogramme für Frauen an Hochschulen ein adäquates Mittel, die Frauenquote unter den Professorinnen zu erhöhen? Häufig kehrt sich der gewünschte Effekt genau ins Gegenteil um. Wenn Frauen in die engere Auswahl kommen, fühlt man sich aufgrund der Frauenquote tatsächlich gezwungen, in dem Fall die Frau zu nehmen. Um nicht in die Verlegenheit zu kommen, schmeißt man die Frauen vorsorglich schon früher aus dem Rennen.

Welche Art von Gebäuden möchten Sie noch bauen? Ich habe nicht die eine Traumaufgabe. Viel interessanter sind die Bedingungen, die Konstellationen, unter denen man etwas bauen kann. Heutzutage ist es häufig so, dass der Bauherr gar nicht für sich selbst baut. Dadurch ist alles sehr anonymisiert. Wenn Geld vermehren die vorderste Prämisse ist, sind die Möglichkeiten für ArchitektInnen sehr eingeschränkt. Es muss aber eine gewisse Freiheit geben.

Diese Freiheit ist in den letzten Jahren geringer geworden? Ja, ich glaube, dass sie noch extrem nachlassen wird. Häufig geht es nur noch darum, den Meter Masse zu einem bestimmten Preis zu bauen. So entstehen Gebäude, die bald wieder abgerissen werden.

Was finden Sie so interessant daran, Häuser zu bauen? Den Raum, den man allerdings nur ganz schwer beschreiben kann. Das Ziel ist, eine räumliche Komplexität zu erzeugen, etwas, was nur in besonderen Fällen gelingt.

Ihre persönliche Architekturphilosophie? Ich möchte etwas bauen, das ein Gefühl von Nützlichkeit erzeugt.

INTERVIEW: TANJA HÖFLING