Schadenersatzforderungen: "Bild" klaut Sarrazin-Interview

Der Axel Springer Verlag möchte bezahlte Inhalte im Internet und klaut das Sarrazin-Interview bei der Kulturzeitschrift Lettre International. Die erhebt nun Schadenersatzforderungen.

Medienstreit zwischen Bild und Lettre International: Dank Thilo Sarrazin. Bild: ap

Für Moral und Ethik im Journalismus war der Axel-Springer-Verlag nie sonderlich berühmt. Für Doppelmoral schon eher. Axel-Springer-Vorstand Andreas Wiele hatte im September zum Auftakt der IFA-Medienwoche noch behauptet: "Deutschland hat die Chance, zum Vorreiter beim Paid Content zu werden". Und auch Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, hatte sich kürzlich für die Verbreitung von bezahlten Inhalten im Internet stark gemacht. "Es kann nicht sein, dass die Einen für viel Geld wertvolle Inhalte erstellen und die Anderen sie kostenlos kopieren und vermarkten", erklärte er vor einigen Wochen der FAZ. So ist es aber. Dass der Axel-Springer-Verlag allerdings selbst Inhalte kopiert und dann kostenlos vermarktet, ist dann doch etwas paradox, um nicht zu sagen: peinlich.

Die Kulturzeitschrift Lettre International erhebt deswegen Schadenersatzanspruch gegenüber Bild.de und Bild. Bild.de hat ein kürzlich publiziertes Interview der Zeitschrift vollständig ins Internet gestellt, fünf volle Seiten, 60.000 Zeichen. Dabei hat man sich nicht einmal die Arbeit gemacht, den Text abzutippen, er wurde einfach eingescannt. Die Veröffentlichung sei "gegen den mehrfach geäußerten negativen Willen" geschehen, untermauert Lettre-Chefredakteur Frank Berberich seine Verärgerung. Die Zeitschrift selbst stellt keine umfangreichen Texte auf ihre Website und wollte somit auch keiner anderweitigen Veröffentlichung im Netz zustimmen; neben Bild hatte auch der Focus Interesse bekundet.

Bei dem besagten Text handelt es sich natürlich nicht um irgendein Interview. Das Gespräch mit Thilo Sarrazin hat ein enormes Medienecho verursacht und eine heftige Debatte über Rassismus und Integration losgetreten. Es sei "reine Skrupellosigkeit" gewesen, "wie Springer das hochgeputscht und dann als Einziger öffentlich zugänglich gemacht hat." Neben der Veröffentlichung im Internet hat Bild zusätzlich in seiner Printausgabe weite Strecken zitiert. Frank Berberich geht es nicht nur um moralische und ethische Prinzipien im publizistischen Bereich, für die Zeitschrift sei ein "realer Schaden" entstanden. Von einer "Mehrfachausbeutung" spricht Rechtanwalt Eisenberg.

Urheberrechtsverletzung, Verletzung des Wettbewerbsrechts und Schadenersatzforderungen. "Ich stelle mir schon einen fünfstelligen Betrag vor", so Eisenberg. Man kann Springer fast nur gratulieren: sie haben mal wieder ein Tabu gebrochen.

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