Kolumne Männer: Der schmale Grat

Es scheint Männern fast unmöglich zu sein, gelungene Komplimente zu machen. Oder sie zu bekommen.

Sie haben ein wunderschönes Lächeln. Ja, genau Sie. Wie Sie Ihre Mundwinkel halb irritiert, halb amüsiert nach unten ziehen, während Sie gerade diese Zeilen lesen: Das steht Ihnen sehr. Ich hoffe, ich bin Ihnen damit nicht zu nahe getreten. Die Kunst, charmante Komplimente zu machen, hat hierzulande ja keine Heimstatt. Nicht nur, aber auch wenn die Schmeicheleien von Männern stammen.

Beispielsweise von einem Bekannten von mir. Der ist ein sehr höflicher Mann, sehr schüchtern, und obendrein in eine alte Freundin von ihm sehr verliebt. Eines Abends nahm er sich ein Herz und leider auch viele Cocktails. Er näherte sich seiner Verehrten, die ein enges Oberteil trug, an der Theke. Dieser Dame sagte er mit rotem Kopf und ehrlich nach einem Kompliment ringend: "Ich finde das übrigens super, wie du das mit deinen Brüsten machst." Ich weiß nicht, ob aus den beiden was geworden ist. Aber Frauen sind Männern gegenüber auch nicht besser.

Ein Freund von mir ließ sich einmal seine sehr lange blonde Mähne scheren. Am Ende hatte ihm die Friseurin einen Pottschnitt angetan. Als sie ihr Vernichtungswerk betrachtete, sagte sie ihm voll ehrlichem Stolz: "Jetzt sehen Sie aus wie der schönste Mann Deutschlands. Wie Roland Kaiser."

Die schlimmste Beleidigung, die ich je erfuhr, war ein Kompliment. Eine Kollegin meiner Mutter, damals schon Mitte 60, sagte mir vor vielen Jahren: "Ich habe lange überlegt, wem Sie ähneln." Sie strahlte, als wolle sie mich beschenken: "Jetzt ist es mir eingefallen: dieser Fernsehmoderator von ,Brisant'. Axel Bulthaupt." Noch am selben Tag sagte ich Haargel Lebewohl auf immer. Ich habe viele Freunde gefragt, ob sie nicht gelungene Beispiele für Schmeicheleien kennen. Aber nichts da. Männer erzählen meist von ihrer Ratlosigkeit und ihrem Unverständnis. Sie könnten es nie recht machen. Am liebsten ist mir die Entgegnung: "Sie hat aber auch wirklich große Brüste."

Frauen hingegen scheinen auch in Sachen Komplimente schizophren zu sein. Eine Frau sagte mir empört: "Stefan hat mir doch allen Ernstes gesagt, mein Pullover bringe meine Augen zur Geltung." Das fand sie offenbar so schlimm, dass sie kurz darauf mit diesem Wüstling zusammenkam. Andererseits schwärmten mir mehrere hochemanzipierte Frauen vor, es sei so toll gewesen, als dicke kleine alte Männer ihnen in Buenos Aires und Madrid auf der Straße hinterherpfiffen. Vielleicht sollte ich einer Frau mal auf den Hintern klatschen und sagen: "Ich bin's, Sugar! Der Roland Kaiser der Nullerjahre: Axel Bulthaupt!" Ich schwanke noch.

Besagter Stefan nahm einmal an einem Flirt-Seminar teil. Aus rein journalistischem Interesse natürlich. Eine Lektion für die lernbegierigen Männer war: Feindkontakt. In der Münchner Fußgängerzone musste er 50 fremde Frauen ansprechen und ihnen Komplimente machen. "Und du glaubst es nicht, aber fast jede Frau fühlte sich geschmeichelt", sagte dieser Freund. "Mann, hätte ich dieses Seminar schon mit Anfang 20 gemacht …" Er kam nicht weiter. Seine Freundin saß daneben. Ihr Pullover brachte in diesem Moment ihre pulsierende Halsschlagader sehr schön zur Geltung.

Wahrscheinlich hat wieder einmal Oscar Wilde recht: "Frauen sind nie durch Komplimente zu entwaffnen. Nur Männer." War das jetzt ein passendes Ende für diese Kolumne? Ich weiß nicht. Vielleicht ließe sich an dieser Stelle noch erwähnen, dass man sich mit Komplimenten ein skeptisches Gegenüber gewogen machen kann. Und Sie haben übrigens ganz zauberhafte Augen.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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